Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.11.1928
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1928-11-03
- Erscheinungsdatum
- 03.11.1928
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19281103
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192811033
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19281103
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1928
- Monat1928-11
- Tag1928-11-03
- Monat1928-11
- Jahr1928
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
.V 257, 3, November 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b. Dtschn.Buchhandel. Ehe ich daran anknüpfend eine Wertung bringe, muh ich aber noch auf einige andere Dinge zu sprechen kommen. Die Aufnahme unserer neueren Literatur hat sich wesentlich gewan delt. Wir alle wissen, wie heute ein Buch schlagerartig ein Vierteljahr lang hochbrennt, um dann vom Markt nahezu zu verschwinden; wir alle wissen, daß die Skepsis gegen die Kultur höhe, die sich im Bücherflöz zeigen sollte, zum großen Teil darauf beruht, daß wir fragen: »Ja, dreißigtausend Neuerscheinungen, — wieviel davon ist Makulatur?» Wir wissen ja gar nichts über die Auflagcnhöhe; wir wissen nur, daß es immer wieder Leute gibt, die es als vornehmen Sport betrachten, irgendeinen Literaturleckerbissen neu aufzulegen und auf den Markt zu wer fen, und die dann, erst im Verlaufe der Jahre erkennen, daß es kein Geschäft gewesen ist und sie wirklich nur einem sehr vor nehmen Sport gehuldigt haben, und wir sind infolgedessen sehr skeptisch gegen alle diese Dinge geworden. Aber noch etwas ganz anderes! Ich erwähnte vorhin schon, daß neben der Buchstatiftik die Zeitschriften- und Zeitungsstati- sti! hcrläuft, und auch darüber möchte ich doch ganz kurz einige Zahlen ins Gedächtnis zurückrusen. In der Zeit von l823 bis 1847, also in 25 Jahren, wurden in Deutschland 22 neue poli tische Zeitungen gegründet, in der Zeit von 1847 bis 1860, also in 13 Jahren, ungefähr der Hälfte der Zeit, waren es 66 — also das Tempo hatte sich ungefähr versechsfacht. 1871 zählte man — ich muß auch da wieder einflechten, daß ja die Statistik nicht ganz zuverlässig ist in dem, was sie alles erfaßt hat; aber sie gibt doch immerhin ein gewisses Bild — 1871 zählte man 948 Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland. 1881: 2337 und 1907: über 7000. In einem Aufsatz des »Droit dÄuteur» im Januar 1910 sind es rund 4000 Zeitungen und 5400 Fach blätter und Zeitschriften, die man auf reichsdeutschem Boden als erscheinend festgestellt hatte. Der Aufwand betrug damals schon rund 326 Millionen, und zwar trafen, was'für uns Buchhändler sehr wichtig zu wissen ist, 94 Millionen von diesen 326 Millionen aus Zeitungen und der Rest von 232 Millionen auf die Zeit schriften und Fachblätter. Und heute sind es, glaube ich, rund 15 000 Periodika, die unsere Deutsche Bücherei sammelt. Wir sehen also, wie neben diesem Bücherslöz auch noch Platz war für die Zeitschrift. Das aber bedeutet ja eben für uns un geheuer viel, und wenn wir darüber Betrachtungen anstellen, wie das so alles zustande kam, dann wird zunächst klar werden, daß eine ungeheure Atomisierung, eine Verkleinerung des Blick feldes vorgenommen worden ist. Der kleine Zcitschristenaufsatz gab Gelegenheit, schon das kleinste Forschungsergebnis in die Welt hinauszusenden, und es mußte nicht gewartet werden, bis man ein Buch füllen konnte. Und andererseits: wir sehen ganz deutlich, daß eine ganz merkwürdige Auffassung vom Buch begriff dadurch herbeigesührt wurde. Man sieht heute schon in einem Sammelsurium von Aufsätzen, in einem Band zusammen- gebunden, ein Buch. Es ist nicht notwendig, daß wirklich ein einheitlicher Geist die ganze Materie, die in diesem Buch be handelt ist, zusammcngefaßt hat, sondern man begnügt sich sehr häufig damit, an die Stelle des geistigen Produkts das geistige Aggregat zu setzen. Und auch äußerlich! Es ist unglaublich, was wir heute an Wandlung des eigentlichen Buchbegriffs erleben können. Das beste Bild dafür, wie weit das gediehen ist, gibt die Tatsache der sogenannten Bogenlesebücher. Ein Verlag bringt Hunderte von Bogen heraus, — doch an sich eine rein technische, äußerliche Einheit: 16 Seiten, die dadurch entstanden sind, daß eben der Bogen, wenn er zusammengelegt ist, diese 16 Seiten gibt. Diese 16 Seiten bilden die äußere Einheit, und nun heißt es: »Stelle dir dein Lesebuch zusammen!