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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.02.1929
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- 1929-02-09
- Erscheinungsdatum
- 09.02.1929
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X: 34, 9. Februar 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s.ö.Dtschn. Buchhandel. Walter de Gruyter. Fünf Jahre nach seinem Tode ist jetzt eine Schilderung seines Lebens, seines Wesens und seiner Art, seiner Arbeitsmühe und seiner Arbeitserfolge erschienen, wie sie die Familie schon lange beabsichtigt hatte. »Walter de Gruyter, ein Lebensbild«, heißt das Buch von Ger hard Llldtke*). Als einer, der die Laufbahn dieses Mannes von Anfang an mit Anteil verfolgt, ihn bei seinem Wirken in der buchhändle rischen Öffentlichkeit beobachtet und persönlich und brieflich häufig mit ihm verkehrt hat, kann ich nur sagen, daß Walter de Gruyter mit diesem Buche ein lebendiges, lebenswahres und schönes Denkmal gesetzt ist. Ich habe das Buch von Anfang bis zu Ende mit wachsen der Teilnahme gelesen; viele Züge des Wesens dieses seltenen Mannes sind mir erst jetzt ganz klar geworden, und mit der Bewunderung der mit tiefer Gründlichkeit gepaarten Vielseitigkeit seiner Leistung ist meine Hochachtung vor dem grundehrlichen, männlichen, deutschen Charakter noch gewachsen. Aber von allem Persönlichen abgesehen, bietet dieses Buch jedem Buchhändler und namentlich dem Verleger unendlich viel. Es ist einer der wichtigsten Beiträge zur Geschichte des deutschen Buch handels seit Ende des 19. Jahrhunderts, enthält aber auch viele ein gehende Betrachtungen und Bemerkungen zur Verlagspraxis, die nicht etwa nur dem angehenden Verleger dringend empfohlen werden kön nen. Der Verfasser befolgt den Grundsatz, soviel wie irgend möglich Walter de Gruyter das Wort selber zu geben, so daß man oft den Eindruck der Selbstbiographie hat. In den Berichten über buch händlerische Tagungen lagen zahllose Reden im Wortlaut vor, dazu ausführliche Briefe und mit staunenswerter Gründlichkeit aus gearbeitete Denkschriften. So konnte der Verfasser aus dem Vollen schöpfen, und die größte Schwierigkeit war wohl dabei, das richtige Maß innezuhalten, was trefflich gelungen ist. Der Meister des ge sprochenen Wortes, dessen ungekünstelte Beherrschung der deutschen Sprache selbst bei seinen Debattereden erfreute und in Erstaunen setzte, steht lebendig vor uns. Als ein Beispiel des Gebotenen hebe ich die Denkschrift betreffend die Einrichtung einer deutschen Autoren- und Verlegerkammer her vor, die nicht weniger als 22 Seiten des Buches füllt und sehr viel mehr enthält, als die Überschrift vermuten läßt, so daß man dem Bio graphen bcistimmen muß, wenn er S. 123 sagt: »Bei der Prüfung, welche Sätze dieser Denkschrift fortsallen könnten, zögerte die streichende Feder von Absatz zu Absatz, und so ist der wesentliche Teil stehen geblieben. Könnte man doch diese Ab handlung einen knappen »Verlegerkatechismus« nennen. Alles ist darin, was für den Verleger und den Autor von Wichtigkeit ist: Se parat« von Zeitschriftenaufsätzen, Verträge, Rezensionsexemplare, Bücherbcttel, Schundliteratur usw. Der nachdenkliche Verleger kann diesen Abschnitt zweimal, der mißtrauische Autor dreimal lesen.« Von ganz besonderem Interesse ist natürlich die Abhandlung, in welcher de Gr. die Gedanken darlegt, die zu der großartigen Ver lagskonzentration der »Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter L Co.