für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. H e r a u s g e g e b e n von den Dcputirten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börfenvereins. ^ 98. Freitags, den 8. November 1839. Ucber Preßfreiheit *). Fast bei keinem Puncke der Gesetzgebung ergiebt sich so deutlich wie bei dem der Preßfreiheit, daß ganz allgemeine Satze und Aussprüche eben nichts setzen und aussprcchen; sondern Zeit, Ort, Volksthümlichkeit, Bildungsstand we sentlichen Einfluß üben und die Gesetze modisiciren. Daß England (trotz aller Mißbräuche seiner Preßfrei heit) dem rechten Ziele am nächsten gekommen ist, muß jeder Unbefangene zugeben; ja mehr vielleicht als durch alle staatsrechtliche Formen wird daselbst die allgemeine Freiheit durch die Freiheit der Presse begründet und erhalten. — Wenn Frankreich von diesem Ziele immer wieder abkommt, so liegt dies weniger an der Theorie, als an der Praxis, und mehr an den Gesammtverhältnissen, als an dem Buch staben der Gesetze. Oft, aber irrig, hat man geglaubt, Alles dränge sich auf die eine Frage zusammen: ob man vor dem Drucke censire, oder nach dem Drucke strafe? Die Freiheit oder die Bürgschaft der Ordnung liegt aber keineswegs ausschlie ßend in einer dieser Formen: denn man kann unvernünftig zuvorkommen (oder ausstceichen) und tyrannisch nach dem Drucke strafen. . Diese Form entscheidet also nicht unbe dingt über den Inh'al t. Wie unzählige Male sind z. B. französische Zeitungen über Dinge veructheilt worden, wes halb in England eine Klage anzustcllen ganz thöcicht er scheinen müßte. Daß die Censur eine Art von Zubehör, ein Pertinenz- stück unbeschränkter Monarchien sei, ist eine leere Voraus setzung. Man könnte eher beweisen: die Preßfreiheit sei *) Aus Fried, von Raumer's Europa ic. 1. Bd. 6r Jahrgang. da am nötigsten, wo es an staatsrechtlichen Formen behufs einer Beurtheilung der Verwaltung fehlt; sie sei am we nigsten gefährlich, wo die centrale Gewalt verhältnißmäßig am stärksten ist. Schweden, Dänemark und Preußen haben (wenigstens für gewisse Zeiträume) das Gcgentheil jener Behauptung erwiesen. Alles, was sich wider die Preßfreiheit an dieser Stelle theoretisch oder praktisch bci- bringen läßt, erweist nur: daß keine Erziehung oder Ent wickelung sprungweise vor sich gehen kann. Aber zwischen faulem, oder aufgezwungencm Stillsitzcn, und leichtsinnigem Saltoinortsls liegen viele Abstufungen natür licher Bewegung in der Mitte. Anstatt diese Entwickelung anzuerkennen und zu beför dern, ist in mehreren Staaten die Gesetzgebung unbeweglich geblieben und die Praxis immer strenger geworden. Was würde man sagen, wenn Schullehrer, weil sie selbst keine sichtbaren Fortschritte mehr machen, diese auch an den Schü lern läugnen, und keinen je in eine höhere Elasse versetzen wollten? Und doch wird das Censurwcsen meist nach diesem Grundsätze verwaltet! In Rom erwählte man die ersten Männer des ganzen Volkes zu Censoren; so große Ansprüche werden die heuti gen Namensvettern derselben schwerlich machen, obgleich sie mit ihrer Schlachtfedec immer Recht behalten. Wollte man aber auch (was nicht geschieht) den edelsten und un- terrichtetsten Männern dies Geschäft übertragen; sie würden die Unlösbarkeit der Aufgabe noch tiefer fühlen, und viel leicht überschnell die zu Erziehenden für großjährig erklären. Jetzt scheren unsere Gesetze (nach dem gemeinen Sprich worts) Alles über Einen Kamm ; zu einer ächten Befreiung wäre es aber vielleicht die beste Vorbereitung, qualita- 180