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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.11.1933
- Strukturtyp
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- 1933-11-18
- Erscheinungsdatum
- 18.11.1933
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- Deutsch
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X- 269, 18. November 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b. Dtschn Buchhandel. Und nun beginnt der Kampf um das tägliche Brot. Der künst lerische Mensch sieht sich schwersten Bedrohungen seiner rein mate riellen Existenz preisgegeben. Die breite Bolksmasse, die Konsument seines Schaffens sein muß, um ihn am Leben zu erhalten, fehlt. Die kleinen gehobenen Schichten, die dafür als Ersatz eintreten, reichen nicht aus, um der Kunst eine materielle Daseinsgrundlage zu geben. Der Künstler entfernt sich weiter und weiter von der Zeit und ihren Menschen, die ihn bald vergessen, um ihn am Ende nur noch als überflüssig oder gar lächerlich zu empfinden. Aus der trostlosen Leere seines materiellen und geistigen Daseins flüchtet er in die Organisation. Die Organisation selbst aber meldet peinlichst die Auseinandersetzung mit den geistigen Problemen der Zeit. Ihr Problem ist nur und immer die Sicherung des materiellen Lebens. Sie wird Gewerkschaft wie jede andere Vertretung eines Berufs standes im liberalen Staate. Nur schwächer in ihrer Stoßkraft als die anderen, weil die individuelle Absonderlichkeit der in ihr ver einigten Menschen jede Einheitlichkeit der Forderung und jede durchschlagende Wirkung des organisierten^Auftrotens von vorn herein unmöglich macht. Wo sonst Disziplin gewahrt wird als schärfstes Mittel im Kampf um das tägliche Brot, da herrscht hier Anarchie und Form losigkeit. Die Forderung nach wirtschaftlicher Sicherheit verliert an Druck, je entbehrlicher sich der künstlerisch schaffende Mensch für das tägliche Leben der Gesamtheit gemacht hat. Er gilt nur noch als Überbleibsel aus der guten alten Zeit, da es uns besser ging, und wir Geld genug hatten, uns unser Leben durch ihn und sein Schaf fen verschönen zu lassen. Die Kunst ist nicht mehr unabdingbare Le- bensäußerung des Volkstums, sie hat die Zeit im Stich gelassen, und nun läßt die Zeit sie im Stich. Ganz wenige Einzelgänger, die die liberale Gesellschaft sich hält, um nach außen hin das Prestige zu wahren, wandeln auf der Höhe des Geldes und der Bewunderung. Die übrigen aber, die vielen oder allzuvielen, sinken hernieder in die amorphe Masse des Kunstproletariats, um hier den Kampf aller gegen alle zu eröffnen. Gedichte werden belächelt, Bücher nicht mehr gekauft, Musik ist nicht mehr Bedürfni s, sondern ge legentliche Abwechslung im grauen Alltag. DieTheater stehen leer, und durch ihre öden Räume geistern die Schatten einer Zeit, die längst vergangen ist, während draußen a«f den Straßen das Volk aufsteht, um den Marsch ins leuchtende Leben anzutreten. Umwertung der Werte. Das ist die Tragödie des lulturschaffenden Menschen in Deutschland, der, an der Wende zweier welt geschichtlicher Epochen stehend, den Bruch mit der Vergangenheit zu vollziehen und den Weg zur Zukunft zu finden, nicht den geistigen Mut aufbringt. Eine tödliche Krise, wenn sie von langer Dauer ist. Eine Zeit der Selbstbesinnung und des geistigen Um bruchs, wenn der künstlerische Mensch die Kühnheit besitzt, den luft leeren Raum, der sich zwischen dem Gestern und Morgen ausgetan hat, zu durchstoßen und mit festem Fuß das gewonnene Neuland zu betreten. Der Aufmarsch, den wir begonnen und vollendet haben, ist ein Aufmarsch der Gesinnung. Diese Gesinnung hat nichts gemein mit dem gleichlautenden Begriff, den wir aus der Vergangenheit nur noch in verächtlicher Erinnerung haben. Es ist eine Gesinnung der Tat, die eine Umwertung der Werte eingcleitet hat, um ihre Ncu- wertung vorzubereiten. Der Durchbruch dieser Gesin nung ist überall im öffentlichen wie im privaten Leben spürbar. Sie hat die Menschen umgeformt und mit neuem Lebensmut und stärkerer Daseinskraft erfüllt. Was uns an materiellem Glück vom Schicksal in dieser Zeit versagt blieb, das haben wir durch die Beglückung neuer Jdeeri doppelt und dreifach aufgeholt. KeinBolkderErdehath>!UtemehrGrund alsdasdeutsche,mitBertraueniundfesterZuver- sicht in seine Zukunft zu schaue in. An die Stelle einer zermürbenden Schlaffheit, die vor dem Ernst des Lebens