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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.11.1928
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- 1928-11-03
- Erscheinungsdatum
- 03.11.1928
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257, 3, November 1928. Redaktioneller Teil. wir in der angenehmen Lage sind, verhältnismäßig frühe Zeiten, also Zeiten, denen gegenüber wir vollkommen sine lra et stuckio urteilen können, sogar statistisch für uns aufzuschließen, und ich nehme als Beispiel das achtzehnte Jahrhundert. Im achtzehnten Jahrhundert, d. h. zu seinem Beginn, 1695, zählte man rund 1000 Neuerscheinungen im Buchhandel, 1771: 2000, 1800: 4000. Schon in diesen rein äußerlichen Zahlen und der Art ihres An steigens können wir ein gewisses Bild dieses Jahrhunderts sehen. Wir sehen, wie in den ersten drei Vierteln dieses Jahrhunderts noch ein verhältnismäßig langsamer Anstieg vorhanden ist und wie dann das Tempo sich sozusagen verdoppelt. Aber weiter: 1735 machte die Theologie innerhalb dieser Neuerscheinungen 40,5^ aus und im Jahre 1800, also dreiviertel Jahrhundert später, 6A. Umgekehrt: der Anteil der Poesie betrug im Jahre 1735: 3,6?? und war im Jahre 1800: 27,3??. Bei der Philo sophie war der Anteil im Jahre 1735: 22,6^, im Jahre 1800: 39,6??, und wenn wir diese beiden Zahlen wieder genauer ana lysieren, so geben sie ein Bild, wie tatsächlich der Anstieg des Interesses an Philosophie sich vollzogen hat. Wir werden dann ganz deutlich sehen, daß die Aufklärungsphilosophie, buchhänd lerisch gesprochen, keinen großen Auftrieb gebracht, daß sie also noch nicht weite Kreise erfaßt hat, und daß erst die idealistische Philosophie es gewesen ist, die die Beschäftigung mit Philosophie in weitere Kreise getragen hat. Wir sehen also allein an diesem Bilde des achtzehnten Jahrhunderts, daß die Buchhandelsstati stik tatsächlich sehr viel von dem zeigen kann, was an geistigem Leben hinter dem Buche steckt. Und so komme ich zur Betrach tung des abgeschlossen hinter uns liegenden neunzehnten Jahr hunderts. Ganz kurz die Zahlen! 1800: 4000 Neuerscheinungen, 1870: 10 000 Neuerscheinungen jährlich, 1905: 30 000 und, ge stört durch den Krieg und nach dem Krieg als erstes Jahr, das wieder die Vorkriegszeit erreicht hat, 1927 wiederum mit 30 000. Danebenher läuft aber noch eine andere Statistik, die nach her noch einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden muß: die Statistik unserer Zeitschriften und Zeitungen. Wenn wir nun an eine Wertung dieser Entwicklung heran treten wollen, so müssen wir uns zunächst einmal das eine ge stehen: In dieser Wertung ist eine große Änderung eingetreten. Während vor dem Kriege — ich erinnere mich dessen noch ganz gut — mit jubelnder Begeisterung jedes Tausend, um das die Neuerscheinungen im Jahre stiegen, als ein Beweis der Höhe unserer Kultur bezeichnet wurde, stehen wir heute einer der artigen Betrachtung höchst skeptisch gegenüber. Wir sprechen von einer Überproduktion und sehen darin einen der Haupt gründe unserer buchhändlerisch-wirtschaftlich unbefriedigenden Lage. Aber es ist doch auch notwendig, daß man versucht, sich einigermaßen ein Bild davon zu machen, wie nun innerhalb dieser allgemeinen Statistik die Dinge sich entwickelt haben. Es ist merkwürdig, daß unsere Buchhandelsstatistik bisher eigentlich eine recht schlechte Auswertung gefunden hat, — schlecht schon in der Hinsicht, als sich z. B. die Geisteswissenschaftler mit diesen Zahlen noch gar nicht beschäftigt haben. Sie sehen die Buch handelsstatistik als etwas an, was nur den Buchhandel angeht, obwohl sie, wie ich eben gezeigt habe, damit manchen Aufschluß erhalten können über Fragen, die nicht ganz leicht lösbar sind. Aber auch im Buchhandel ist die Statistik nach den Verschie bungen, die innerhalb der verschiedenen Geistesgebiete in dieser Zeit eingetreten sind, noch keineswegs ausgewertet worden. Als ich den Versuch machte, mir die Zahlen zusammenzustellen, stand ich vor einer ziemlich mühseligen Ausgabe, und ich konnte sie nur mit Ruhe lösen; denn es ist schwer, die Verschiedenartigkeit der Einteilung, wie sie sich entwickelt hat, richtig auszuwerten, d. h. immer die nötige Korrektur zu geben. Die Bibliographie ist zwar im großen und ganzen ziemlich gleichmäßig in 15 Gruppen geteilt geblieben; aber es ist einmal ein gewisses Gebiet zu der einen Gruppe gezählt worden, ein andermal zu einer anderen. Alle diese Dinge erheischen eigentlich eine wesentlich größere Be rücksichtigung, als ich ihnen hier in diesem engen Rahmen zuteil werden lassen kann. Trotzdem bin ich zu im großen und ganzen überraschenden Ergebnissen gekommen, die doch auf eine gewisse Sicherheit Anspruch erheben können. Das überraschende ist näm- 1214 lich, daß sehr große Verschiebungen, so wie ich sie vorhin aus dem achtzehnten Jahrhundert gezeigt habe, auch im neunzehnten Jahrhundert eingetretcn sind, nur daß im allgemeinen die Ent wicklung dieses riesenhaften Bücherslözcs ziemlich gleichmäßig auf die ganze Fläche verteilt ist. ES sind nur ganz wenige Ge biete, die besonders hervorstechen. Die schöne Literatur ist wohl gelegentlich einmal, z. B. im Jahre 1900 und im Jahre 1913, an zweiter Stelle gestanden, sonst immer an erster, was den An teil an der Gesamtproduktion anlangt, und bei der pädagogischen Literatur ist es das gleiche: sie stand 1870 und 1927 an zweiter, dagegen 1900 und 1913 an erster Stelle. Dasselbe gilt von einer ganzen Reihe von Gebieten: Theologie, Rechtswissenschaft, Ge schichte usw. Es sind ganz geringe Verschiebungen um eine oder höchstens zwei Stusen, die hin und wieder eintretcn, und wenn solche Gebiete aus irgendeinem Grunde einmal gefallen sind, steigen sie wieder. Kurzum, daraus ist nichts abzulesen. Nur drei Gebiete haben sich in ihrem Anteil stärker gewandelt, und zwar sind das die Sprach- und Literaturwissenschaft, die 1870 noch an sechster Stelle in der Bibliographie stand und die jetzt — das Jahr 1927 habe ich als Stichjahr genommen - an zwölfter Stelle steht, weiter die Kunst, die im Jahre 1870 an zwölfter Stelle stand und die wir heute an sechster Stelle finden, und endlich — was ja in seinen Gründen sehr leicht zu erfassen ist — die Bau- und Jngenieurwissenschast, die 1870 an vier zehnter — also an vorletzter — Stelle stand und heute an fünfter Stelle steht. Es gilt nun, sich zu fragen: wodurch sind diese Verände rungen bedingt gewesen? und ich glaube, es ist verhältnismäßig leicht, sich bei einzelnen dieser Gebiete Rechenschaft zu geben. Wie ich schon sagte: daß die Bau- und Jngenieurwissenschasten — also das rein Praktische, das Technische — in einem Zeitalter, das man als ein Zeitalter der Industrie und Technik bezeichnet, einen großen Aufschwung auch in der Literatur genommen haben, leuchtet ohne weiteres ein. Daß die Literaturwissenschaft so stark zurückgegangen ist, leuchtet ebenso ein; denn wenn eine Zeit auf das Praktische gerichtet ist, so wird sie jetzt — wir können das doch ruhig aussprechen — häufig völlig unfruchtbare Kritik am literarischen Ausdruck, an der Geschichte eines literarischen Ausdrucks nicht als in die Zeit hineinpassend bezeichnen. Aber davon abgesehen: man sieht, daß es eine brotlose Kunst ist und daß es infolgedessen in einer Zeit, die Haushalten muß, nicht gerade leicht Vorkommen kann, daß jemand sich solch brotloser Kunst widmet. Aber merkwürdig ist das Ansteigen des Anteils der Publikationen über Kunst, und wir müssen uns, wenn wir einigermaßen ein Urteil darüber gewinnen wollen, vor Augen führen, in wie großem Umfange eben heute die Abbildung an die Stelle des literarischen Ausdrucks getreten ist. Wir dürfen uns nichts vormachen, — es ist so, daß die Ab bildung weitgehend an die Stelle des Wortes getreten ist. Man hat noch um die Jahrhundertwende über Kunst Bücher geschrie ben — ich denke etwa an Wölfflin —; heute veröffentlicht man darüber dicke Bände mit Abbildungen, und ein namhafter Kunst gelehrter schießt einen halben Bogen Text dazu bei. Ich bitte zunächst davon abzusehen, eine Wertung mit dieser Tatsache zu verknüpfen. Wir müssen uns mit dieser Tatsache im Laufe meiner weiteren Ausführungen noch ziemlich ausgiebig beschäf tigen. Die Abbildung ist überall eingedrungcn. Ich erinnere daran, wie heute ein medizinisches Werk aussieht; ich erinnere aber auch daran, daß man ein Lesebuch für Volksschulen zu einem Bilderbuch umgestaltet hat, daß man glaubt, nicht einmal auf Mehrfarbendrucke im Lesebuch verzichten zu können, und als Grund hierfür wird angegeben, daß das zur Einstellung, zur geistigen Einstellung, notwendig sei, um beim Kinde zu erreichen, daß es sich besser einfühlt, sodaß das Lesestück, das dann folgt, auf fruchtbaren Boden fällt. Aber darüber hinaus geht das Bild auch in den Geisteswissenschaften seinen Gang, nur in anderer Form. Wenn man heute ein geisteswissenschaftliches Wer! ausschlägt, so ist es überraschend, zu sehen, wie häufig Sche mata angebracht sind, wohl mit Worten, aber in Klammern, versehen, oder stammbaumartig mit Pfeilen usw., — also immer mit der Idee, etwas zu veranschaulichen, etwas zu zeigen, nicht etwas auszusprechen.
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