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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.08.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1933-08-29
- Erscheinungsdatum
- 29.08.1933
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- Deutsch
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sßk 300, 29. August 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Ttschn.Buchhandel. muchllng und seelischer Vertiefung. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Gehilfenschaft für die näch sten Jahrzehnte sein, alle die Mittelständler und Arbeiter, die sich bisher ihre Bücher im Warenhaus mitgenommen haben, in die gutgeleitete Buchhandlung hercinzuholen. Und sobald dafür Möglichkeiten geschaffen sind, hat der großstädtische Warenhaus buchhandel zu verschwinden. In Städten unter hunderttausend Einwohnern ist er heute schon auszuschalten, weil dort der um sichtige und rührige Buchhändler sehr wohl noch die Möglichkeit hat, alle Kreise des Volkes zu erfassen und in den bedachten Er ziehungsplan seiner Arbeit einzubeziehen. Planmäßige ErziehungdesdeutschenBolkes zu einer bodenständig echten und weltoffen weiten Bildung des Kopses und des Herzens, zum gemeinsamen Begreifen des einheit lichen Schicksals, zu Ehrfurcht vor den Taten und Werten der Vergangenheit und zum Dienst an der Zukunft, das ist das Gei stesprogramm des neuen Deutschland. Und jede buchhändlerische Arbeit ist ein Teilstück daraus. Die Fragen der U b e r p r o d u k- tion und des Neuigkeitenrummels werden ganz von sel ber ihren Ausgleich erfahren und aus der Debatte verschwinden, wenn erst — und es kommt keiner darum herum — der schön geistige Verleger begreift, daß es nicht mehr darum gehen kann, mit allen erdenklichen, raffinierten Mitteln reklamemäßig »Be darf zu erzeugen«, für diesen und jenen Schlager »Stimmung zu machen« und dann ohne geistige Verantwortung und ohne Frage nach den inneren Erfordernissen eines Dienstes am Volke feste drauflos zu produzieren. Freimütig gibt Spemann zu, daß der Fehler der Über produktion, die seit Jahren entsetzlichen Schaden angerichtct hat, beim Verlag liegt. Wenn er dabei aus einen Aufsatz hinweist, den er vor Jahren gegen den Irrsinn der Überproduktion in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht hat, so muß allerdings grob deutlich ausgesprochen werden, daß gerade die Frankfurter Zei tung im Bunde mit der alten Literarischen Welt, mit der die heute unter meiner Leitung erscheinende Zeitschrift nichts mehr als gerade den Namen gemein hat, den schandbaren Bcst-seller- Skandal in Szene gesetzt und nach amerikanischem Muster zur äußersten Verflachung aller Maßstäbe gesteigert hat. Deutschem Wesen und einem ernsthaften Bemühen, geistige Güter auf ihren Wert hin zu prüfen, das Beste und lebendig Bleibende der Ver gangenheit zu Pflegen, schlugen diese Gepflogenheiten eines Hal tungslosen Journalismus ins Gesicht. Und die nur Geschäfte machenden Verleger hätten niemals derart emporwuchern kön nen, wie sie es in den letztvergangenen Jahren zu unser aller Schrecken vermochten, wenn nicht eben diese Presse ihnen die Steig bügel gehalten hätte. Damit wird nichts gegen Herrn I)i. Spe- maun gesagt; es verdient nachdrückliche Anerkennung, daß er schon vor Jahren auf die Schäden dieser Instinktlosigkeit hingewiesen hat, aber es entbehrt nicht der nachträglichen Komik, daß ein sol cher Aufsatz ausgerechnet der Frankfurterin anvertraut werden konnte. Und für den notwendigen Neuaufbau ist es wichtig, die literarischen Sünden gerade dieses Blattes im Gedächtnis zu be halten. Der Wert der guten alten, zu bitterem Unrecht und eigenem Schaden der Lebenden bis in unsere Tage hinein vergessenen deut schen Dichtung wird nicht durch das Stocken der Erzeugung neu zum Bewußtsein gebracht, sondern auch hier wiederum zeigt sich — notwendige Voraussetzung für alles — die Unerläßlichkeit einer Planmäßigen Erziehung des gesamten deutschen Volkes, einer Erziehung, die den sogenannten Gebildeten aus seiner literari- sierten Verbildung heraus zur neuen Aufgeschlossenheit für echte Werte zu führen hat und die dem sogenannten Ungebildeten, dem »profanen Volke» nicht gegenübertreten dars mit der unverschäm ten Meinung frecher Geschäftemacher von ehemals, das Volk ver lange Schund und also müsse der kluge Kaufmann Schund fabri zieren. Es verlangt vielmehr vom schöngeistigen Verleger die neue Zeit, daß er das Volk als Volk in seinen gesunden Instinkten verstehen lernt und ihm die Bücher gibt, die es zu seiner Gesun dung und Weiterbildung braucht, wie