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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.09.1928
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1928-09-22
- Erscheinungsdatum
- 22.09.1928
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- Deutsch
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7780 X° 222, 22. September 1928. Fertige Bücher. Börsenblatt f.d,Dtschn.Buchhandel. «irinral/ Betrogenes Sott Fridtjof Nansen gegen den Völkerbund. Armenien ist ein »Siegerstaat«. Es unterstützte im Welt krieg die Alliierten und erhielt dafür die Freiheit »zugesichert«. Am 9. November 1916, 5. Februar 1918 und 11. März 1920 »gewährleistete« die englische Regierung die Befreiung der arme nischen Nation von fremdem Joch, am 11. März 1928 die fran zösische desgleichen. Weitere Mächte wußten ebenfalls, was sie ihrem Ruf als Friedenshirten schuldig waren. Das Weltgewissen ruhte stillvergnügt in dem beruhigenden Narkotikum, ein wahr haft pazifistisches Gelöbnis getan zu haben. Leider aber gibt es in Europa außer Staatsmännern hell hörige Journalisten, die behaupteten, noch seien Abertausende von Armeniern heimatlos und warteten, daß man ihnen Land und Brot gebe. Dabei wurden die alten Geschichten wieder auf gerührt von den Greueln der Türken gegen die Armenier, die Deutschland- nicht verhindern konnte, von den berüchtigten »Leichenkarren« und unheimlichen »Deportationskolonnen« — sprich Hinrichtungskolonnen; man erzählte beispielsweise, daß von einem 20 000 Männer, Frauen und Kinder starken Todes zug nur ein paar hundert Handwerker übrigblieben, lebende Leichname, die wohl zu nützlich zum Sterben waren. Die arme nischen Konsulate erklärten, wenn nicht bald Hilfe käme, müßten ungezählte Landsleute in und vor den Grenzen der Heimat ver hungern. Schließlich schenkte sogar der Völkerhund diesen Stim men wohl oder übel Gehör. Die Genfer Politiker bekamen erschütternde Berichte vor gesetzt, Bilder des Grauens wurden vor ihnen aufgerollt und Genf machte eine schöne Geste: Es forderte seinen Oberkommissar Fridtjof Nansen auf, das Übel an der Quelle zu studieren und ein Gutachten vorzulegen. Da geschah das Unerwartete: Der berühmte Philanthrop weigerte sich, dem Ruf zu folgen. Hier offenbarte sich ein neuer Wesenszug Nansens, oder war es bittere Erfahrung, die ihn schreckte? Die größte SeeleEuropas, wie ihn Romain Rolland genannt hat, war anscheinend mißtrauisch geworden. Der Menschenfreund mißtraute den Menschenfreunden von Beruf. Aber er reiste schließ lich doch, wohl bezwungen von seiner Güte und seinem Willen, zu helfen. Eine grausame Tragödie begann. Der fast Siebzigjährige, dessen Seele noch jugendlich brannte, zog zu Fuß, zu Pferd uüd Wagen durch verkohlte Trümmerstätten, zerfallene Herrlichkeit, Felder unter lachender südlicher Sonne, durch wenige grüneOasen, die das traurige Bild der Zerstörung selten ablösten und den Schatten nur schwer machten. Menschen sah er, die ihn um Hilfe anschrien, Kinder, denen der Engel zur Seite stand, Greise, die vor Erschöpfung wankten. Fieberhaft ging der alte Kämpfer an die Arbeit, eilte dann zurück nach Genf, um Geld und Kanäle zu fordern, die das Land fruchtbar machen sollten. Jetzt enthüllte sich das steinerne Antlitz der Wahrheit: Der Völkerbund, der Hüter der Schwachen, rührte kei nen Finger für jenes »kleine, blutende, aber begabte Volk ohne Olfelder und ohne Gold minen«! Nansens leidenschaftliche Widerrufe wurden zwar gehört, verhallten aber erfolglos. So ging er denn den Weg, den er gehen mußte. Er begann selbst die Verteidigung einer heimatlosen, geknechteten Masse und damit den Kampf gegen den Völkerbund, er richtete einen glühenden Appell an das W al t g e w i s s e n: er schrieb ein von allem Menschlichen erfüll tes Buch: BetrogenesVolk (Eine Studienreise durch Geor gien und Armenien als Oberkommissar des Völkerbundes. Mit 4b Bildern und 3 Karten. Leinen Mk. 14.—). Er schrieb es mit dem strömenden Blut seines Herzens, bald im flammenden Pathos des Anklägers, bald voll Mitleid und Weh, dann wieder reißt er vor dem Angesicht der Welt blutende Wunden mit einem Sarkasmus auf, den man vorher an ihm nicht kannte, als ein im Heiligsten verwundeter Mensch. Dieses Werk ist eins der wertvollsten, die seit langem erschienen sind, und eins der besten, die der alte Leipziger Verlag Brockhaus in letz ter Zeit veröffenlicht hat. Bei aller Gefühlsbetontheit ist es nie unsachlich, zeigt vielmehr immer den klaren Kopf, der den Forscher Nansen stets ausgezeichnet hat. Es steigt zu den Wurzeln des armenischen — auch des georgischen — Volkstums, den Verbundenheiten zwischen Landschaft und Nation hinab und wird so zum Wissensborn für Kunst, Religion, Sprache, Landschaft, Industrie, Geographie, kurz, für die gesamte Kultur eines ungewöhn lichen Volkes. Dieser glückliche Blick Nansens für das Leben seine im Grunde jasagende und arbeitssame Natur verhindern ihn, am Schluß seines reichen Werkes in müde Resignation zu verfallen. Noch hat er, der seltene Mann, in dem sich innerliche beschützende Hinneigung zu den Parias unter den Menschen mit stürmender Energie verbündet, den Glauben an das Licht nicht verloren. — Das armenische Volk wartet! . . . so schreibt die «Berliner BörsenZeitung' am K. September M8. Bestellen m empseblen Sie Zridtsos Nansens neues erschütterndes Buch!
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