« geführt haben. »Dieser Gedanke der Konzentration«, schreibt der Verfasser S. 66, »des Aufbaus auf breiter Basis, erwuchs auch hier nicht aus Motiven, die nur die Sicherung des eigenen Lebenswerkes bezweckten, sondern er war ein Teil jener Kraft in W. de Gr., die dem Gemeinwohl, der Gesamtheit dienen wollte«. Und wer de Gr. gekannt hat, wird dieser Beurteilung zustimmen, mag er auch zu ganz anderen Schlußfolgerungen darüber gelangen, ob solche Verlagskonzcntration auf die Dauer für die Wissenschaft und den Buchhandel ein Segen ist. Darauf einzugehen ist hier nicht der Ort. Aber ich kann mir nicht versagen, einen Satz aus dieser Abhandlung hierher zu setzen, der namentlich die Kollegen vom Sor timent berühren wird: »Ernst und eindrucksvoll sei hier gesagt, daß jede Grenzverletzung oder Gebietsverminderung des legitimen und zur Mitarbeit willigen Sortiments aus das strengste gemieden, das Zusammenwirken überall gesucht werden soll« <S. 73). Das sind gol dene Worte, an denen niemand deuteln wird, der bas Wesen dieses Mannes verstanden hat. Die Nachfolger W. de Gr.s haben ein kost bares Erbe übernommen und eine große Aufgabe zu lösen. Möge es ihnen gelingen. Unvollständig würde dieser Bericht sein, wenn er nicht auch noch des persönliche» Charakters de Gr.s gedächte. Grundzug seines Wesens war unbedingte Wahrhaftigkeit. Seine Reden und Taten ent sprangen seiner innersten Überzeugung. Eine Kämpfernatur, hat er viele Gegner gehabt, aber meines Wissens keine Feinde, da jeder merken mußte, daß er ein ehrlicher Gegner war und bei schärfster Ver tretung seiner eigenen Belange den ehrlichen Gegner achtete und nur *) Berlin: Walter de Gruyter L Co. 1929, 155 S., mit mehr. Tafeln. Lwd. Mk. 5.—. 186 mit guten Waffen kämpfte. Seine hohe Auffassung vom Beruf des Verlegers geht unzweideutig aus dem persönlichen Brief hervor, mit dem er auf der Höhe der Inflationszeit, als die geschäftliche Moral so vieler ins Wanken geriet, ohne jede Rücksicht auf geschäftliche Ein buße das Tischtuch zwischen seiner Firma und einem ihrer erfolgreichsten Autoren, dem bekannten Fr. W. Foerster, zerschnitt, es ablehnend, neue Auflagen seiner Bücher zu verlegen. Gelegentlich eines Zu sammenseins hat de Gr. mir diesen Brief gleich nach seiner Ent stehung mitgeteilt. Ich befürwortete mit Rücksicht auf den Schaden, den jener Fanatiker anrichtete, die Veröffentlichung dieser ebenso vor nehmen wie kräftigen Züchtigung. De Gr. konnte sich damals nicht gleich dazu entschließen. Nun findet dieser Brief sich erfreulicher weise in dem Lebensbild*). Er lautet: »Wie schwer es mir — es war vor den Ostertagen — ge worden ist, die beigefaltenen Zeilen zu diktieren, das empfand ich verstärkt in dem Augenblick, wo sie mir zur Unterzeichnung vorgelegt wurden; empfand es so stark, daß ich dies einem Manne gegenüber mit einigen persönlichen Geleitworten zum Ausdruck bringe» muh, zu dessen mir vorbildlich scheinenden Menschentum ich einst aufgeblickt habe, als ob in ihm Geist und Seele, Licht und Leuchte, Klarheit und Reinheit in besonders inniger Har monie und Stärke verbunden seien. Wohl waren wir beide in der Beurteilung der Umwelt und der Innenwelt gewiß nicht immer eines Sinnes, und eine Begegnung mit Ihnen ist mir in dieser Hinsicht vorzüglich im Gedächtnis