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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.08.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1933-08-29
- Erscheinungsdatum
- 29.08.1933
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- Deutsch
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200, 29. August 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. b. DtschnBuchhauöel. Neue Ordnung — auch im schöngeistigen Verlag. Zugleich eine Antwort aus die Dcnkschrist vr. Ad. Spemanns »Der schöngeistige Verlag und die Lage« im Börsenbblatt Nr. 170. Bon Karl Rauch, Herausgeber der Literarischen Welt. Die Mehrzahl der während der letzten Monate veröffentlichten Äußerungen über neue Ordnung, Reform und Wandlung im Buch handel allgemein und im »schöngeistigen« Berlage insbesondere stößt, so scheint uns, am eigentlichen Kern der gegenwärtigen deut schen Situation vorbei. Auch für die umfangreiche und in vielen Einzelheiten wertvolle Denkschrift des Herrn vr. Adolf Spemann trifft das zu. Man hat bei genauem Bedenken da zumeist den Ein druck, cs wird mit viel ehrlichem Bemühen um Gründlichkeit und Klärung nur immer wieder versucht, das Pferd beim Schwänze aufzuzäumen. Jeder weitere Versuch dieser Art aber, die Situation des schöngeistigen Verlages oder eines anderen Teiles des Buch handels oder des Gesamtbuchhandels zu beleuchten, wird zwangs läufig gleicherweise steckenbleiben, steckenbleiben müssen, wenn nicht zuvor und zuerst die radikale Wandlung, dietotaleVer- änderung in allen ihren inneren und äußeren Konsequenzen begriffen wird, die jedes deutsche Dasein heute und in Zukunft von deinjcnigen vor dem 30. Januar 1933 unterscheidet. Spemann geht in der Suche nach den Ursachen der heutigen Nöte davon aus, daß der Geist etwas »außer Kurs« geraten sei. Er spricht von der geistigen Verwandlung durch das Radio. Was ist doch in den letzten Jahren schon alles geredet worden von den bösen Wirkungen des Fortschritts, der Technik und alles dessen, was als Radio, Kino usw. dazugehört! Das alles, der heute so übel beleumundete Fortschritt voran, sind aber doch keines wegs Dämonen, die irgendeine böse Macht erfunden und über uns gesandt hat, um uns zu quälen und zu verderben, sondern es sind einfach Möglichkeiten, die die Weltentwicklung aufgeschlossen hat und die nur darum der Menschheit Schaden tun, weil diese sie bis her nicht richtig.zu verwenden weiß. Die große, verbreitete Unfähigkeit und Hilflosigkeit gegenüber der vitalen Ganzheit des Lebens ist schuld daran, daß alle diese Geschenke der Forschung den Menschen fesseln und lähmen, statt ihn und seine Möglichkeiten zu steigern und zu erhöhen. Man nahm im Verlauf der letzten Jahrzehnts in der gesamten zivilisierten Welt, vornehmlich in Deutschland auf allen Gebieten des Daseins Teil fürs Ganze, verfilzte sich in Surrogat und Ersatz und empfand kaum, wie immer stärker man dem eigentlichen Leben solcherweise entfremdet wurde. Es ist der tiefere, der wahrhaft erlö sende und religiöse Gehalt der nationalsozia listischen Bewegung, daß in ihr — den zuvor schon in der Jugendbewegung aufgebrochenen Willen zum wahrhaften Leben auffangend und von der Erkenntnis der Wenigen ins Gefühl der Massen umschaltend — dieser radikale Wille zum Primat des le bendigen Lebens (sägen wir getrost: zur gesunden Primitivität!) sich Bahn gebrochen hat. Dem deutschen Menschen ist diese gesunde Primitivität und damit die gesunde Ordnung der Lebenszusam- menhänge von daher abhanden gekommen, wo mit der Zeitwende von 1871 die sich überstürzende Wandlung des alten Agrarstaates zum erstrangigen Jndustrievolk der Welt einsetzte und das deutsche Volk, statt seinen Sieg der Waffen zum großen Ansporn innerer Vertiefung und Beseelung zu nehmen, anfing satt zu werden und selbstzufrieden, sich seiner vermeintlichen Sicherheit genießerisch zu freuen und im Vergessen und Verschmähen alles wahrhaft Deut schen seine eigene Seele zu leugnen. Damals versiegten die Quel len. Es triumphierte der Lebensersatz. Wo Kraft hätte stehen sollen, da machte sich Aufgeblasenheit breit; Stuck und Fassade mußte her halten, um Echtheit und Würde vorzutäuschen; Taubheit überfiel die Ohren der Führenden und des Volkes gegenüber der Stimme der Dichtung — und Literatur blähte sich auf. Schaf fensfreude wurde zu Betrieb. Der geile Zauber zivilisatorischer Be triebsamkeit legte sich wie Stickluft über ein zuvor gesundes Volk, dessen Verfall auch durch den Aufbruch und das Opfer seiner besten Jugend im Kriege nicht mehr aufzuhalten schien. 