« und man drückt dem Kind eine Sammelmappe in die Hand, und irgendein Lehrer hält sich für berufen, aus diesen Bogen etwas zusammenzustellen, womit die Jugend herangeführt werden kann an das Schrifttum des Volkes! Man legt gar keinen Wert mehr darauf, daß diese Sammlung ein persönliches Gepräge habe; es dreht sich vielmehr darum, daß lieber 400 Bogen zur Auswahl stehen als 200. Also kein wirkliches Leben des Buchbegriffes, sondern mehr ein praktisches Ausschlachten des Literaturbesitzcs! Daneben läuft dann — »in auch das noch zu erwähnen — die Tatsache, daß die Entwicklung in der Technik es mit sich ge bracht hat, daß das Schwergewicht des Umstandes, daß ja eine Maschine zur Massenproduktion vorhanden ist, mehr ausschlag gebend sein kann als der Bedarf. Ich erinnere an die Ricscn- auslagen, die von manchen Veröffentlichungen gedruckt werden und die letzten Endes mehr davon bestimmt sind, daß eben dabei für den Drucker wie für den Buchbinder die günstigste Kalku lation einsetzt. Der Anteil an Satzkosten fängt an zu verschwin den, und es ist nur noch die Auflagcnzifser, die bestimmend ist. Ich brauche Buchhändlern das nicht im einzelnen noch weiter auszusühren. Ich habe Ihnen damit zunächst eine Wandlung gezeigt in dem Begriff der von uns vertriebenen Ware, im Buch, - eine große Wandlung, und wenn ich nun nach der anderen Seite gehe und mich frage: wie steht es mit dem Markt, der dies alles auszunehmen hat?, so ist diese Frage zweifellos schon ein ge wisser Ausdruck des Zustandes auf diesem Markt; denn es ist nicht so, daß man eine Ware auf den Markt bringt und dann erst sich entscheiden kann, wie sich der Markt dazu stellt. Eine Ware wird immer schon von vornherein darauf abgcstcllt, daß sie ver kauft werden soll, und ist infolgedessen in gewissem Sinne Spiegelbild der Zustände auf dem Markt. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß etwa die Entwicklung der graphischen Verfahren in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den großen Aufschwung der Bildindustrie auch innerhalb des Buchhandels gebracht habe. Wenn nicht die geistige Einstellung für das Bild vorhanden gewesen wäre, so wären diese Erfindungen zum großen Teil totgeborcn gewesen. Darüber müssen wir uns vollkommen klar sein: eine neue Er findung kann nur dann wirklich eine Weiterentwicklung bringen, wenn die Zeit dazu reif ist, und jeder von uns weiß, wie häufig es vorkommt, daß eine Erfindung oder Entdeckung lange Zeit hindurch ihrer Wirkung entbehrt, um dann erst die Reife der Zeit zu finden und sich durchsetzen zu können. Es ist nicht so, daß Kino und Radio das Buch verdrängten, sondern es ist so, daß Kino und Radio ein Ausdruck der Zeit sind und daß zweifel los die Zeit, wenn sie literarisch eingestellt wäre, Kino und Radio ablehnen würde. Sie tut es aber nicht. Es ist nicht so, daß etwa der Buchhändler oder der Schriftsteller an der Produktion schuld wäre. Leser, Schriftsteller und Buchhändler sind auf diesem Gebiet eine Einheit, und es ist zweifellos: wir sind da alle Teil eines Volkes, wir tragen alle an der Verantwortung mit, wie die Entwicklung geht, und wir können nicht sagen: der oder jener ist daran schuld, — sondern wir können uns höchstens zusammensetzen und sehen, wenn wir erkannt haben, daß die eine oder andere Entwicklung unerfreulich ist, wie man ihr ent- gcgentreten kann. Aber das ist sicher: damit, daß man einfach einem besonderen Stande vorwirst, er sei an dieser Entwicklung schuld, ist gar nichts gedient. Dieser Markt, von dem ich sprach, hat sich auch sonst noch gewandelt. Ich erwähnte Kino und Radio, und ich erwähne nun noch einige andere AusdruckHformen unserer Zeit, die sehr stark auf der Oberfläche liegen und gerade deshalb besondere Erwähnung verdienen: Tanz, Sport, andererseits wieder der Hang zum Praktischen. Es ist dem, der damit zu tun hat, aus fallend, wie unsere Jugend nicht etwa in einer unangenehmen Form, sondern in einer ganz natürlichen Art im großen und ganzen von Theorie recht wenig wissen will. Ihr liegt mehr am praktischen Erfassen, und an den technischen Hochschulen z. B. bedeutet es heute schon eine gewisse Schwierigkeit, daß die Lehrer schaft noch sehr stark in dem analytischen Forschungsgeist früherer Jahrzehnte verankert ist, während die Jugend viel mehr den raschen Griff ins Praktische anstrebt. Es kommt dann weiter folgendes hinzu. Während früher das Buch ein Ausdruck der Persönlichkeit war, wo der Leser, eingesponnen in die Gedankengängc dieses Buches, die wieder verflochten waren mit seiner eigenen Phantasie, sich in ruhigen Stunden behaglich mit vergangenen Zeiten oder mit einem Roman beschäftigte, ist es heute in dieser Hinsicht schon mehr oder minder entwertet. Wo sind die Leser dieser Art? Es wird der Roman gesucht, der möglichst viel pulsierendes Leben enthält, 1215
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder