Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.06.1842
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- 1842-06-03
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- 03.06.1842
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1275 52 1276 lichen Gesellschaft, ohne vorläufige Garantien: von ihm zu fordern. Verstößt er gegen deren Gesetze, so ist es immer noch Zeit, ihn unschädlich zu machen. Aber die geistige Aeußerung hat von vornherein einen schlimmen Verdacht gegen sich. Man hält den Gedanken so lange für gefährlich, bis er ein Zeugniß seiner Unschäd lichkeit beigebracht. Der Gedanke wird so angesehn, als ob er mit einem '1.V. gestempelt auf die Welt gekommen wäre. Diesem ungünstigen Vorurthcile gegen die Presse liegt die richtige und schmeichelhafte Ueberzeugung von ihrer Macht zu Grunde, aber man übertreibt dieselbe. Die Presse ist darum eine solche Macht, weil sie das Or gan der öffentlichen Meinung ist; sie ist sogar deren Haupt- vrgan und wirkt schneller und mächtiger als die weiland Fama. Aber sie ist nicht die öffentliche Meinung selbst; sie ist vielmehr deren Dienerin; diese dictirt ihr täglich ihre Bul letins, und es würde ihr schlecht bekommen, wenn sic sich gegen ihre Herrin auflehnen wollte. Also — dicß ist ein Hauptpunkt, der nicht aus dem Auge gelassen werden darf— die öffentliche Meinung ist eine von der Presse unabhängige Macht, welche sich im Nothfallc auch ohne dieselbe behelfen kann. Wenn ihr dieses Werk zeug entgeht, so stehn ihr auch andere zu Gebote. Eine öffentliche Meinung ist überall gewesen und wird überall sein, auch wo es keine freie Presse giebt, denn jene ist nichts Anderes als das Gesammrbcwußtsein des Volkes und der Zeit. Auch läßt sie sich nicht unterdrücken. Wer den ihr die Zeitungen genommen, so flüchtet sie sich in die Bücher über 20 Bogen, auf die Katheder, in die theologischen und literarischen Zeitschriften. Wird sie auch hier beengt, so bleibt ihr die mündliche Mittheilung, und die ist unsicherer und schwerer zu überwachen als die schriftliche Aeußerung. Wird auch die mündliche Aeußerung eingeengt, so preßt sie sich vermöge ihrer wunderbaren Elasticität in einen Seufzer zu sammen, und ein solcher Seufzer ist das AUergcfährlichste, was es giebt. Wenn also die Presse Gift producirt, so wird cs durch das Zusammcnpressen nur sublimirter, ätzen der, corrosiver. Wozu helfen nun die Präventiv-Gesetze? Aufrichtig ge sagt, zu sehr wenig. Denn wo Gährstoff vorhanden ist, da verbreitet er sich auch ohne die Presse. Wenn die Art am Baume liegt, so findet sich immer Jemand, der sie in die Hand nimmt und den Schlag vollführt. Ist ein gesellschaft liches Gebäude untcrhöhlt, so fällt es in sich selbst zusammen. Kann man hiernach glauben, daß es in der Macht der Journale steht, Revolutionen und Aufruhr anzustiften? Nichts ist thörichter. Revolutionen hat es gegeben, ehe es eine Presse gab. Die Staaten des Alterthums sind zu Grunde gegangen ohne die Schuld der Journale. Das Christenthum, die größte der Revolutionen, hat sich ohne Presse verbreitet. Der Reformation ist sie auch nur wenig zu Gute gekommen. Aber die Französische Revolution? Soll die etwa durch die Presse gemacht worden sein? Vor- urtheil! Nickt die Presse, sondern Ludwig XIV., die Mai- tressenwicthschaft, die Tborhcit der Vornehmen, die Schwäche der Regierung haben die Revolution gemacht. Hat man nicht die Bücher der Encvclopadiste» durch Henkershand ver brennen lassen? Was hat's aber geholfen? Osssnte csuss cossst ekkectus. Wo kein Brennstoff vorhanden ist, da kann auch keine Feuersbrunst ausbrechen. So ist's aber: die mitwirkenden Ursachen hält man immer für die Haupt ursachen. Aber soll die Religion, soll die Sittlichkeit und die Moral ungestraft angegriffen werden dürfen? Welche Blasphemie liegt in der Annahme, daß das an und für sich Wahre durch frivole Angriffe unterdrückt werden könne? Wir müßten schlechtes Zutrauen zu der Religion und der Sittlichkeit ha ben, wenn wir glauben könnten, daß sie nicht stark genug wären, sich allein zu schützen; wir müßten an der Mensch heit verzweifeln, wenn wir glauben könnten, daß sie sich das ewig Wahre und Göttliche durch Sophistereien würde ab- schwatzcn lassen." Mannigfaltiger. Die Lcipz. allg. Zeitung meldet aus Berlin vom 27. Mai: Eine soeben erschienene Verfügung des Ministeriums des In nern gib! den Obcrpräsidenten der verschiedenen Provinzen auf, Berichte über den inncrn Gehalt, Geist und Charakter der ver schiedenen in ihren Amtsbezirken erscheinenden Z ei ts ch r istc n zu erstatten, indem daraus ein geistiges Bild der Provinz und ihrer Culturzuständc hervorgehe, das der aufmerksamsten Be achtung werth sei. Die Beachtung dieses wichtigen Thcilcs der Literatur auf solche Weise kann nur erfreulich sein und würde gewiß die trefflichsten Resultate erzeugen, vorausgesetzt, daß die geistige Entwickelung in der periodischen Presse auch nur durch diejenigen Schranken gehemmt werde, die sich der Vernünftige und Gebildete selbst auflegt, und die auch bei einer vollständi gen Freiheit der Presse nie überschritten werden sollten. Doch ! so lange die Censur noch mit allzu großer Acngstlichkcit die Gedan ken und Meinungen überwacht und nach fremder Norm modeln jill, dürfte das Abbild der geistigen Physiognomie eines Lan- destheiles, das aus den Berichten über die Tagespreise ent nommen werden soll, meistens kein sonderlich getroffenes sein- jedenfalls darf man diese Verordnung als ein Symptom be frachten, daß die Wichtigkeit der Tagesliteratur mehr und mehr anerkannt wird, und ist denn zu offen, daß man ihr auch allmählig, und besonders durch das binnen kurzem zu erwar tende Censur - und Prcßgesetz diejenige Stellung cinräumen werde, die ihr gebührt. — Ein verläumdcrischcr Druckfehler. „Gocthe's Eitelkeit übersteigt aber doch wirklich alle Begriffe," äußerte neulich eine Dame; „setzt er cs doch sogar als eine ganz ent schiedene Sache voraus, daß selbst die Engel nicht unterlassen könnten, dereinst um seinen Tod Trauer anzulegcn." Ein ei friger Verehrer des Dichters, der dies hörte, sich aber einer derartigen Aeußerung Goethes durchaus nickt erinnern konnte, bat um nähere Angabe der getadelten Stelle. Gocthe's Werke wurden in der zweibändigen Großquartausgabe herbei geholt; die Dame schlug den ersten Band vorn auf und las den Schluß der „Zueignung:" „Und dann auch soll, wenn Engel um uns trauern, Au ihrer Lust noch uns're Liebe dauern." Nun fand die ganze geistreiche Gesellschaft, daß die Anklägerin vollkommen Recht habe, bis der Vertheidiger endlich erklärte, daß in allen übrigen Ausgabe» zu lesen stände: „Wenn Enkel um uns trauern." lHumorlst.) Verantwortlicher Ncdactcur: I. de Marie-
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