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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.12.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-12-15
- Erscheinungsdatum
- 15.12.1915
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- