für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. H e r a u s g e g e b e n von den Deputaten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börscnvcrcins. 86. Dienstags, den 28. September 1841. Uebcr Censoren. (Aus den sichs. Vaterland Martern.) Es giebt verschiedene Classen von Censoren. Die erste Classe besteht aus denen, welche die Censur aus Ucberzeu- gung billigen und mit Ueberzeugung ausüben. Diese Zahl ist jedoch bei weitem die kleinste. In der Regel sind cs orthodoxe Fanatiker, tief von der Sündhaftigkeit und dem Verderben des Menschengeschlechts überzeugt. Am liebsten möchten sie jedes Wort streichen, was nicht mit Bibel und Katechismus übereinstimmt. Kann man einen Tadel der Regierung mit einer Bibelstelle belegen, so hat man gewon nenes Spiel. Diese Leute sind nicht servil, sondern fanatisch. Es ist jedenfalls die achtungswertheste Elaste der Censoren. Die zweite Elaste besteht aus jenen willen- und überzeu gungslosen Geschöpfen, die weiter Nichts sind als willen lose Werkzeuge in der Hand des Mächtigen. Sie sind Cen soren, weil sie dafür bezahlt werden, und würden gegen Titel und Bezahlung jeden andern Dienst übernehmen. Von Gewissen ist bei ihnen keine Rede, statt dessen haben sie ihre Instruction; Ueberzeugung kennen sie nicht, sondern nur das Beifalllächeln oder das Mißfallen der Mächtigen. Dieses Letztere ist daher auch die einzige Richtschnur, nach der sic bei Ausübung ihres Amtes verfahren. Sie fragen nicht: was ist nützlich oder schädlich, was recht oder unrecht? sondern: was wird gewünscht und was wird nicht ge wünscht? Diese zweite Elaste, die überhaupt die Mehrzahl unsres Bcamtenstandes ausmacht, ist unter den Censoren natürlich die bei weitem zahlreichste. Sie pflegt in der Regel viel mehr des Guten zu thun, als man selbst von oben her wünscht. Um sicher zu gehen, streicht sie lieber hundert unschuldige Stellen, ehe sie eine einzige problema tische durchläßt, die an einem dritten oder hundertsten Orte Mißfallen erregen könnte. Ein treffliches Geschlecht, diese Censoren! 8r Jahrgang. Die dritte Elaste besteht aus solchen, welche die Censur nicht billigen und wohl wissen, daß die Entwicklung des menschlichen Geistes und des socialen Zusammenlebens sich nicht auf diese Weise leiten und lenken läßt. Sie wissen recht gut, daß ihre Schecre die Flachheit, die Gemeinheit, die Charakterlosigkeit im Allgemeinen nicht beschneiden kann, und daß das, was sie streichen, keineswegs im nexus des geistigen Prozesses als etwas absolut Schädliches betrachtet werden darf, indem sie die Wirkung davon, die Reaction, die es Hervorrufen könnte, nicht vorher berechnen können. Sic wissen recht gut, daß dem Menschen über das Wort und die Gesinnung seines Nebcnmenschen wohl ein Urtheil, keines wegs aber ein Verbot, eine Fessel zuste!)t. Sie fühlen, daß in ihrem Amte eine unchristliche Arroganz liegt, aber sic treiben das Geschäft des Censors aus einem sogenannten politischen Grunde. „Wenn wir nun uns nicht zu Cen soren hergäben", so raisonniren sie, „so würden cs Andre thun, die weit schlimmer und serviler verführen, als wir. Eben damit manches freie und gute Wort passiren könne, haben wir das Amt angenommen. Wir opfern uns für die Freiheit auf; wir sind so gute Patrioten, daß wir selbst unsre Ueberzeugung, unfern Charakter dem allgemeinen Be sten zum Opfer bringen." Die Zahl dieser sich aufopfernden Censoren ist nicht klein, und wird, wenn die Censur noch länger dauert, wahr scheinlich noch wachsen. Wir brauchen das Raisonne- mcnt dieser edcln Vaterlandsfreunde, die lieber selbst unge recht sind, damit nicht Andre noch ungerechter sein möch ten, nicht näher zu beleuchten. Es schmeckt etwas stark nach der Schule Loyola's. Aber der Staat mag daraus er sehen, zu welchen krankhaften Abweichen und sophistischen Ausgeburten er seine Angehörigen treibt, wenn er ein sitt liches Bedürfnis auf längere Zeit zurückhält; das Unsitt lichste wird in ein moralisches System gebracht, wenn cs 155