der glücklich erreichten Schuhhütte um und leuchte mit einem Licht die fern oerschwimmende Fährte seines Weges ab. Es sind vielleicht nicht die bedeutsamsten und ruhmreichsten Punkte, bei denen das Blitzlicht auf eines Blickes Länge verharrt. Aber der rastende Wanderer weiß, daß die großen Dinge und Geschehnisse nicht mit Explosivgewalt vor uns entstehen und in die Erinnerung übergehen, sondern wie auf ein Gebot der Natur durch Gleichnisse vorbereitet werden, durch Melde reiter, durch ein Wachgerütteltwerden. Wenn wir von der Schwelle der Schutzhütte den Weg zu Tal erleuchten, wissen wir, daß es zur Bewältigung der ragenden Felsen und der klaffenden Schlünde des kräftigenden Schwarzbrotes bedurfte und nicht des Rosinenbrotes. Aber da ich mein Leben lang auf „Heuschrecken und wilden Honig" nicht mehr Wert gelegt habe, als es der Religionslehrer unbedingt verlangte, so möchte ich schon an dieser Stelle wahrheits gemäß vorab bemerken, daß auch ein Rosinenbrot zur rechten Zeit seine unbestreitbaren Vorzüge besitzt. Wir Kinder des rauhen Wuppertals wurden nicht weichmäulig erzogen, aber wie wir von Zeit zu Zeit auf einen hohen Berg liefen, um in der Ferne den Silberstreifen des Rheins zu erahnen und unsere Phantasie mit Sehnsüchten zu tränken, so legte der Bäcker, um des Gewichtsaus gleiches willen und uni das Zünglein lüstern zu machen, dem Schwarz brotlaib ein kleines Korinthenbrötchen bei. Ich aß es heiß vom großen Bruder Brotlaib herunter, bevor die Bäckerladenschelle hinter mir aus gescheppert hatte. „Nein", sagte die Mutter, „du solltest diesmal ein Weiß brot bringen, du mußt es Umtauschen." Blutübergossen stehe ich vor der Bäckerfrau, denn zum vornehmen Weißbrot gibt es keine Goumen- zugabe. Die Frau sieht mich an, erkennt meine Scham und läßt mich meines Lebens gewesen. Weil es so köstlich unverdient war. Weil Frauengüte alle Schamhaftigkeit zuschanden macht. Als mein Wunsch, in Düsseldorf die Malerakademie zu beziehen, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stieß, ließ ich mich leicht überreden, im Drogen- und Ehemikalienhause eines Apothekers in Düsseldorf eine Lehrzeit anzutreten. Untragbar schwer schienen mir damals die drei Lehrjahre. Heute, da ich mich auf der Schwelle nach ihnen wende, weiß ich, daß sie mich unsagbar reich gemacht haben. Daß sie mich vor dem Ästhetizismus des Gehirns bewahrt haben und mir statt artistischer Schwelgereien die sichere Kunde ferner Länder und Meere, ihrer Gewürz gärten, ihrer Teefelder, ihrer Plantagen, ja der geheimsten Meeres gründe vermittelten und mir blühendes Leben schenkten statt der Her barien der papierenen Welt. In jener Vorfrühlingszeit begannen die ersten Lieder in mir zu kreisen. Sie bedrängten mich bei Tag und Nacht, bis ich ihnen Gestalt verlieh. Mein älterer Bruder gab die Jünglings- gedichte gemeinsam mit den seinen und denen zweier Jugendbekannten unter dem Sammeltitel „Jung-Wuppertal" der Öffentlichkeit. Untragbar schwer schien mir in jenen Jahren vor allem die körperliche Arbeit, die dem Beruf anhaftete. Aber da war ein Hausknecht der Handlung, der mich mit Leichtigkeit lehrte, ein Stückfaß zu schroten, einen Zentnersack über die Schulter zu werfen, und siehe da, auf dem Schwarzbrotlaib erschien das ausgleichende Korinthenbrötlein. Dm Zollhafen der Rheinseedampfer und des Auslandsverkehrs lagerte für unser Haus der Medizinaltokayer. Mit häm-feinem Bohrer war der Spund anzubohren, damit die Zollbehörde vermittels eines Zwirn- fädleins feststellen konnte, ob es sich wirklich um Tokayer und nickt um einen Sprengstoff handele. „In Ordnung", sagte der Zöllner und schritt weiter. Mein Freund, der Hausknecht, fingerte ein kurzes Stroh- hälmchen durch die Bohrstelle, sog an, schluckte und schluckte. „Ich mein auch, es wär Tokayer", murmelte er, „probieren Sie einmal!" Auch ich konnte nach ausgiebiger Probe nur der Wahrheit die Ehre geben. Die Vorläuferin der „D. G. Farben", die Elberfelder Farbenfabriken vormals Friedr. Bayer Sc Co., unternahm in dankenswerter Weise Rudolf Herzogs Vater Zum 70. Geburtstag öes großen öeutschen Schriftstellers ÄonÜerwerbung Ruüolf Herzog Sitte beachten Sie unser einmaliges besonöers günstiges Angebot/ öas Ihnen öieser Aage öirekt zugeht! V!?k 6^KI_lIVI 866 Börsenblatt f. ö. Deutschen Buchhandel. 106. Jahrgang. Nr. 263 Sonnabend, den 11. November 1939 6107