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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.07.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1915-07-02
- Erscheinungsdatum
- 02.07.1915
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. pss ISO, 2. Juli 1915. Auf letztere ist das Gesetz dom 18. Juni 1840 hinsichtlich seines 8 14 ausgedehnt worden durch das Gesetz vom 12. April 1882 (Ges.-Samml. S. 297). sodaß auch in diesen Provinzen die vier jährige Verjährungsfrist gilt. Wie einer Buchhändler wird. lFortsetzung zu Nr. 149.) Zwischendurch versorgten etliche Witwen die Schulkinder mit den unentbehrlichen »Scholastikalien« und Fibeln. Nicht immer zur Zufriedenheit des sehr streng über die Vorteile sei ner Schuljugend wachenden Lehrers, der sich deswegen auch die Beschaffung der Schul- und Büchereibüchcr für die Schule nicht nehme» lieh. Mit hierbei maßgebend war vor allem wohl die Be sorgnis, daß sich sonst ihm unwillkommene Einflüsse auf die Bü cherauswahl gelten machen möchten. Nach des Lehrers Wunsch sollte eine möglichst tendenzfreie, dabei gesunde und billige Lite ratur die Kost feiner Jugend bilden. Das waren damals in erster Reihe die Jugendschristen von Franz Hoffmann, Gust. Nie ritz und W. O. von Horn. Wie beliebt und begehrt sie waren, ist kaum zu schildern, und ich erinnere mich auch noch heute, welche Kniffe ich anwandte, um über das strenge Verbot, neu erschienene Bändchen vorzeitig durchzuschnüffeln, hinwegzu kommen. In einem richtigen Lehrerhaufe ist, wie in Mörikes Pfarr stube das »Rüchlein Rauchtabak«, immer ein Hauch Bücherdunst bemerkbar. Ist der Hausherr einer der vor 60 Jahren noch ver hältnismäßig nicht so seltenen Männer, die in jedem gewohnten Wirtshausbesuche eine Zeitvergeudung erblickten und nur ihrem Berufe, ihrer Familie und gärtnerisch-landwirtschastücher Be schäftigung lebten, so sind alle Bedingungen dafür gegeben, daß sich um den Herd eines Hauses auch die Musen gern versammeln. Nach »leinen Erfahrungen haben gute Bücher vor 60 Jah ren nicht so spärlich in den Bürgerhäusern Aufnahme gefunden wie ein Menschenalter später und vielleicht noch heute. Wer noch weiter in der Zeit zurückgeht, ist erstaunt, wenn er die manchen Schriften vorgedruckten Subskribentenverzeichnisse durchblättcrt, über das Interesse, das namentlich die Heimatkunde und Landes geschichte in früheren Zeiten gefunden hat. Beispielsweise liegt vor mir ein Band aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, erschienen im Selbstverläge des Verfassers zum Preise von 2 Ta lern, in dem ich eine Namensliste mit 817 Zeichnern finde. Und doch sind eine Anzahl mir als sehr wohlhabend bekannter Dörfer nicht einmal darin vertreten. Im Lehrerhausc zu G. zeugten die übervollen Bücherschränke und -gestelle von der Wertschätzung geistiger Güter. Eine höchst vornehme Ausgabe von Schillers Werken in zwölf Lederbänden behauptete den Ehrenplatz unter der nichtpüdagogischen Literatur. Für das Bedürfnis der Heranwachsenden Jugend des Hauses war durch eine Menge von unterhaltenden und belehrenden Schriften gesorgt. Von den Zeitschriften wetteiferte in der Gunst der jüngeren Leser noch eine Zeitlang mit der damals aufkom- mcnden »Gartenlaube« das alte Brockhaussche »Pfennig-Maga zin«, jener Vorläufer unserer nun so ausgedehnten illustrierten Zeitschriften, den »Pierre Bossange sBossange Pöre) ans Paris mit so großem Erfolge auf deutschen Boden verpflanzt hatte. All mählich trat es zwar neben der glänzenden »Gartenlaube« in den Schatten. Dagegen hat sich das humoristische Ersatz- und Bei blatt aus dem Keilschen Verlage, der »Dorfbarbier«, in der Gunst des niederdeutschen Publikums nicht einbürgern können, weil Ton und Sprache zu süd- und mitteldeutsch gefärbt wären. Von Meyers Universum waren bei uns nur die Kupfer beliebt; der trockene Text wurde gemieden. Ein unerschöpflicher Born der Unterhaltung war dagegen der unsterbliche Robinson; er gewann in unserer Phantasie umsomehr an Leben, weil die Erzählungen heimkchrender Schiffer, in das übliche Schiffcrgarn cingespon- nen, den Erlebnissen des abenteuernden Einsiedlers immer neue Formen und Farben verliehen. Mit Robinson wetteiferten in unserer Beliebtheit die deutschen Sagen, vor allem die Siegfried- sagcn, und die Erzählungen aus der Frühzeit unserer Geschichte, von Armin und Thusnelda. Dem griechisch-römischen Sagen kreise vermochten wir wenig Geschmack abzugcwinnen, an jene 946 reichten in unserer Gunst die Helden der Ilias nicht entfernt heran. In meiner Vorstellung auch nicht an die göttergleichen Recken der indischen Sage, deren im Mahabharata und Ramajana geschil derte Kämpfe ich mit heißem Mitgefühl nacherlebte. — Bemer kenswert ist mir noch, daß die Märchen von Grimm u. a. zwar ebenfalls sehr gem gelesen, aber doch unendlich viel lieber er zählenderweise genossen wurden. Und dafür fanden wir in der sog. »Weberei«, unserem uralten Nachbarhause, die richtige Umge bung. Ein geräumiges halb bäuerisches Haus, dessen Tenne man unmittelbar durch die Eingangstür betrat, mit einem einzigen gro ßen Wohnraume, der zugleich als Küche und mit seinen Beltkojen auch als Schlafgemach diente; von dem Deckenbalken in der Mitte der Stube hing an einer Kette eine dreieckige Olschale herab, deren trübe Flamme die am Herde um das Torfseuer kauernde Kin derschar beleuchtete. Daneben die Kartoffeln schälende, strickende oder flickende Frau des Taglöhners, plattdeutsche Märchen erzäh lend, — welche passendere Umwelt wäre für die Gestalten der Volkspoesic auszudenken? Bis auf den Boden des Schulhauses, sonst «in Gebiet der Lehrersgattin, erstreckte sich die Bücherei des Lehrerhauses. Dort lagerten in einem Gestell die aus der Hauptbücherei ausgesonder ten und durch gelegentlichen Zukauf erworbenen Bücher. Als ge wichtigste der Nummern ist mir eine zu Ende des 18. Jahrhunderts erschienene deutsche Ausgabe von Gibbons Geschichte vom Verfall und Sturz des römischen Reiches, in 6 Quartbänden, in Erinne rung, nicht wegen ihres Inhalts, sondern weil sie, aufeinander geschichtet, mir die fehlende Sitzgelegenheit beim »Schmökern« in der Einsamkeit zu ersetzen Pflegte. Nebenher war dieses Lite- raturerzeugnis mit einer Ausnahme das einzige, das mich auf den Gedanken brachte, es müsse doch ungemein viel Geld zwecklos ver druckt worden sein. Das andere Beweismittel für Verlegerver schwendung schöpfte ich aus meinem persönlichen Bücherbesitze, und zwar in Gestalt eines Buches, von dem mir nicht mehr gegen wärtig, auch nichts weiter bekannt geworden ist, als der Titel. Und an ihm hatte ich »gerade genug«. Er lautete: »Bitte! Bitte! Lieber Onkel, liebe Tante! Schenke mir dieses allerliebste Buch mit den schönen Erzählungen und Bildern« usw. — aus Otto Spamers Verlag. Wer aus meiner Freundschaft auf den Ge danken gekommen war, mir dieses Buch zu schenken, ist mir nicht mehr erinnerlich, von meinen nächsten Angehörigen war es sicher lich keiner. Genug, in mir erregte der albeme Titel ein gerade zu körperliches Unbehagen, das sich selbst bei der Vorstellung, ich könnte durch den Inhalt angenehm enttäuscht werden, nicht ver lor. Übrigens war dies auch nicht der Fall, und so ist denn dieses Buch das einzige in meinem Besitze geblieben, das ich nicht ein mal flüchtig gelesen habe. Ein drastisches Zeugnis für die Wich tigkeit des Titels für ein Buch. Die fünfziger und ersten sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind besonders reich an politischen Flug schriften. Ich entsinne mich, daß der Name »Bismarck« um das Jahr 1860 herum immer häufiger in unserem Haufe genannt wurde, und zwar stets in Verbindung mit leidenschaftlichen po litischen Erörterungen, durch die sich die besten Freunde entzwei ten. Die unpolitischen Männer und vor allem die Frauen empfan den es als eine Wohltat, daß uni dieselbe Zeit Fritz Reuter als Stern am Himmel des niederdeutschen Schrifttums aufging und den politischen Hader dann und wann ablenkte. Was für das friedliche Gebiet bürgerlichen Stillebens dieser Meister der deut schen ländlichen Kleinweltmalerei in Niederdeutschland bedeu tete, läßt sich kauni in Worte fassen. Märchen, Anekdoten und Geschichten in plattdeutscher Mundart waren uns zwar von jeher vertraut. Sie waren selten gedruckt zu haben und wurden fast noch seltener gelesen, denn es ist eine allbekannte Tatsache, daß das »Volk« — in diesem Falle die Gesamtheit der Mundart Re denden — diese recht eigentliche Werktagssprache nicht so gern in ihrem bescheidenen Gewände öffentlich vorgeführt sieht wie bei sich zu traulicher Zwiesprache empfängt. Darum sind mund artliche Vorträge auch so erheblich beliebter als das Lesen solcher Bücher. Selbst bei Fritz Reuter und Hebel ist es so. Was aber jenen so rasch zu allgemeiner Beliebtheit erhob, das war seine Universalität in der Schilderung des vollen blühenden Menschen lebens um uns her mit all seinen Wechselfällen, seinen täglichen
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