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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.09.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1933-09-19
- Erscheinungsdatum
- 19.09.1933
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- Deutsch
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X; 2l8, 19. September 1833. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DtschnBuchhandel. blick lebenden und seinen Fortschrittsreizen verfallenen Schicht städtischer Bevölkerung. Sie war eine Notwendigkeit, geboren aus der weitgehenden Verarmung breiter, buchhungriger Mittelstands schichten und aus dem Fehlen öffentlicher Mittel zur vollständigen Ausstattung der kommunalen und staatlichen Büchereien, und hätte bei planvoller Wertung des Buchgehalts der verliehenen Bü cher eine segensreiche Einrichtung werden können. Da sie aber keine Wertung verfolgte und somit einer erzieherischen Zielsetzung entbehrte, so war sie, obwohl sie den stolzen Namen Bücherei trug, keine Schulungsstätte wie die wissenschaftliche Bibliothek, kein Bil dungsinstitut wie die Volksbücherei, sondern labte den Hunger des Augenblicks und nützte die Sensationslüsternheit eines literarischen Snobismus geschäftstüchtig aus. So war und blieb sie vielsach reines Geschäft, herkunftgemäß und willentlich, wollte nicht Werte vermitteln, sondern Kapital verzinsen, betrachtete das Buch als Kapitalanlage und vernachlässigte seinen ethischen Wert und seine sittliche Wirkung. Ebenso wie nun die Leihbücherei ihre Entstehung privatwirt- schaftlicher Initiative verdankt, so beruht auf gleicher Grundlage auch der gesamte Buchhandel. Dieser privatwirtschastliche Ursprung trennt nun die Leihbücherei von den beiden übrigen Bibliothek formen, der wissenschaftlichen und der Volksbücherei, die auf Kosten der Allgemeinheit, aus staatlichen bzw. städtischen Mitteln, bestehen, und verbindet sie andererseits mit dem Buchhandel, der ebenfalls eine Sache der Privatwirtschaft ist. Die Herstellung und der Verkauf des Buches obliegt privatem Unternehmertum, ge schieht durch Aufwendung privaten Kapitals, das in die Herstellung der Druckschrift gesteckt wird und sich durch seinen Verkauf ver zinst bzw. verzinsen soll. Wenn wir nun die verschiedenen Auf gaben des Verlegcrtums einerseits und des Sortimenterstandes andererseits als der aus der historischen Entwicklung sich ergebenden Funktionsträger in diesem Arbeitsprozeß betrachten, so ergibt sich zunächst für die Tätigkeit des Verlages folgendes: Der Verlag erwirbt die Schöpfungen des deutschen Geistes, der Wissenschaft, der Kunst und der Dichtung von den Autoren und bringt sie in den Handel. War es in der Anfangszeit der Buch druckerkunst so, daß ein Mann bzw. eine Firma das einzelne Buch vom Manuskript bis zum direkten Verkauf an den Kunden besorgte, so mußte infolge der Vielfältigkeit der auf diesem Wege liegenden Aufgaben bald eine Arbeitsteilung eintreten, und so übernahm der verlegerisch tätige Buchhändler den Erwerb der geistigen Leistung, die Herstellung des Buches sowie den Vertrieb an den Sortimcnter- kollegen. Je nach seiner Zielsetzung mußte und muß der Ver leger bemüht sein, das belletristische Buch den Freunden der schö nen Literatur, das wissenschaftliche Buch den Fachwissenschaftlern, das Schulbuch den Schulmännern, das allgemein belehrende Buch den Bibliotheken und Bildungsbeslissenen, das politische Buch den politisch interessierten Menschen bekannt zu machen. In seine Preis- und Unkostenkalkulation muß er also die Kosten der Her stellung des Buches und der vielfältigen Propaganda einkal kulieren, und muß sein Bestreben dann dahin richten, das Buch in möglichst hoher Auflage weiter zu verkaufen. Auch er arbeitet auswählend, wertend. Er wird dabei von zweierlei Über legungen ausgehen, sich zwei Fragen vorlegsn: bedeutet d a s B u ch, das ich hcrausbringcn will, eine wertvolle Be reicherung des wissenschaftlichen, dichterischen, politischen, schulischen Schrifttums? und w i r d e s in den an ihm inter essierten Kreisen solchen Anklang finden, daß ich eine hohe Auflage damit erziele, daß also das Kapital, das ich hinein stecke, sich gut verzinst? Es ist kein Geheimnis mehr, daß indem letzten Jahrzehnt die letztere Überlegung, die der ge schäftlichen Rentabilität, fast durchwegs die verlegerische Arbeit bestimmte. Was diese einseitige Berücksichtigung des kom merziellen Standpunktes, die in der Schaffung des Ver kaufsschlagers, des best sellsrs ihre typische Ausprägung fand, fürFolgen hatte, das ist in den letzten Monaten Tag um Tag und Woche um Woche in den Fachblättern zu lesen, so daß ich mich darauf beschränken kann, auf die Tatsache hinzuweisen, daß nur ganz wenige deutsche Verlage in dieser Zeit Manns genug waren, wertvolles deutsches Schrifttum — und zwar ist hier wesentlich der schöngeistige Verleger betroffen — unentwegt weiter zu betreuen. Aus dem Lager des Verlegers kommt direkt (oder indirekt durch den Kommissionär in Leipzig) das verkaufsfertige Buch zum Sortimenter, dem nun die Aufgabe zufällt, für das Buch Käufer zu finden, es, ähnlich wie der Verlag, in möglichst zahlreichen Exemplaren zu verkaufen. