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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.01.1915
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- 1915-01-23
- Erscheinungsdatum
- 23.01.1915
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Redaktioneller Teil. ^ 18, 23. Januar 1915. nimmt, zum Zwecke der Täuschung hergcstellte Plastik erst nach KV oder 70 Jahren an den Mann gebracht wurde. Der Kampf gegen den Erwerber, Exzellenz von Bode, ist besonders von den französischen Gelehrten mit großer Heftigkeit geführt worden, in der sehr naheliegenden Absicht, zum Falle der Tiara ein deut sches Gegenstück zu schaffen, dann auch, um es ganz offen zu sagen, weil eine Nation der anderen nichts gönnt. (Wir sind übrigens nicht besser: Als die Inschrift am Sockel der Venus von Milo, in der ein Bildhauer aus der pcrgamenischen Renaissance der griechischen Kunst genannt war, vor Aufstellung im Louvre 1821 verschwand, sagten die deutschen Gelehrten, sie sei absichtlich ver nichtet worden, um die schöne Frau von Milo als Werk des Praxi teles, also aus der Blüte der griechischen Kunst, auszugeben, wo ran die französischen Gelehrten noch heute festhalten.) Sollte es übrigens Waldmann in diesem Falle, um seinen eigenen Ver gleich zu gebrauchen, nicht wie dem Arzt ergehen, der nur die Krankheit, nicht das gesunde Leben sieht? Erst vor kurzem stand ich wieder vor dem rätselhaften Werk im Kaiser Friedrich- Museum und kann meine Empfindung, die freilich nur für mich maßgebend ist, dahin zusammenfassen: wenn es sich in diesem Falle um eine Fälschung handelt, so möchte man unseren Museen nur wünschen, daß sie recht viele solcher Fälschungen zu erwerben in die Lage kommen, denn die sieghafte Schönheit dieser Wachs büste bringt alle Zweifel zum Schweigen. Sehr interessant sind die Folgerungen, die Waldmann an diese drei großen Sensationen knüpft. Kann man doch gerade an ihnen den Fortschritt der Fälscherkunst erkennen, die mit der historischen Kenntnis nicht nur Schritt hält, sondern ihr sogar oft vorangeht. 1865 wagte man ein tadellos erhaltenes Werk einer Florentiner Arbeit und aus Florenz stammend anzubietcn, was uns heute ganz naiv anmutet, denn jetzt verlangen wir von einer ehrlichen Fälschung, daß sie irgendwie beschädigt ist und daß sie nicht gerade aus der Heimat des Künstlers kommt. Sehr treffend sagt Waldmann, daß man alte Perserteppiche über all eher als in Persien kauft und, wenn man alten Rüdesheimer trinken will, nicht nötig hat, gerade nach Rüdesheim zu gehen. Ferner ist es kein Zufall, das; es sich in den beiden, oder wie Waldmann annimmt, in den drei Fällen um ein Werk der Bild hauerkunst handelt. Die Plastik ist nicht bloß die schwache Seite der Kunst überhaupt, sondern auch der Kunstwissenschaft; über Gemälde sind wir viel besser unterrichtet. Käme heute ein angeb liches Original von Tizian zu hohem Preis in den Handel, so würde man Wohl kaum einen Käufer finden, der nicht ganz ge naue Erhebungen über die Herkunft des Bildes veranstaltete. Der berühmte Fall einer Kunstfälschung ini 16. Jahrhundert, der Raf faels Gemälde Leos X. betrifft und der uns von Vafari überliefert ist, wäre heute undenkbar. Im Jahre 1523 wurde Giulio bei Medici in Rom zum Papst gewählt. Zur Gratulationskur reiste u. a. Federigo H. Gonzaga aus Mantua. Im Mediceer-Palast in Florenz sah er das Bild Leos und bat dann den neuen Papst, ihm das Gemälde zu schenken. Giulio sagte zu und befahl Otta- viano Medici in Florenz, das Bild nach Mantua zu schicken. Da dieser sich jedoch nicht von dem Bilde trennen wollte, be hielt er es in Florenz zurück, unter dem Vorwände, der Rahmen müsse ausgebessert werden, und bestellte ein Kopie bei Andrea del Sarto, die dann als echter Raffael nach Mantua ging. Alles war entzückt, sogar Raffaels Schüler Giulio Romano, der bei dem Bilde dem Meister geholfen hatte. 1543 kam Vasari, ehe mals Schüler des Andrea del Sarto, nach Mantua, und als Ro mano ihm die Kunstschätze, darunter auch das Bild Leos X., zeigte erzählte Vasari, das Bild sei nicht von Raffael. Darüber höch stes Erstaunen Romanos, der seine eigenen Pinselstriche noch zu erkennen glaubte, worauf ihm Vasari das Künstlerzeichen des Sarto unter dem Holze zeigte und den Zusammenhang er klärte. Eine derartige Unterschiebung einer Kopie für das Ori ginal wäre heute kaum möglich, da sich einerseits ein Maler von der Künstlerschaft des del Sarto nicht zu einem derartigen Be trüge hergeben würde und dann, weil der Schwindel heute nicht die Aussicht hätte, wie bei diesem Raffael-Gemälde, 2V Jahre rm- entdeckt zu bleiben. Trotzdem sind auch die Meister unserer Zeit vor Fälschungen ihrer Gemälde keineswegs sicher, ganz besonders aber jene, deren Werke von den Sammlern außerordentlich be sä gehrt sind. Man kann Wohl sagen, daß in diesem Falle die Nach frage, der durch das vorhandene Material bei weitem nicht ge nügt werden kann, die eigentliche Veranlassung zu der Fälschung gibt. Denn wie der Vortragende meinte (ich weiß aber nicht, ob ihm die Kunsthändler darin rechtgeben werden), ist es heute weniger schwer, ein gutes Bild zu verkaufen, als ein solches von einem großen Meister zum Verkauf zu bekommen. Alles ist heute von den Kunsthändlern so abgesucht, alle Orte, an denen ein großer Meister irgendwann eingekehrt ist, sind nach Spuren sei ner Künstlerschaft so durchforscht, daß man die sogenannten Ge legenheitskäufe oder glücklichen Funde von vornherein in das Reich der Fabel verweisen kann. Und doch umgibt sich der Sammler so gern mit dem Strahlenkranz des Entdeckers. Viel fach aber ist er selbst der einzige, der schließlich daran glaubt. Mit Vergnügen erinnere ich mich, vor vielen Jahren in einem reichen und künstlerischen Heim eines Sammlers Plötz lich der Kopie nach Tizians Bildnis des Papstes Paul III. gegen- llbergestanden zu haben, und voll Neugierde, wie gerade dieser Kirchenfürst die Ehre hatte, die Wand des Hauses zu verzieren, wozu ein kostbarer Goldrahmen wesentlich beitrug, lobte ich die vorzügliche Wiedergabe des bekannten Meisterwerkes. »Urteilen Sie nicht zu rasch«, sagte mir der Besitzer, »hören Sie erst, wie ich dieses Bild gefunden habe«. Nun folgte die bekannte Erzäh lung von dem Besuch des Antiquitätenhändlers in Venedig, bei dem er einige Reiseandenken viel zu teuer bezahlt hatte, als sein Blick auf eine zusammengerollte und verschmutzte Leinwand fiel, die sehr bald für einen Lire in seinem Besitz war. Die Gattin, die inzwischen ihre Mittagsruhe gehalten hatte, war natürlich über die Erwerbung entsetzt, aber nach sorgfältiger Waschung, Ablösung der oberen Farbenschicht usw. usw. (ich erlasse dem Leser die Einzelheiten) kam das Bild des Kirchenfürsten, so wie es hier an der Wand hängt, zum Vorschein. Da nun das Natio nalmuseum in Neapel und die Eremitage in Petersburg je ein Bildnis Pauls III. von Tizian aus dem Jahre 1543 besitzen, so steht, wie der Hausherr mir mit feinem Lächeln erklärte, das seinige mindestens auf derselben Höhe. Es ist schwer, in diesem Falle nicht an das Wort des alten Philosophen zu denken: kinAunt sünul ersckuntgus, d. h. sie erfinden etwas und glauben selbst daran, Ja, aber es gibt doch »Okkasionen«! Wie steht es da mit? Ein großer Händler sagte, darüber befragt: Mir ist nur ein mal in 20 Jahren eine »Okkassion« vorgekommen — und das war eine Fälschung. Wer glaubt denn heute noch an die arme Witwe, die in größter Verlegenheit einen echten Leibl für ein Spottgeld verkauft, oder an das Bild, das auf irgendeinem Dachboden von dem Meister vergessen wurde, oder an die Skizze, die von ihm, be vor er berühmt wurde, für eine Schneiderrechnung in Zahlung gegeben ist, oder gar an den italienischen Nobile, in dessen Pa last uns der Händler ein Meisterwerk als verkäuflich nachweist! »Bitte, Sie können es selbst besichtigen, das Bild ist seit 300 Jahren in diesem Palazzo.« Alles Schwindel! Der Nobile ist eben im Solde eines Antiquars, der ihn dafür bezahlt, daß er das Bild zum Zweck des Verkaufs in seinen Palast aufnimmt. Wer heute noch glaubt, etwa einen Corot für 300 durch Gelegen heit zu erwerben, der übersieht eins: den Kunfthandel. Dieser aber bietet (nach Waldmann) die beste Möglichkeit zur Erwer bung eines echten Meisterstückes, da er in zweifelhaften Fällen die Garantie übernimmt und einen Irrtum eventuell aus eigener Tasche trägt. Auch der Kunsthändler wird sich vielfach nicht auf sein eigenes Urteil verlassen, sondern einen Spezialkenner zu Rate ziehen. Solche gibt es für Rembrandt und Tizian ebensogut wie für Feuerbach, Corot, Daumier u. a. Am besten ist es freilich für den Sammler, wenn er selbst etwas lernt und sich nicht bloß auf fremdes Urteil verläßt. Die schönsten und wertvollsten Sammlungen sind dadurch entstanden, daß ein mit eigenem Geschmack und kunstgeschichtlichen Kennt nissen ausgestatteter Mäzen einen tüchtigen Kunsthistoriker als Berater und einen rührigen Kunsthändler als Vermittler für seine Erwerbungen zur Seite hatte. Julius Brann.
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