Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.10.1927
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1927-10-11
- Erscheinungsdatum
- 11.10.1927
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19271011
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192710118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19271011
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1927
- Monat1927-10
- Tag1927-10-11
- Monat1927-10
- Jahr1927
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
238. 11. Oktober 1927. Redaktioneller Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel. Diskussionen und Anregungen aller Art ihren Besuchern Anlaß zu vermehrten Bestellungen auf -die ihnen notwendigen Werke gegeben haben wird. Guten Erfolg werden auch alle diejenigen Verlagsfirmen vermutlich noch verspüren, die Kataloge und Prospekte in größerer Zahl zur Verfügung gestellt hatten. Für deren Ver teilung war geeigneterweise der Vorraum zur Auskunftsstelle benutzt worden, die wohl von allen Besuchern der Tagung min destens einmal ausgesucht wurde, und man konnte feststellen, daß die Prospekte sehr gern entgegengenommen wurden. Von den übrigen zahlreichen begleitenden Veranstaltungen, die den Kongreß umrahmten, sei nur noch die Ausstellung von Handschriften und Drucken besonders des 18. Jahrhunderts in der Universitätsbibliothek erwähnt, die Göttingens große Zeit sehr lebendig zur Anschauung brachte. Besonderes Interesse er regten die Werke, die Göttingens enge wissenschaftliche Be ziehungen zu Rußland und England dokumentierten, dann aber vor allem die Schriften der Hainbnndler Hölty, I. H. Botz, der Grafen zu Stolberg, I. M. Miller und Leisewitz. Auch die Bundesbücher des Hainbundes aus dem Nachlaß von Johann Heinrich Boß sind vor kurzem in den Besitz der Bibliothek ge langt und bilden eine wertvolle Bereicherung ihrer Schätze. Am Schlüsse des Berichtes über die bedeutungsvolle, wohl verlaufene Tagung ist endlich mitzuteilen, daß zum Tagungs ort für die 57. Zusammenkunft der Philologen im Jahre 1929 einer Einladung von österreichischer Seite gemäß Salzburg gewählt worden ist. vr. v. L. Die erste österreichische Akademie zu Schlierbach im 3uli 1927. Es waren zwölf österreichische und fünfzehn deutsche Teilnehmer. Die Arbeit teilte sich in berufliche, berussnahe und allgemeine Lebens fragen. Die Ergebnisse wurden sämtlich in Arbeitsgemeinschaften ge sunden. Sie sind aus der Mitarbeit aller gewachsen. Die Leiter haben für Ordnung und Klarheit gesorgt und zum Hauptthema — gewissermaßen als geistige Verkehrspolizisten — gehalten. Die Tage begannen mit L i t e r a t u r u n t e r r i ch t. Dieser wurde am Vorabend von den Teilnehmern gewünscht. Die Über sicht über neue und ältere Literatur wird immer schwieriger. Soll sie nicht nur Wissensstoff bleiben, genügen Literaturgeschichte und Besprechungen in Zeitschriften und Zeitungen nicht. Im Sortiment wird bei der Verkaufstätigkeit der lebendige Kontakt mit den ver schiedenen geistigen Strömungen als vorteilhaft und umsatzstcigernd empfunden. Das lebendige Literaturwissen ist eine Notsrage ge worden. Da haben wir nun in Schlierbach unter Dr. Bergmann den Versuch einer lebendigen Behandlung unternommen, indem dieser uns die Zeit des Naturalismus, ausgehend von den siebziger Jahren, entwickelte. Er wies uns auf die damalige Lage in Europa hin und zeigte uns die Kräfte auf, die der Naturalismus als Erbe übernahm, und stellte uns seine durch die Zeit bedingte Entwicklung in seinen Hauptvertretern dar. Wir kamen so zu einem Verständnis der Werke eines Zola, Ibsen oder Hauptmann aus ihrer Zeit heraus und sahen zugleich von unserer Gegenwart aus ihre Bedeutung und ihren Anteil an der Literatur des Heute. Bei unseren Vor lesungen moderner Literatur in den frühen Morgenstunden kam uns diese Betrachtungsweise sehr zugute: denn nun suchten wir auch hier nach den Quellen, nach der Tradition, aus der diese Schöpfungen wuchsen, und verstanden die Zusammenhänge, erkannten das Werden und die Richtung der Entwicklung. Zugleich sahen wir auch, wie stark jedes Werk durch Zeit und Umwelt bedingt ist, sodaß sich für die Käuferpsychologie durch Gliederung nach Gene rationen sehr wertvolle Anhaltspunkte gewinnen ließen, die in der Gruppierung nach Berufen und sonstigen Merkmalen eine weitere Vertiefung erfuhren. We lisch leitete seine Arbeitsgemeinschaft über Berufsauffassung mit Schillers Einleitung zum Studium der Universalgeschichte ein, die in der Unterscheidung Brot- gelehrter und philosophischer Kops eine vortreffliche Grundlage un serer Untersuchung gab. Beruf ist von Entlohnung unabhängig, aber er ist ebenso wie der Erwerb eine Form, in der Arbeit getan wird. Die Gründe der Berufsflucht liegen nicht allein in der wirt schaftlichen Unzusriedenheit, sondern vielleicht noch mehr in mangeln der menschlicher Einschätzung, im Nichtwissen nm die Zusammen hänge. Diese notwendige Verbundenheit mit der Arbeit und den Menschen wurde uns an einem Beispiel besonders deutlich. Wir verglichen