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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.04.1930
- Strukturtyp
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- 1930-04-17
- Erscheinungsdatum
- 17.04.1930
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- Deutsch
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X: 91, 17. April 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhandel. Da Gerhard Schönfelder als Kenner der Materie anzu sprechen ist, soll hier gegen seine optimistische Beurteilung der Gegenwart nicht polemisiert werden. Auch erstrecken sich seine Berechnungen nur auf ein Teilgebiet. Es ist unstreitig richtig, daß im Büchereiwesen seit 1914 vieles geschaffen worden ist, sodaß der Buchhandel allen Grund hat, mit dem vielseitigen Büchcreiwesen zufrieden zu sein. Aber auch diese Zahlen sind nur absolut zu betrachten, weil ja nicht erfaßbar ist, welche Schichten, die früher das Eigenbuch als selbstverständlich -be- trachtet haben, heute zur Benutzung der Bücherei übergegangen sind. Hierbei müssen wir naturgemäß nicht nur die Volks büchereien, sondern vor allen Dingen die wissenschaftlichen, öffentlichen Büchereien, Seminarbüchereien, Fachbüchereien und ähnliches mit berücksichtigen. 550 Abiturienten hat es diesmal allein in Breslau gegeben. Ich will nicht fragen, in welchen Berufen, die ja alle überfüllt sind, sie Unterkommen werden; ich möchte nur -wissen, wie viele von ihnen als Bücher käufer , nicht als Bücher lcser für uns Buchhändler in Frage kommen. Unsere Aufgabe wird es deshalb sein, baß -wir immer weitere Kreise als Bundesgenossen für die -Verbreitung des Buches -ge winnen. So bitte ich Sie, auch selbst dort, wo ungünstige Er gebnisse für den Tag des Buches vorliegen, unsere Bestrebungen um diesen Tag auffassen zu -wollen. Wenn wir den Tatsachen voll ins Auge sehen, so müssen wir natürlich damit rechnen, daß die öffentliche Hand Kürzungen an ihren Etats wird vor nehmen müssen. Und daß die kulturellen Etatstitel hierbei am leichtesten dem Abstrich des jeweiligen Finanzgewaltigen unter liegen werden, versteht sich von selbst und zwar nach dem alt bekannten Gesetz: Es wird das gestrichen, was den wenigsten Aufstand erregt. Es wird nicht genügen, wenn wir selbst uns hiergegen zur Wehr setzen, da man unsere Einwendungen als merkantil ablehnen wird, auch wenn sie noch -so kulturell ein gekleidet sind. Aus diesem Gründe brauchen wir di« oben er wähnten Bundesgenossen, die gleich uns davon überzeugt sind, daß ein gesunder deutscher Vcrlegcrstand, ein gesundes deutsches Sortiment zum Aufgabenkreis der Volksgemeinschaft gehört. Doch ich will an dieser Stelle nicht ins kulturelle Gebiet ab- -biegen, es kann ja dann in -der Diskussion erörtert werden, wie man diesen Tendenzen wird tatkräftig begegnen können. Abschließend sei mir gestattet, noch kurz einen Blick in die Zukunft zu wagen. Berechtigt, so möchte ich fragen, die augen blickliche Lage zu 'dem nun seit Jahren herrschenden Pessimis mus? Oder ist es angezeigt, vom Silberstreifeu zu sprechen, oder wenigstens an ihn zu glauben? Ich leugne nicht, daß ich mich zu einem gesunden aber vorsichtigen Wirtschaftsoptimismus bekenne. Ich glaube, daß unsere augenblickliche Wirtschafts depression zum Teil auf psychologischen Gründen beruht, zum Teil war das Tempo des Aufbaus von 1924 bis 1926 ein zu sprunghaftes, fast möchte ich sagen, zu amerikanisches, sodaß ein Rückschlag kommen mußte. Die augenblickliche Krise wurde ver schärft, weil große Teil« der Wirtschaft nicht einsehen wollten, wie ungesund ein zu schneller Aufbau (s. Rationalisierungskrise) werden kann. Inwieweit eigenes Verschulden, etwa zu starke Verschleuderung öffentlicher Mittel, zu starker Steuerdruck, hin zukam, soll hier unerörtert bleiben. Da aber in diesen Tagen eine neue generelle Tariferhöhung der Reichsbahn geplant ist, so darf vielleicht daran erinnert werden, daß die öffentliche Hand manchmal Kapitalmethoden anwendet, die jedes Privatunter nehmen unzweifelhaft in schwere Krisen bringen würden. Die Reichsbahn, um bei diesem Beispiel zu bleiben, hat in -den Jahren 1926 rund 4!4 Milliarden Mark, 1927 rund 5 Milliarden Mark, 1928 5,15 Milliarden Mark, 1929 fast 5,4 Milliarden Mar« eingenommen. Sie hat für Erneuerungszwecke in diesen Jahren rund 