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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-11-10
- Erscheinungsdatum
- 10.11.1934
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- Deutsch
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X« 263, 10. November 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. Das Gedicht lautet: »Ich wollte sie aus kühlem Eisen, und wie ein glatter fester Streif, doch war im Schacht auf allen Gleisen so kein Metall zum Gusse reif, nun aber soll sie also sein wie eine große fremde Dolde geformt aus feuerrotem Golde und reichem blitzendem Gestein.« »Doch war im Schacht auf allen Gleisen, so kein Metall zum Gusse reif«... kann es etwas Erschütternderes geben, als daß ein Mensch, der mit visionärer Kraft das Kommende ahnte und sah — (»ich wollte sie aus kühlem Eisen und wie ein glatter fester Streif« — wo wäre gültiger und mit weniger Worten das heute in uns allen lebende künstlerische Formideal schon Umrissen worden) —- als daß ein Mensch, sagte ich, der mit visionärer Kraft das Kom mende ahnte und sah, verzichten mußte, weil die Stunde noch nicht gekommen war? Stefan George hat aus diesem Verzicht die letzte Konsequenz gezogen. Er wandte sich mit seinem Schaffen bewußt und aus schließlich an einen kleinen, mit esoterischer Strenge aufgebautcn Kreis von Menschen. Aber ist das, was er willentlich oder auch eigenwillig tat, nicht das ungewollte Schicksal aller Schaffenden gewesen, die auch im sinkenden Licht sich nicht dem Dunkel ver schreiben wollten. Existierten nicht auch ihre Werke nur für kleine Gemeinden, während ringsrum die Unrast und der Unrat der Kreaturen sich breit machten, die die Luft mit lärmendem Markt geschrei und mit dem Pesthauch der Verwesung erfüllten? Das Wort hatten doch die, die gestützt auf den volksfremden Apparat des Systems ihre oft mit hohem artistischem Können verfertigten Talmiprodukte dem Volke als echtes Gold aufschwatzen wollten. Das Narrenspiel des Wahnsinns ist zu Ende. Wie nächtlicher Spuk ist all das wirre und wüste Treiben verflogen. Das Gewitter der Revolution hat die Luft gereinigt und über den Bergen und Hügeln, den Feldern und Ebenen steht das Frühlicht eines neuen werkträchtigen und werkfrohen Tages. Unsere heutige Zusammenkunft gilt der Woche des deutschen Buches. Ich habe, meine Volksgenossen, absichtlich etwas weiter ausgeholt, weil ich für Sie und für mich die Distanz gewinnen wollte, aus der allein eine freie und zukunftsweisende Sicht auf alles künftige Werkschaffen und seine Bedeutung für die Nation möglich ist. Die Woche des deutschen Buches will und soll ja mehr sein, als sich an ihrer praktischen Zielsetzung ablesen läßt. Sie wis sen, daß wir das Volk in allen seinen Kreisen und Schichten auffor dern wollen, in dieser Woche Bücher zu kaufen und Bücher zu schenken. Der Sinn dieser praktischen Zielsetzung ist klar; wir wollen durch diesen Aufruf mit aller Dringlichkeit auf das Buch Hin weisen und zu feiner Verbreitung beitragen. Zuviele Volksgenossen haben in dieser an Spannung und Geschehnis, Erlebnis und Tat gesättigten Zeit nicht mehr die Muße finden können, um in einer stillen Stunde zu einem guten Buche zu greifen. Sie brauchen einen solchen Anruf. Darüber hinaus aber soll diese Buchwoche den Auf takt bilden zu einer weit über ihre Praktische Zielsetzung hinaus reichenden gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Schrifttum als Werk und Mittel der Gemeinschaft und als Waffe im geistigen Rin gen der Völker. Wir haben nichts gewonnen, wenn wir ewig bei jenen vagen, verfließenden, nie klar zu Ende gedachten Reden und Redensarten stehenbleiben, die noch immer fällig sind, wenn vom Schrifttum und seiner Bedeutung gesprochen wird. Lassen wir doch die gutwillige, aber leere Phrase hinter uns, wie wir die liberale Zeit hinter uns gelassen haben, zu der sie gehört. Wir brauchen mehr. Wir brauchen jenseits aller sich aä üoo entzündenden flüch tigen Begeisterung das stille klare Wissen um das Buch, um seinen Auftrag und seine Leistung für das Volk und die Volksgemeinschaft. Es ist schwer mit allgemeinen Worten und Wendungen auszudrücken, was ich meine. Erlauben Sie mir daher, daß ich am konkreten Beispiel demonstriere. Ich weiß, daß ich auch damit ein Wagnis eingehe, ein Wagnis, dessen Gefahren vielleicht größer sind als der ordnende Wille, der sie zu bannen unternimmt. Schließlich ist der Begriff: das deutsche Buch an Inhalt so reich und an Umfang zu bedeutend, daß es schwer ist, vom Einzelnen her über das Ganze Wesentliches und Gültiges auszusagen — und dies nun gar