217, 17. September 1908. Fertige Bücher. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 9911 mehr, und Ihr macht es wie die chinesische Prinzessin in diesem Buche, welche ihren Oberhofmärchen- erzähler schier nach jedem Satze mit dein Fingerchen bedroht: „Du, Du Kjing-kjang-kjö-king, wenn's nur angesehen werden, darum gebe ich's lieber gleich von vornherein zu, daß dies ganze Geschichtenbuch von A bis 3 erlogen, erstunken und obendrein nicht wahr ist. Aber dennoch mache ich mir gar kein Gewissen daraus, Euch alle diese Geschichten vorzuflunkern und schön gedruckt, gebunden und mit Bildern reich geschmückt auf den Weihnachtstisch zu legen; denn dies eine ist wirklich wahr und das könnt Ihr mir dreist glauben: die schönen Geschichten, die Ihr in Eurem späteren Leben hören und lesen werdet, werden meistens nicht wahr und die wahren Geschichten meistens nicht schön sein. Warum sollt Ihr Euch also nicht, solange es irgend angeht, schöne Geschichten vorlügen lassen? Die Zeit, wo Ihr die bösen wahren Geschichten am eigenen Leibe erleben müßt, kommt für jedes von Euch noch früh genug, und wer Euch inzwischen zur Freude am Schönen und zum Glauben an das Wunderbare anhält, der ist in Wahrheit Euer guter Freund — und wenn ihm selbst ein paar faustdicke Lügen mit unterlaufen, so sind das gute, fromme Lügen. Wenn Ihr auch noch so gescheit seid und an Märchen und Wunder nicht mehr glauben mögt, Ihr seid ja doch von lauter Wundern umgeben. Oder ist es etwa nicht ein Wunder, wenn aus einem kleinen quabbelichen, kahlköpfigen Schreihals, der nicht bap sagen kann, im Lauf der Jahre ein riesengroßer Mensch wird, der mit seinen Gedanken die ganze Welt fortreißt? Oder ist es kein Wunder, daß aus einem winzigen Samenkorn ein großmächtiger Baum herauswächst, der Blüteü trägt und Früchte und so von Anbeginn bis Ende seine Art lebendig erhält? Ja, das Leben ist das schönste und größte aller Wunder. Lind darum tut der fabelnde Dichter, der Märchenerzähler auch gewiß nichts Böses, wenn er den Tieren und den Pflanzen, ja selbst den toten Dingen, Schränken, Tellern und Stiefelknechten und allen möglichen Geschöpfen seiner Einbildung Leben und Sprache verleiht Lind er macht sich auch gar nichts daraus, wenn Ihr ihm seine Geschichten nicht glaubt — aber wenn Ihr ihm fröhlich bezeugen könnt, daß es schön und lustig war, was er Euch vor gelogen hat, dann lacht er sich ins Fäustchen und verlangt gar keinen besseren Lohn für seine Mühe. And damit, Ihr lieben Kinder, Gott befohlen! Ich tue nun meinen Lügensack weit auf und wünsche Euch viel Vergnügen. Euer alter Freund und wohlmeinender Schnurrpfeifer Ernst von Wolzogen. Da voraussichtlich eine sehr starke Nachfrage nach dem wirklich trefflichen WeihnachLsbuche eintreten wird, kann ich in erster Linie nur denjenigen Firmen a conä. liefern, die gleichzeitig eine Varbestellung aufgeben. — Ich bitte deshalb, von beiliegender Vorzugsofferte ausgiebigsten Gebrauch machen zu wollen. und Berlin. Moeser Weißer Verlangzettel anbei.