eine frühere geordnete Zeit es verstanden hat, Gustav Freytags kulturgeschichtliche Werke zu Hausbüchern zu machen und Gottfried Kellers Grünen Heinrich zum über Jahrzehnte dauernden Lebensbuch für viele. Die Reichsbuchwoche nützt gar nichts; der schöngeistige Ver leger soll sich nicht mit Krampf und Gejammer den Kopf zer brechen, was man denn nun möglichst konjunkturgerecht produ zieren könne; dieses alles hat auszuhören. Ausgabe bleibt, in einer möglichst großen Anzahl von deutschen Menschen, vor allem in den Reihen der Heranwachsenden ein neues lebendiges Verständnis für den bleibenden Wert des guten Buches zu wecken und einen Jeden, der irgend ersaßt werden kann, zum dauernden Freund des Buches zu machen. Es'nützt gar nichts, daß eine Woche lang einmal höherer Absatz erzielt wird und sonst alles beim alten bleibt. Große Werbung für das Buck- Hat unter dem Gesetz zu stehen, daß durch sie die Aufmerksamkeit aller auf die durch nichts zu ersetzende Bedeutung gelenkt wird, die das wertvolle Buch für das innere Leben des Volkes besitzt, daß die Aufmerksamkeit der verantwortlichen Führer (Verleger und Sortimenter eingeschlossen) auf die geistige Erziehungsausgabe ge richtet wird, die es zu erfüllen gilt, damit das gesamte Volk ein besseres und ein dauerndes Verhältnis zum Buche als dem Mittel der Lebensbereicherung und der Kräftigung gegen alle Widerstände des Schicksals gewinnt. Das Wort Werbung wäre am besten abzulösen durch das Wort Erziehung, und dieser voran zugehen hat erst einmal Selb st zuchtdesgesamtenschön geistigen Verlages überhaupt, der um seiner selbst willen und im verpflichtenden Dienst eine ganz großzügige Bil- dungs-undFormungsarbeit am deutschenVolke leisten muß, der dafür den verstorbenen Eugen Diederichs sich zum Vorbild nehmen möge, und den in solcher Aufbauarbeit, die dann auch selbstverständlich im Kreise der schöngeistigen Verleger selbst einen zuchtvollcn Kameradschaftsgeist wecken wird, die maßgebenden Regierungsstellen fördern und stützen werden. Es bleibt kein Raum im neuen Deutschland für einen schöngeistigen Verleger, der sich hier abseits halten will. Es liegt aber weit und offen gewaltiger Raum für vielfältigen verlegerischen Willen und für jegliche schöpferische Individualität, die dem Wohl und der Zukunft lebendiger deutscher Volksbildung zu dienen willens ist. Wenn hier zu den grundsätzlichen und wichtigsten Abschnitten der Spemannschen Denkschrift in bestimmter und heute allein möglicher Sicht Stellung genomemn wurde, so bleibt zum Schluß noch ein Faktor zu berühren, der bei Spemann fehlt: der Ver - lagsvertreter. Mit wessen Hilfe, neben der der Journa listen und der Instinktlosigkeit des Literatenpöbels, hat denn der nur aus Geschäfte versessene Verlag so weithin seinen geistigen Raubbau treiben können? Mit der routinierten Verkaufskanone des Berlagsreisendcn, der mit Geschwätz und dem Blendwerk hoher und höchster Rabatte dem Sortimenter jedes gesunde Blick feld trübte und zum guten Teile an der Überproduktion, dem Neuig- keitenrnmmel und der übersüllung der Läger Schuld trägt. Für den Neuaufbau des deutschen Buchhandels brauchen wir an seiner Stelle den Vertrauensmann, den der schöngeistige Verleger als denjenigen, der ihn in Person vertritt, zu den Buchhändlern ausschickt, nicht um nach schablonierter Musterkarte und Wasch zetteln Umsatz zu schaffen, sondern Bücher, von deren unbestritt- nem Wert er überzeugt ist, dem Sortimenter ihrem Werte ent sprechend persönlich nahczubringen, damit dieser wiederum per sönlich sich deren Verbreitung anzunehmen vermag. Über das, was zur Qualifizierung dieses neuen (teilweise in einzelnen Fäl len seit Jahren gottlob schon vorhandenen) Verlagsvcrtrcters zu sagen ist, mag bei nächster Gelegenheit gesondert ausführlich ge sprochen werden. Hier genügt die Feststellung, daß jener, der mit Krawatten und Nähmaschinen, mit Limburger Käse oder Hosen trägern genau so zu reisen vermag wie mit Büchern, im Buch handel nichts mehr zu suchen hat. Verlagsvertreter kann und darfnurnochsein, wervonder großen MissiondesdeutschenBuchesfürdieGesundung, Kräftigung und Höherführung des deutschen Volkes derart besessen ist, daß diese Besessenheit sein Wesen ausfüllt und er einen anderen Beruf für sich nicht denken kann. Dieser Verlagsvertreter wird einer weitreichenden Verbreitung des Buches in eben der gleichen Weise begeistert und bahnbrechend dienen wie jene Gehilfenschaft, die — wie wir oben sagten — im Sinne einer geistigen SA er zogen werden muß.
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