Die Wiederentdeckung der großen Dichtungen des Mittelalters Aie Entdeckung dieser Dichtungen geschah in dem Bewußtsein, hier ein großes, dem deutschen Volke zugehöriges geistiges Gesamtwerk weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Die Glanzzeit der Hohenstaufen, ebenso die Kreuzzüge haben den deutschen Menschen des Mittelalters vor eine Fülle neuer Fragen gestellt. Je tiefer man in diese Fragen eindringt, um so mehr begreift man, daß die großen epischen Dichtungen von Wolfram von Lschmbach, Hartmann v. Aue und der andern stch bei weitem nicht in der Dar stellung der höfischen Anschauungen erschöpfen, wie es bisher angenommen wurde. Die Zeit der gotischen Dome zwingt die gewaltige Dichtergeneration um 1200, der Welt in den Belangen des deutschen völkischen Schicksals, im Reich, wie auch in den reli giösen Grundfragen, in der Kirche, eine grundsätzlich neue tragende Idee zu geben. AM diesem Wandel der Erkenntnis ist auch eine vollkommen neue Übersetzung der Werke notwendig geworden. Deshalb hat sich der Verlag entschlossen, die großen Epen des Mittelalters neu hcraus- zugeben. Neben den Epen von Hartmann von Aue, die von Reinhard Fink übertragen nun vorliegen, ist zunächst der Parzival von Wolfram von Lschenbach in Aussicht ge nommen, dem dann der „Tristan" Gottfrieds von Straßburg, die gewaltige ritter liche Legendendichlung Willehalm von Wolfram von Eschenbach und auch das Nibelungenlied folgen werden. Da die langen Reimgedichte des Mittelalters heute schwer lesbar sind, erfolgt die Übersetzung in einer schlichten kräftigen Prosa, denn nur so ist es möglich, den genauen Sinn des Textes treu wiederzugeben. Hier werden die wichtigsten Zeugnisse der deutschen Dichtung des Hochmittelalters zu sammengefaßt, in denen das große Ringen um ein neues Weltbild, um eine neue Ordnung im Diesseits sich ausspricht, aufgebaul aus Ehre und Treue zum Reich als der allumfassenden Idee, in der das Schicksal des deutschen Volkes gesehen wird und begründet ist. 2n dieser Haltung findet der deutsche Mensch seinen stärksten Ausdruck und seine Einheit von Schicksal und arteigenem Wesen. Lugen »ledert isos Nr. 7t gr-tt AIS erstes Werk dieser Folge erscheint Ende März Hartmann von Aue Epische Dichtungen Herausgegeben und übertragen von Reinhard Fink. In besonderem Geschenkeinband 6.80 ^ie vier großen Epen des schwäbischen Dichters und Ritters legt Reinhard Fink hier vor: den Erec, den GregoriuS, den armen Heinrich und Jwein. Nach langjährigen Studien und Forschungen hak er eine vollkommen neue Übertragung geschaffen, die notwendig war, weil aus der heute vertieften Erkenntnis des mittelalterlichen Menschen der Wahrheitsgehalt dieser Dichtungen weit umfassender erkennbar ist als bisher. Hartmann von Aue hat selbst an einem Kreuzzug teilgenommen und den Ritterschlag erhalten. Ein ungewöhnlicher Reichtum an Erfahrung und Erleben spricht sich in seinen Werken aus. Steht in der weltlichen Ritterdichtung des Erec als tragende Kraft der Gemeinschaft die Ehre im Mittelpunkt, die täglich sich bewähren muß, so wird im GregoriuS die Überwindung von Schuld und Schicksal im gottgeweibten Leben gesucht. Im Armen Heinrich bewegt den Dichter die Frage nach der Gültig keit des Opfers und im letzten Werk, im Jwein, verdichtet er noch einmal die Fülle der Fragen zu einem geschloffenen Weltbild, in dem deutsche Wesensart sich darstellt. Die Aufgaben, durch die allein Ehre erlangt und wiederhergestellt werden kann, rühren an die Urgründe menschlicher Existenz. In diesen Dichtungen treten die seelischen Lebensmächte zutage, die jene Zeit bewegten, als das Rittertum mit seinen Abenteuern fragwürdig geworden und ritterliche Ehre und Art in den heldenhaften inneren Kämpfen ihren stärksten Ausdruck fand. Von diesen Ausgangspunkten hat Reinhard Fink die vorliegende Übersetzung geschaffen und das Werk in einem ausführlichen Nachwort erläutert. Das neue Weltbild, das sich zur Zeit des großen Hohenstaufenkaisers Friedrichs II. um 1220 hier abzeichnet, läßt uns in den Dichtungen Hartmanns von Aue die treibenden Kräfte erkennen, die sich später für die deutsche Geistesgeschichte so entscheidend ausgewirkt haben. Verlag Jena