kapitu lierte, ihn nicht wahr haben wollte oder vor ihm flüchtete, trat jene heroische Lebensauffassung, die heute durch den Marschtriti brauner Kolonnen klingt, die den Bauern begleitet, wenn er die Pflugschar durch die Ackerschollen zieht, die dem Arbei- 882 ter Sinn und höheren Zweck seines schweren Daseinskampfes zu rückgegeben hat, die den Arbeitslosen nicht verzweifeln läßt, und die das grandiose Werk des deutschen Wiederaufbaues mit einem fast soldatisch anmutenden Rhythmus erfüllt. Es ist e i n e A r t v o n st ä h l er n e r R o m an t ik, die das deutsche Leben wieder lebens wert gemacht hat, eine Romantik, die sich nicht vor der Härte des Daseins versteckt oder ihr in blaue Fernen zu entrinnen trachtet, eine Romantik, die den Mut hat, den Problemen gegenüberzutreten und ihnen fest und ohne Zucken in die mitleidslosen Augen hinein- zuschauen. Diese neue Gesinnung gibt Deutschland ein Tempo und eine Durchschlagskraft seiner aufbauenden Arbeit, wie sie bis da hin für unmöglich gehalten wurden. Nureinkünstlerisches undkulturellesBestreben, dassichvonihrwillig und widerstandslos erfüllen läßt, wird von Dauer sein und die Zukunft gewinnen. Mißverständnisse. Lassen Sie mich, um der Gefahr des Mißverständnisses aus- zuweichcn, eine Reihe von Befürchtungen, die laut geworden sind, gleich hier widerlegen und zurückweisen. Niemand von uns ist der Meinung, daß Gesinnung Kunst ersetzen könnte; auch bei der Kunst kommt es nicht daraus an, was man will, sondern vielmehr darauf, was man kann. Die Gesetze der Kunst können niemals geändert werden, sie sind ewig und nehmen ihre Maße aus den Räumen der Unsterblichkeit. Nur geweihte Hände haben das Recht, am Altäre der Kunst zu dienen. Was wir wollen, ist mehr als dramatisiertes Parteiprogramm. Uns schwebt als Ideal vor eine tiefe Vermählung des Gei st es der h'eroischen Le bensauffassung mit den ewigen Gesetzen der Kun st. Wir verstehen Tendenz in einem höheren Begriff; für uns zielt sie nach dem Volk, in dessen Boden die Wurzeln allen Schöp fertums liegen. Niemand hat das Recht, uns in den Verdacht zu nehmen, daß wir aus Gründen tendenziöser Propaganda jenem Dilettantismus das Feld freigeben wollten, der noch immer die wahre, edle Kunst zu Tode geritten hat und damit auch einer echt verstandenen Pro paganda nur Schaden zufügen konnte. Wir empfinden selbst zu künstlerisch, um vor dem Dilettantismus die Waffen zu strecken. Mag sein und wahrscheinlich ist, daß den zitternden Geburtswehen unserer neuen Zeit einmal das ewige Genie entspringt, das dieser Zeit auch den mitreißenden künstlerischen Ausdruck verleiht. Wir dürfen es hoffen und wünschen, wir haben das Recht, demütig darauf zu warten. Bis dahin aber steht es uns nicht zu, den großen Wurf des Genies ersetzen zu lassen durch den Herz- und blutlosen Dilettantismus eines Heeres von Nichtkönnern, die der Herr in seinem Zorn erschaffen hat. Vielleicht wird die Kunst sich früher oder später der Stoffe und Probleme bemächtigen, die wir aufgeworfen haben. Es würde ihr und uns zum Nutzen gereichen. Wir haben nicht die Absicht, das zu kommandieren. Aber es steht uns das Recht zu, darüber zu wachen, daß, wo sie ausgegriffen, sie auch gemeistert werden. Nie mand befiehlt, daß die neue Gesinnung über die Bühne oder Leinwand marschiere. Wo sie aber darüber marschiert, da müssen wir eifersüchtig dafür sorgen, daß sie auch in ihrer künstlerischen Formung derGrößedeshi st arischen Prozessesentspricht, den wir in der deutschen Revolution durchgeführt haben. Darüber hinaus aber wollen wir nur die guten Schutzpatrone der deutschen Kunst und Kultur auf allen Gebieten sein. Der Hunger, der das deutsche Volk erfaßt hat, erstreckt sich nicht allein auf den Magen. Es ist ebenso ein Hunger der Seele; auch der will gestillt werden. Wie jede echte Revolution, so zielt auch die unsere auf eine umwälzende Neugestal- tung unseres kulturellen Bestandes und geisti gen Schöpfertums hin. Kein Vorwurf hat uns in der Ver gangenheit so tief zu treffen vermocht wie der, daß der National sozialismus geistige Barbarei sei und am Ende zur Vernichtung des kulturellen Lebens unseres Volkes führen müsse. Wir haben die schöpferischen Kräfte der deutschen Nation wieder freigelegt; sie mögen sich ungehindert entfalten und reiche Früchte tragen am Baum eines neuerstandenen Volkstums.
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