geblieben. Ich durfte Sie — es mögen wohl anderthalb Jahrzehnte her sein — einmal auf einem Spaziergange nach Ihrer Wohnung be gleiten, und unsere Wcchselrede beschäftigte sich mit der Frage, ob es für die Wahrheit unter keinen Umständen ein Schweigen, einen Aufschub, einen Schleier geben dürfe oder doch. Wir fanden uns dabei nicht zusammen, aber die Strenge, womit Sie jene Frage verneinten, nahm meinem Vorstellungsbilde von Ihnen sicherlich auch nicht den kleinsten Zug eines sittlich adeligen Mannes. Wer die Wahrheit um ihrer selbst willen auch da unnachgiebig und unaufschiebbar sagen zu müssen vermeint, wo sie, soweit für das menschliche Auge erkennbar, andere nicht zu heilen, wohl aber ihnen wehe zu tun vermag, und der das noch für einen Samariterdienst ansieht, der wird sich, so sagte ich mir, auf der Fährte nach der Wahrheit auch um so strenger leiten lassen von dem Ernste, den keine Mühe bleichet. Und diesen tiefen Glauben an die Verant wortlichkeit und Reinheit Ihres suchenden und verkündenden Be- kennertums habe ich Ihnen auch in den Jahren bewahrt, wo das Blut seiner Söhne zur Verteidigung des Vaterlandes nicht mehr ausreichte und Sie — den Schwachen in unser», den Starken in den Reihen unserer Feinde vernehmbar — die Männer schalten und schuldig sprachen, die es stark gemacht, und die andern, die es in der höchsten Not nicht wehrlos wissen wollte». Ja selbst dann noch, als nun auch der innere Verfall eintrat und Sie sich zum politischen Instrument von Abenteurern machen ließen, denen die Geschichte ein ehrliches Begräbnis kaum bewilligen wird, da wollten gleichwohl in dem Bilde, das von Ihnen in mir lebte, die Züge noch nicht erlöschen, die mich einst so ange zogen hatten. Dies geschah erst dann, als die Feinde unserm Vater lande eine neue und tiefste Demütigung auferlegten und Sie Worte des entschuldenden Verständnisses nach drüben, der Anklage nach hüben fanden; als Sie das erpreßte und vor der Welt bereits zum Gespött werdende Versailler Schuldbekenntnis aufs neue in seine Rechte einzusetzen suchten; als Sie in jenen Tagen der wieder aufkeimenden inneren Versöhnung die Hetzworte von den .Über gewinnen der Jndustriemagnaten und Kohlenbarone' neu ausgruben. Da habe ich zunächst in den letzten Gesängen des Inferno nach Ihresgleichen gesucht, dann aber in dem Goetheschen Distichon: »Wie verfährt die Natur, um Hohes und Niederes im Men schen zu verbinden? Sie stellt Eitelkeit zwischen hinein«, die bessere und mildere Lösung gefunden. Der Starrkrampf der Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit — das Bild entlehne ich Ihnen — hat den Wahrheitsnerv Ihres Auges erkranken lassen; zur Wahrheit wird Ihnen, was Ihre krank haft gesteigerte Leidenschaftlichkeit dazu stempelt. Sie bringen nicht die Wahrheit, die die Liebe, sondern die Scheinwahrheit, die den Haß erzeugt, nach dem Wahlspruch Aretins .vsritas ockium parit'. Ich weiß, daß harte Worte darunter sind, die ich hier von Zeile zu Zeile zögernd und öfters mildernd niedergeschrieben habe. Und ich fürchte, daß damit das Tafeltuch zwischen mir und einem Manne zerschnitten ist, dem ich einst in Zuneigung und Verehrung ergeben war«. *> Der Brief ist S. 62 ohne Name des Adressaten veröffentlicht. Ich habe mich vergewissert, baß ich mit dieser Veröffentlichung eine Indiskretion nicht begehe.
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