ein Volk mit einer Pyramide. Sie besteht mit ihren verschiedenen Stufungen aus Basis und Spitze. Die Basis ist die arbeitende Masse, die Spitze die geistigen Führer. Sobald keine Verbindung der Spitze mit der Basis mehr vorhanden ist, bricht das Ganze zusammen. Eine gegenwärtig viel verbreitete Form ist die Zweiteilung in Erwcrbsarbeit und Nachgehen dem Berus in der Frei zeit. Die Forderung des Lebensunterhalts zwingt ost zu Tätigkeiten, die weder den Fähigkeiten noch der ganzen Anlage des Menschen entsprechen. Er wird also seinem Berus in seiner Freizeit nach gehen und sich innere Befriedigung verschaffen. Wir haben diese Form bejaht, da sie ein gesundes Gegengewicht zur Abstumpfung bedeutet. Ost stehen sich Erwerb und Weltanschauung gegenüber. Der Antialkoholiker verzichtet aus Überzeugung auf die ihm angebotene Stelle in einer Bierbrauerei, obwohl die Mutter und zwei Kinder zuhause hungern — dies nur als Beispiel. Zwei ethische Forde rungen stehen sich gegenüber. Wir bejahten den Kompromiß, der die Politik des Möglichen ist. Das gilt insbesondere bei der Frage: Ideal und Geschäft, wo sich junge Leute oft für Dinge verant wortlich fühlen, die sie gar nichts angehen. Hier die Grenzen sehen, mit seinem Verstand denken, das gilt auch bei dem Sich-berufen- sühlen km besonderen. Direktor Weitsch faßte das Ergebnis dieser Arbeitsgemeinschaft, bei der wir noch über Mechanisierung und die Frage »Sollen wir überhaupt bilden?« in bejahendem Sinne sprachen, in dem von ihm geprägten Wort zusammen: Nur der Freie kann Gefolgschaft leisten, nur der Tiefgebundene Führer sein. Kann der Buchhändler Volksbildner sein? Die brennende Frage, die im Gesamtbuchhandel schon ein Streit punkt war und den Bejahern Anmaßung, den Verneinern den Koof mich eintrug, fand in Schlierbach die Lösung in einer Unterschei dung: Pädagogik und Kulturpolitik. Beide sind Wege zur Ände rung der Welt. In der gesonderten Behandlung Verlag und Sorti ment wurde für den Verleger als Pädagogen eine Bevormundung der Konsumenten abgelehnt. Er hat den Strömungen zu dienen, die er als wertvoll erkannt hat, und soll ihnen Anreger und Diener- fein. Er ist gewissermaßen geistiger Geburtshelfer. Sobald er aber Geldgeber, Träger und Auftraggeber wird, ist er nicht mehr Volksbildner, sondern Kulturpolitiker, da er nicht mehr den Men schen sich entfalten läßt, sondern ihn bewußt in einer bestimmten Richtung beeinslussen will. Beim Sortimenter fällt die volksbil dende Tätigkeit beim Gelehrten, Lehrer und Fachmann stets fort, und seine pädagogische Ausgabe ist bei Unkenntnis des Buches und des dieses Buch kaufenden Menschen eine unmögliche. Ein willkürliches Eingreifen in einen anderen pädagogischen Kreis ist besonders bei Kindern unverantwortlich und hat nichts mit Volksbildung zu tun. Helfen können wir Menschen meistens nur in Lebensnotfragcn, und da sind wir bettelarm. So hat der Buchhändler als Pädagoge auf der einen Seite eine hohe Verpflichtung, auf der anderen Seite ist er der Gefahr der Überheblichkeit ansgesetzt. Hier kann nur mensch liche Reise und Ehrfurcht zu einer Lösung führen, und der junge Mensch muß sich bemühen, sachlich zu interessieren und sich in seiner Kundentätigkeit unpersönlich zu halten. In der Arbeitsgemeinschaft über die Buch krise, die ebenso wie die volksbildnerische im nächsten Jungbuch händlerbrief ausführlich dargestellt wird, haben wir Produzent (Ver leger) und Konsument (Sortimenter), Überproduktion und mangelnden Absatz gcgenllbcrgestellt und dem Sortimenter wiederum den Buch käufer. Letzterer ist durch das Leben, die berufliche Arbeit und den damit verbundenen Mangel an Zeit so in Anspruch genommen, daß er bei seinem im Verhältnis zu den teuren Lebensnotwendigkciten kleinen Einkommen Bücher nicht mehr im früheren Ausmaße kaust. Die Einkommensspanne zwischen Luxus und Notwendigkeiten ist bei Zunahme der Ablenkungen immer kleiner geworden. Radio und Kino, denen eine Hauptschuld an der Krise zugcschoben wird, sind nur sehr gering an ihr beteiligt. Wenn wir es überhaupt mit einer Buchkrise zu tun haben, so liegt deren Ursache in der welt wirtschaftlichen Lage und ihren Rückwirkungen, andernfalls schließen wir von der Zunahme der Sortimenlsbetriebe und damit einer Ver teilung des Umsatzes auf mehr Köpfe einerseits und einer hierzu parallellaufenden, noch durch den Krieg bedingten und gleichfalls um viele neue Firmen vermehrten Berlegertütigkeit andererseits einen Trugschluß. Trifft letzteres zu, so ist v o l k s w i r t s ch a f t l i ch eine Gesundung insofern anzustreben, als die Spesen wieder kleiner werden müssen, die sich in den letzten Jahren immer mehr- gesteigert haben und einen Verdienst illusorisch gemacht, zugleich aber durch die notwendige Nabatterhöhung ungünstig auf die Preis gestaltung eingewirkt haben. Diese Gesundung kann durch Zusam menschlüsse erreicht werden oder muß sich in einem verschärften Konkurrenzkampf durchsetzen. Das von außen empfohlene Heilmittel 1215
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder