Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. HerauSgegeben von den Deputieren des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börfenvereins. M 55. Freitags, den 12. Juni 184«. Der sächsische Preß-Gesetz-Entwurf. Die Vermulhung, welche man seit längerer Zeit im Pu blikum gehegt, die sächsische Regierung werde den in die Kam mern gebrachten Preß-Gesetz-Entwurf zurücknebmen, ist in Er füllung gegangen. In der Sitzung vom 5. Juni befand sich auf der Registrande der zweiten Kammer das hierauf bezügliche Regierungs-Dccret, nachdem der vom Abgeordneten To dt er stattete Deputations-Bericht Tags früher im Drucke erschienen und an die Kammer-Mitglieder vertheilt worden war. Wir halten diese Regierungs-Maßregel für so sehr in der Natur der Sache begründet, daß wir die Ansicht nicht theilen können, als ob die Regierung erst durch das Deputations-Gutachten dazu be stimmt worden sei. Die öffentliche Meinung hatte sich aus eine zu entschiedene Weise gegen diesen Preß-Gesetz-Entwurf aus gesprochen, und darum ist wohl mit Bestimmtheit anzuneh men, daß die Negierung schon früher die Zurücknahme be schlossen, ehe die Deputation ihre Arbeit beendet hatte. Wenn cs auch auf den ersten Blick befremden mag, daß man die De putation eine so schwierige und umfassende Arbeit, als welche sich der Bericht herausstcllt, scheinbar vergeblich beenden ließ, so wird man doch bei näherer Betrachtung des Berichts der Regierung Dank zollen, daß sie eine so gründliche und durch weg lichtvolle Darstellung der divergircnden Ansichten und Meinungen über die Angelegenheiten der Presse zu Tage för dern ließ. Auch der Abgeordnete Todt äußerte sich in der Sitzung vom 5. Juni in diesem Sinne, indem er sagte: es verletze ihn nicht, daß die Mühe, welche die Deputation und insonderheit er als Referent auf die Begutachtung des Gegen standes verwendet habe, nun umsonst aufgewendct zu sein scheine. In der Wirklichkeit sei dies doch nicht der Fall, denn cs biete der Deputationsbericht wenigstens Material für die Zukunft. Bevor wir nun an die Miltheilung des Berichts gehen, wollen wir noch unverhohlen unsre Freude über die Zurück nahme des Gesetz-Entwurfs ausdrücken. Mag das Provi- 7r Jahrgang. svrium, so lästig, so beengend, so wenig entsprechend den An sorderungen der Zeit und den Ansprüchen des sächsischen Vol kes cs auch ist, fortbestchen, es wird immer erträglicher sein, als ein Prcß-Gesetz, gegeben durch die Vertreter des Landes, dessen erster Paragraph nicht Preßfreiheit garantier. Bericht der Deputation der zweiten Kammer über den Preß-Gesetz-Entwurf. Preßfreiheit oder Eensur? — Das ist die wichtige und schwierige Frage, die in Deutschland seit einer langen Reihe von Jahren — in Kabinetten und landständischen Kammern, in Druck und Schrift und mündlich — verhandelt worden ist, ohne zur Zeit noch eine gnügende Lösung und Beantwortung gefunden zu haben. Während die Einen die Behauptung auf stellen, Eensur sei nothwendig zur Erhaltung „der inncrn Sicherheit und Wohlfahrt des Staates, ja selbst zum Rcchts- schutzc der einzelnen Staatsbürger", zeigen Andere das Gcgen- thcil, erörtern Andere das Recht, wie den Werth und die Nothwendigkeit einer freien Gcdankcnmitthcilung vermittelst der Presse unter Berufung auf Natur und gegebene Zusage, unter Hinweisung auf Beispiele und Erfahrung. Und in der That — wie verschieden auch die Ansichten über das Walten und Wirken der Presse, je nach dem Eultur- grade ihrer Beurtheilec und deren Steilung in der bürgerli chen Gesellschaft, nur immer sein mögen — soviel leugnen auch die Gegner der Presse nicht ab, daß sie einen entschiede nen Einfluß auf die geistige Entwickelung und Heranbildung der gesummten Menschheit ausgeübt habe und noch fortwäh rend ausübe. Aber nicht hierin allein besteht ihr hoher Werth. Sic dient auch zum Schirme des Rechtes, zum Schutze gegen die Gcwalkmaßregeln der Mächtigen; denn nicht genug, daß , sic diejenigen, welche das Gesetz verletzt oder Willkühr geübt , haben, ans Licht des Tages zieht, vor den Richterstuhl der öf fentlichen Meinung stellt, so hält sie eben Hierdurchzugleich alle klebrigen, welche Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung 96