6S2 Dieser Krieg aber — und das sollte heute endlich der Ab seitigste begriffen haben — stellt neben aller Schrecknis die große, epochale Erneucrungsquelle dar. Alles Heilkräftige, das ihr entsprang, hat sich in der Person des Gefreiten Adolf Hitler verdichtet, dessen Augenlicht die gemeinste Waffe unserer Gegner, das Gas, sür Wochen trübte, damit ihm äußerlich blind die innere Sicht der deutschen Wandlung zur letzten Tiefe gelinge. Das ist fraglos mehr als symbolisches Geschehnis. Währenddem aber, während im Kopfe und im Herzen dieses einfachen Sohnes des deutschen Volkes Blick und Wegende zu allem verschütteten deutschen Lebensgut wieder ausbrachen, wäh rend vom Glauben der einfachen SA-Männer getragen er heran wuchs zum Führer des Reiches, drehte ringsum der hohle und faule Betrieb — so sehr er auch in den Fugen krachte — ge mächlich sich weiter um sich selbst*). Was tat der Buchhandel? Er mechanisierte und rationalisierte nach angestauntem IlSA.- Vorbild. Er machte Geschäfte — und während gar mancher seiner Vertreter aus das Destruktive des Kinos z. B. mit erho benem Zeigefinger verwies, waren die Wirkungen eines beträcht lichen Teiles verlegerischer Produktion weit zersetzender als der amerikanischste Film, den kaum jemand ernst nahm. Man feierte Goethe, aber man verlegte die Zweigs, die Feuchtwangers, die Ludwigs. Man sang »Deutschland, Deutschland über alles . . .!«, aber man stempelte den schamlosesten Dreck zum Best-scller und verstopfte damit alle Kanäle, die dereinst der Bildung gedient hatten. Man schrie gegen den Wortbruch von Versailles, aber das widerliche Bilderbuch des Schmutzfinken Tucholsky, in dem die Bilder deutscher Weltkriegssührer unter dem Titel »Tiere sehen dich an!« gezeigt wurden, erreichte eine Auflage von Hunderttausenden. Wir nicht! — so rufen heute viele aus, wenn man das Kind beim richtigen Namen zu nennen wagt. Wer ist denn damals gegen die verantwortungslose literarische Produktion ausgetreten? Wie wären denn Wohl alle diese Riesenauflagen an den Mann und ins Volk gebracht worden, wenn nicht auf dem Wege über Schaufenster und Ladentisch der Buchhandlungen aller Orte? Ja, war man nicht offen oder insgeheim jenen Verlegern dankbar, die durch solche innere Verantwortung nicht kennende Massenproduktion gute Umsatzmöglichkeiten schufen? Es trete der Sortimenter vor, der Edgar Wallace nicht zu verkaufen damals den Schneid ge habt hat! Es melde sich der Kollege, der einen Mann vom For mat und der Haltung eines Eugen Diedcrichs, der wie ein xrae- cextor Oermanias in seiner denkwürdigen Rede im Reichstage zum Tag des Buches mitten im anbrechendcn Remarquerummel alle guten Geister deutscher Vergangenheit, Paul de Lagarde voran, bewegten Herzens beschwor, — nicht mit dem damals als Schimpfwort geltenden Charakteristikum Idealist belegte! Jene aber, die dagegen rebellierten, waren die äußeren und inneren Träger der Revolution von 1933, denn diese Re volution war der endliche große Durchbruch des deutschen Men schen gegen die Tünche des Betriebs, der Wertzerstörung und des Lebensersatzes. Und wer mit Vorschlägen für künftige Ordnung und Einrichtung kommt, der muß durch das Erlebnis dieser deutschen Revolution erst einmal und zwar ganz gegangen sein. Das Entscheidende an dieser Revolution aber ist dies, daß hier das gequälte, geschändete und mißachtete Leben eines trotz allem im Kern gesunden Volkes in aller elementaren Kraft sich aus- *> Die besten Teile der Jugend wendeten sich der gesunden Sport bewegung zu; und es muß i» diesem Zusammenhang einmal gefragt werden, wo wir denn wohl ohne die körperliche Zucht und die leben dige Kräftigung der Jugend durch den Sport nach Meinung all der geistvollen Sportseinde stehen würden. Von den blöden Rekord- auswüchsen kann nur der Unkundige auss Ganze schließen. Und wer, wie bedauerlicherweise Spemann es tut, davon spricht, »daß ganze Tage im Luftbad verdöst werden«, der hat offenbar von den elemen taren Wechselbeziehungen zwischen körperlicher Disziplin und geistiger Durchbildung keine Ahnung. In weithin geistlos vermaßter Zeit find aber diejenigen, die sich um wirkliche Körperbildung bemühen, zugleich auch die geistig regsten, freilich nicht im Sinne der Betrieb samkeit und des Literatentums, sondern in srischem, lebendigen, volks- gesunden Geiste.
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