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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.11.1921
- Strukturtyp
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- 1921-11-07
- Erscheinungsdatum
- 07.11.1921
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260, 7. November 1921. Redaktioneller Teil. Börsenblatt >. d. Dtschn. Buchhandel. und Bevormundung des Bücherkäufers, die unerträglich wirken mutz. Die Anschaffung einer Homerausgabe mit der Beitrags leistung für eine deutsche Dichterkasse des zwanzigsten Jahrhun derts zu verbinden, dagegen werden sich schließlich auch die gut mütigsten Bücherkäufer wehren, obschon es dem Sekundaner, der seinen ersten Horaz erwirbt, schmeicheln könnte, derart zu einem unfreiwilligen Mäcen zu werden. Für die Begeisterungsfähigkeit einer Bettina, die den Dingen ihre Erdenschwere nahm, hätte ein solcher Plan sich zur poetischen Stimmung verklären können, wir sehen, allzu nüchtern, vielleicht, nur seine prosaischen Realitäten. Aber daß die edlen sozialethischen Gedanken dieser Dichterin, die die Fähigkeit des Erlebens bis zur Virtuosität gesteigert hat, zu keiner rechten Auswertung kamen, lag nicht zum wenigsten an der ständigen Übersteigerung ihres Wesens, in die Bettina von Arnim verfiel. Ohne solchen Überschwang hätten ihre drei un vergänglichen Bücher eine sehr viel weitere Wirkung gehabt. Jetzt, da ihr die Mitlebenden störendes weibliches Sonderlingstum tot ist und nur noch ihr warmes Herz in ihren Schriften weiterschlägt, sind lvir für deren Aufnahme empfänglicher geworden, zumal da gerade jetzt neben den ästhetischen die Bedeutung der politischen und sozialen Ideen der Romantik eine erhöhte Aufmerksamkeit zu finden beginnt. Die anmutige Ausgabe von Bettina von Arnims sämtlichen Werken, die mit Benutzung ungc- druckten Materials Waldemar Oehlke sachkundig sorgsam für den Propyläen-Verlag, Berlin, herausgibt, darf mit um so größerem Danke begrüßt werden, als sie eigentlich erst diese Werke recht zugänglich macht. Bettinas »affektierte Naivität« hatte sich auch bei der Herausgabe ihrer Bücher nicht verleugnet, die sich zu einem Titelausgaben-Rattenkönig verstrick ten und selten geworden sind, sei es, weil sie teilweise dem Ver derben oder der Vernichtung anheimfielen, sei es, weil sie noch irgendwo in einem Auflagenrestvcrsteck vermodern. Bettinas schönstes Werk ist ihr Goethe-Denkmal, die früheste künstlerische Lösung des großen Biographieproblems, das seit einem Jahrhun dert die Deutschen beschäftigt. Alle Geschichtsschreiber Goethes, die um diese Lösung ringen, haben für den jüngeren Goethe die künstlerische Vollendung von »Dichtung und Wahrheit« vor sich (ein Werk, das eben in einer Ausgabe, wie wir sie uns schon lange wünschten, zu erscheinen beginnt: Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Erster Teil. Mit 7 2 W i e d e r g a b e n aus der Sammlung des Frankfurter Goethe-Museums, Bilderläute rungen undNach wort,herausgegeben vonOtto Heuer. Frankfurt a. M., Frankfurter Verlags- anstalt, 1921), für den alten das im Angleichen an des Meisters Persönlichkeit unübertreffliche Gesprächsbuch Ecker manns (das in bequemster chronologischer Ordnung die Dünndruck-Ta- schenausgabe des Insel-Verlags, Leipzig, bietet). Und die Durchdringung des Stoffes, die seiner Durchgeistigung bor- angehen muß, ist eine Arbeit allergewaltigster Ausdehnung. Wer darf denn heute noch, sofern eine Biographie letztmögliche Ge nauigkeit der Angaben über Tatsachen in allen ihren Verzwei gungen voraussetzt, an die Goethe-Biographie denken, wenn es nicht einer der vielberufenen Goethephilologen soll? So erwei tert sich für die Biographik Goethes die Kluft zwischen den exakten Methoden der Wissenschaft und den Heroisierungsidealen immer mehr, und das Bekenntnis, zu dem ihre Betrachtung zwingt, ist die Resignation: noch ist die Zeit für eine endgültige Biographie Goethes nicht gekommen. Unbekümmerter, von der hohen Warte, die den freien, weiten Blick über die Weltliteratur, gewährt, hat ein hervorragender Kritiker von Rang und Ruf eine ^ Darstellung des Dichters Goethe und seiner Dichtungen gegeben, deren Bedeutung, in gefälliger Ausstattung, als ein Maßstab der internationalen Wertung Goethes vielen willkommen sein, wird. (Benedetto Croce, Goethe. Mit Genehmig gung des Verfassers verdeutscht von Julius Schlosser. Wien, Amalthea-Verlag, 1921.) Das Beispiel der Dünndruck-Ausgabe, das der Insel-Verlag bot, und das er jetzt auch für A. Kösters mustergültige Storm - Ausgabe verwertet, hat für die Gesamtausgabe mancherlei buch-! gewerbliche Vorteile. Sie drängt die Bände zusammen, macht sie ^ für die Benutzung des Lesers bequemer, verringert die Einband kosten. Gerade das letztere ist gegenwärtig ein nicht zu unter schätzender Vorzug, wie die von Harry Mahne für den Pr o - Pyläen-Verlag besorgte Ausgabe von Gottfried Kel lers Werken zeigt, deren sie auszeichnender kritischer Wert darin liegt, datz des Dichters Handexemplare bei der Textdurchsicht mit verwendet werden konnten. Den »Armen Heinrich«, die »Leute von Seldwyla« in einem einzigen ansehnlichen Bande, dessen schöner Druck nicht spart, zu erhalten, ist schon etwas wert. Aber der Verzicht auf die sich weithin ausdehnende Bandreihe füllt bisweilen dem Büchersammler doch schwer. Sie repräsentieren zu sehen, ist sein Stolz. Wenn er lange auf einen ihrer würdigen Ankömmling gewartet hat, wie auf die gute und schöne Nietzsche- Ausgabe, die ihm nun im Aufträge des Nietzsche-Archivs der Musarion-Verlag beschert (Friedrich Nietzsches gesam melte Werke. München, Musarion-Verlag), fühlt er sich über jeden neuen Baustein des geistigen Tempels, den er sich errichtet, glücklich. Ist das eine Ästheteneitelkeit, Bildungs protzerei, Gelehrtenprunksucht? Denn der Buchfreund liest ja nicht unentwegt sich durch die gewaltigen Bandreihen wie ein Bücherwurm weiter. Eine feine Antwort auf derlei Fragen hat einem neugierigen Besucher einmal der französische Bibliophile CH. Cousin gegeben, als jener sich über die Verschwendungssucht wunderte, die einen hohen Preis für ein schönes Buch nicht scheute, das in einer erheblich billigeren Ausstattung zu haben war. »Ich kenne flüchtigere und kostspieligere Genüsse als diesen«, sagte Cousin. »Sehen Sie, fast jeden Tag blättere ich ein paar Minu ten in diesem Buche, mein Geist, mein Schönheitssinn wird an geregt, empfängt Bereicherungen, die bleiben. Aber die will ich nicht einmal in Ansatz bringen, sondern allein meinen tagtäglichen Genuß mit einem Franken auf den Buchpreis verrechnen. In drei Jahren sind die tausend Franken bezahlt, und dann habe ich das Kapital des kostspieligen Buches, habe ich seinen ferneren Genuß umsonst.« Bibliophilen-Logik. Immerhin, sie ist nicht zu verachten. Wenn man jetzt mit Vergleichungen daran erin nern möchte, daß die Bücher in der allgemeinen Preissteigerung verhältnismäßig wohlfeil blieben, mahne man den Bücherkäufer nicht nur an das Verhältnis des einmaligen Anschaffungspreises zu diesem oder jenem Gebrauchsgegenstande, zu diesem oder je nem Genußmittel. Man erinnere ihn auch an die dauernde Ver zinsung dieses Kapitals. Die niemals leer werdende Flasche kommt allein in den Märchen vor, um das bleibende Buch, das Tischlein deck dich für Geist und Seele zu erwerben, braucht man nicht ins Märchenland auszuwandern. Wer täglich statt eines Briefes nur eine Postkarte schreibt, kann sich am Jahresende aus seiner Buchsparkasse schon ein recht brauchbares Buch kaufen, vor ausgesetzt, daß nicht diese kleine Ökonomie von irgendeiner Paket portoerhöhung verschlungen wird. Um den weniger bemittelten Buchkäufern, vor allem der Jugend, die Benutzung einer solchen Sparkasse zu erleichtern, könnte mau Gutschein-Sparmarken ein führen, die allmählich zu der verlangten runden Summe anwach- sen werden. Nur muß man dann, um bei den kleinen Beträgen, über die sie gelten, den Stolz der Erwachsenen nicht zurückzu schrecken, die Marken, etwa nach dem Muster des Notgeldes, selbst zum Sammelgegenstande werden lassen, sie also nach der Be nutzung, entwertet, ihren Besitzern lassen. Die Anregungen, die von unserer angewandten Buchkunst hier gegeben werden, und die merkwürdigerweise für Gutscheine wenig ausgenutzt wurden, sind zahlreich. Man möchte meinen, daß dieser Art der Buchhan del ein Werbemittel gewinnen könnte, das z. B., von den Ver lagen für ihre Ankündigungen verwertet, nicht allein den Anreiz zum Bücherkauf mehren müßte, sondern auch in der mannigfach sten Weise sich ausgestalten ließe, um dem guten und schönen Buche Freunde zu gewinnen, und zwar durch ein Mittel, das die buchgewerbliche Erziehung zum Buchgeschmack fördert. Aller dings, auch diese Bibliophiliereklame wird Poesie und Prosa rich tig zu vereinen haben. Denn eine kleine Kulturabgabe wäre auch sie, allerdings auch eine, die den Bücherkäufern selbst zugute käme. Und das ist, nach Adam Riese, für die Bücherkäufer die Haupt sache. >623
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