schon in den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen. Wenn man von Sonderfällen absieht, die, weck sie Sonder fälle sind, hier ganz gewiß nicht geringer gewertet werden sollen, läßt sich das Schrifttum in drei große weitgespannte Werkkreise einteilen. Dem ersten Kreise gehören die Bücher gedanklicher Lebens erhellung, dem zweiten die Bücher schriftstellerischer Lebensschilde rung, dem dritten die Bücher dichterischer Lebensgestaltung an. Mit diesen drei Kreisen möchte ich mich kurz beschäftigen. Am wenigsten ist über den ersten Kreis zu sagen, weil hier die Bedeutung schlechthin evident ist. Alle Bücher und Werke, in denen gedanklich mit den unzähligen Fragen und Problemen unserer Zeit gerungen wird, bilden je einen Bestandteil und sogar den wichtig sten des geistigen Ringens der Nation überhaupt. Es hieße wahr haft Eulen nach Athen tragen, wenn man den weitgespannten Bogen dieses Schaffenskreifes mit vielen Worten würdigen wollte. Die nationalsozialistische Revolution ist mehr als eine politische Umwälzung, sie ist der geistig-seelische Umbruch einer ganzen Zeit und stellt daher aus ihrer Sicht alle Fragen neu, mit denen sich der denkende Menschengcist je und je beschäftigt hat. Durch Jahrzehnte hindurch sind in der liberalen Ära tausend und abertausende ge schäftiger Federn tätig gewesen, um uns unsere große nationale Vergangenheit in dem Lichte zu zeigen, in dem sie sich den Schrei bern jener Epoche darstellte. Welch ungeheure Aufgabe liegt allein schon darin, durch diesen ganzen Wust von Gedanken und Vorstel lungen sich hindurchzuarbeiten und die freie Sicht auf Menschen und Dinge, die uns in einem kaum vorstellbaren Maße verstellt worden ist, wiederzugewinnen. Wie es Bücher waren, die die Helo ten der Systemzeit zwischen uns und der Vergangenheit sichtver sperrend auftürmten, so kann die ganze Vorstellungsmasse, die von diesen Büchern im Volke aufgespeichert wurde, gewiß nicht allein, aber vornehmlich und endgültig, nur durch Bücher zerstört und durch Besseres ersetzt werden. Und dazu kommen nun all die brennenden Fragen und Pro bleme der Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung, die ohne die klärende, ordnende und festigende Arbeit durch das Buch niemals zu lösen find. Wenn wir auch, dem Schicksal sei Dank, aus der Epoche der endlosen Debatten und theoretischen Spekulationen in eine Epoche des Handelns und der Tat eingetreten sind, so ist bei allen wesentlichen Fragen und Problemen doch auch in dieser Epoche der Weg vom Gedanken bis zur Tat zurückzulegen und auf diesem Wege sind Bücher die Meilensteine, an denen die zurück gelegte Strecke ebenso wie die noch zu bewältigende abgelesen wer den kann. Und von Zeit zu Zeit wird jeder von uns das Bedürfnis haben, im Weiterschrciten zu verharren, um die zurückgelegte Strecke ganz zu überblicken und in der Beschäftigung mit großen zusammenfassenden Darstellungen sich Rechenschaft darüber zu geben, ob und wieweit es bereits gelungen ist, aus der Vielfalt des einzelnen zur Ganzheit eines geschlossenen Weltbildes unserer Zeit zu kommen. Bücher der gedanklichen Lebenserhellung sind nicht schon das Leben und die Tat selbst, das Leben und die Tat brauchen sie aber als Stufen der Entwicklung, als Werkzeuge beim Bau, als Ausweis ihres in Zeit und Raum nie ganz zu verwirklichenden Ziclwillens und als wichtigsten Teil jenes Erbes, das auch unsere Gegenwart der Nachwelt zu hinterlassen hat. Ganz anders liegen die Dinge im zweiten Werkkreise, dem die Bücher der schriftstellerischen Lebensschilderung angehören. Hier geht es nicht um Aufbau und Gestaltung, sondern um die Aus breitung und Spiegelung von Menschen, Dingen und Geschehnissen in ihrer ganzen bunten farbenprächtigen Vielfalt. Es sollte den Büchern dieses Kreises Über Minderwertiges — über Flachheit und Kitsch spreche ich hier selbstverständlich nicht — wahrhaftig nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich an die Oberfläche des Daseins, an Len farbigen Abglanz dieses Lebens halten, daß sie nur erzählen und unterhalten wollen, ohne, in der Regel wenig stens, tiefer zu graben und hinter ihren handelnden und redenden Gestalten die Kräfte und das letzte uncnträtselbare Geheimnis sichtbar werden zu lassen, die alles irdische Dasein umwittern. Wieviel handwerkliches Können im besten Sinn, wieviel praktische Lebcnsklugheit kann nicht in diesen Büchern stecken, wieviel Wis sen um nahe und ferne Dinge haben sie uns allen nicht schon mit geteilt, wieviel Gestalten und Geschehnisse unserer Vergangenheit 983
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