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Deutschland der feste Ladenpreis eine allgemein anerkannte Einrichtung. Für den Sortimenter kann cs sich also nicht darum handeln, das einzelne Buch möglichst teuer zu verkaufen, für ihn geht es deshalb darum, einen möglichst großen Kundenkreis sich zu schaffen und zu erhalten. Das Lebensproblem des Sortimenters ist daher die Kundenwerbung und der Dienst am Kunden. Seine Überlegungen werden also etwa lauten: wie kann ich die an den Büchern meines Lagers interessierten Menschen in meinen Laden bringen? und welche der mir von den Verlegern angebotenen Bücher finden das Interesse des bei mir verkehrenden Publi - kums, treffendieGeschmacksrichtungderjetzigen Zeit, haben also Aussicht auf günstigen Absatz? Auch er nimmt also eine Wertung vor bei der Auswahl seiner Bücher und die erwähnten psychologischen und vielfach massenpsychologischen Er wägungen, die er, ganz wie der Verleger, vornimmt, müssen auch geschäftlichen Erwägungen unterstellt sein. Denn ebenso wie dieser muß er von dem Ertrag seines Buchhandels leben, er hat keine staatlichen oder städtischen Mittel zur Verfügung, er ist auf Ge deih und Verderb auf seine Verkaufstätigkeit angewiesen. Die Rücksicht auf den Masseninstinkt, die er aus geschäft lichen Gründen nimmt, birgt aber eine hohe Gefahr, der der Sortimenter ähnlich dem Verleger in den verflossenen Jahren nach dem Krieg nicht immer entgangen ist. Er übersteigerte vielfach die Berücksichtigung des Instinkts einer viel fach in ihrem Urteil von volksfremden, zersetzerisch tätigen und wirkenden Kritikern abhängigen Lesermasse, die dem Scnsations- simmel und der erotischen Aufkitzelung untertan war, und so kam es, daß mit ganz wenigen Ausnahmen der Sortimenter sich treiben ließ und den eigenen Weltmaßstab wenn nicht verlor, so doch hintanstcllte. Auch über diese Sünde des Sortiments, ebenso wie über die des Verlags, sind wir aus Zeitungen und Zeits^iriften und aus eigener Kenntnis und Erkenntnis so gut unterrichtet, daß es Holz in den Wald tragen hieße, wenn ich mich dabei aufhielte, die Torheit der ver gangenen Jahre in grellen anklagcndcn Farben zu schildern. Es hülfe ja auch wenig, sich in einem Schlammbad von Selbstbezich tigungen zu wälzen. Worauf es vielmehr ankommt ist das, die Ursachen der Fehler und die Wurzeln der Versäumnisse bloßzu legen und dann den Weg zur Befreiung und Rettung zu erkennen und zu beschreiten. Lassen Sie uns, bevor wir uns über den Weg schlüssig werden, darum noch einmal das Gesamtgebiet des deut schen Buchlebens abstecken, das wir eben in seinen Einzelerscheinun gen geprüft haben. Diesmal aber in der dem organischen Wachs tum des Buches entsprechenden Reihenfolge vom Verleger und Sortimenter zu den Büchereien. Verlag und Sortiment sind geschäftliche Un ternehmungen und sind als solche gehalten, ihre Arbeit nach kaufmännischen Grundsätzen zu leisten, d. h., alle Momente, die ihren Schaden mindern, ihren Gewinn erhöhen, zu berücksichtigen. Ihre Aufgabe ist es, das geistige Gut der Nation, soweit es schriftlich niedergelegt wird, auf sei nen Wert hin zu prüfen und es nach erfolgter Auswahl zu verlegen und zu vertreiben (dies der Verlag), bzw. das gedruckte Schrifttum, ebenfalls unter Beobach tung wertender Überlegungen an das Lesepublikuiü weiterzuverkausen (dies das Sortiment). Das Geschäfts gebaren des Buchhandels beruht somit auf einer sichtenden Wertung des angebotenen Buchmaterials. Welches aber sind die Wertmaßstäbe, die bei der Abwägung des Buchwertes anzuwenden sind? Jedes Buch hat einen inhaltlichen Wert, der Lei wis senschaftlichen Werken in den in ihm nicdcrgelegten neuen Erkennt nissen des betreffenden Fachgebietes, bei dem dichterischen Buch da gegen (um nur diese beiden Haupttypen herauszugreifen) sich in einen künstlerischen und sittlichen Wert spaltet (ganz grob gesprochen), und außer diesem Gehaltwert noch den mate riellen Wert, den es als Teilträger einer sich ver zinsenden Kapitalsanlage besitzt. Daß der sittliche Wert des 705
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