3 Milliarden Mark ausgegeben und zwar 1925 : 522 Millionen Mark, 1926: 456 Millionen Mark, 1927: 720 Millionen Mark, 1928: 648 Millionen Mark, und 1929: 660 Millionen Mark. Diese 3 Milliarden Mark hat sie fast ausschließlich durch Selbst finanzierung gewonnen, trotzdem es sich bei diesen Ausgaben um Ausgaben handelt, die in anderen Ländern fast ausschließ lich durch langfristige Anleihen gedeckt werden. Hinzu kommt, daß die Quote, nach der bei der Reichsbahn Erneuerungen vor genommen werden, größer ist wie in anderen Ländern. Ich nenne hierfür nur drei Zahlen für die Nutzungsdauer von Ma terial: Reichsbahn: Schweiz: Lokomotiven 28,0 43,5 Personenwagen 38,5 50,0 Güterwagen 35,7 55,5 Belgien: 33,3 40,0 40,0. Aber auch damit nicht genug: ferner verbucht die Reichsbahn alle Ausgaben unter 2000 Mark, auch wenn sie sich auf Anlage ausgaben beziehen, unter -Erneuerungsausgaben und schafft sich so im Etat noch versteckte Anlagenwerte. Es -geht mir bei diesem Beispiel nicht -darum, nachzuweisen, daß die Tarife der Reichs bahn niedriger sein könnten und daß das Finanzierungsproblem der Reichsbahn übertrieben solide ist, sondern ich möchte anhand dieses Beispiels fragen, woher kommt es, daß wir überall die Sucht der öffentlichen Hand finden, Kapital anzusammeln, ver steckte Werte über Gebühr zu schaffen? Ich glaube, daß nicht die Solidität allein hierfür der Ausschlag ist. Es ist vielmehr -das Bestreben weitester Kreise sowohl der öffentlichen Hand wie auch des. Privatunternehmertums, die Verluste der Inflation durch starke Investierungen wieder wcttzum-achen. Die augenblick lichen Kalkulationsmethoden verdienten ein gesondertes Referat. Gerade aber die vorhandene Rationalisierungskrise mit dem zu großen Produktionsapparat zeigt doch, wie gefahrvoll dieser Weg für alle Beteiligten ist. Der Buchhandel muß sich hüten, etwa selbst ähnliche Wege zu -gehen. Er -kann nicht dahingelangen, indem -der Verlag im guten Jahr zuviel Produziert, das Sorti ment bei Absatzsteigerung zu stark einkauft. Daß in der Praxis öfter so verfahren wird, könnte ich anhand -von Beispielen be legen. Hier sei nur auf die Gefahr hingewiesen, weil ja die Lebensdauer der Werte, die wir schaffen resp. einkaufen, sicher geringer ist wie die Lebensdauer von Lokomotiven, Pevsonen- oder Güterwagen. In einem Zeitalter, in dem das Wort geprägt werden konnte, daß nur noch der Exponent einer Machtgruppe an sichtbarem Posten sich befinden darf, in einem Zeitalter, wo die Masse mehr gilt als die Person, hat es ein Berufsstand wie der Buchhandel besonders schwer, seinen Mann zu stellen, da gerade seine wich tigste Aufgabe, trotz aller merkantilen Einstellung und trotz einer merkantilen Betonung seiner Aufgabe, die Auslese ist. So will es mir abschließend scheinen, daß gewisse Symptome der Weltwirtschaft darauf Hinweisen, daß eine Entspannung ein- treten kann, die auch uns Entlastungen bringt. Die Auslese der Einzelbetriebe wird naturgemäß fortfchreiten; deshalb wird die Einzelregsamkeit jedes Berufsangehörigen steigen, denn in heu tiger Zeit ist die Idee neben der Arbeitskraft die beste Kapital anlage. Die Frage des billigen Buches, die Frage nach -der Rationalisierung des Eigenbetriebes, die Nachwuchsfrage, die Frage nach dem Zusammenschluß -des Berufsstan-des bekommt, wie Sie -sehen, von Jahr zu Jahr durch die Verschiebungen in Weltwirtschaft und deutscher Volkswirtschaft erneute Bedeutung. Es gilt ständig dazuzulernen, zu beobachten und umzulernen, und wir hoffen, daß das diesmalige Umlernen ein Hinzulernen im Sinne der Entlastung bedeutet. Mit einem Worte Mirabeaus über unser Menschentum will ich schließen: --Wir Menschen sind eine seltsame Mischung aus dem himm lischen Geist Gottes, der eine unvollkommene und rebellische Materie beseelt. Daher sollten wir niemals weder zu -sehr -be wundern noch zu sehr verachten. Und noch weniger -sollten wir verzweifeln oder hassen. Drei Wege sollen uns zu einer un wandelbaren Nachsicht führen: Das Bewußtsein unserer eigenen Schwächen — die Vorsicht, die sich fürchtet, ungerecht zu sein — und die Lust, etwas Rechtes zu vollbringen, die, da sie die Men schen so wenig wie die Dinge umschmelzen kann, suchen muß, alles, was ist, wie es ist, zunutze zu machen.» sss
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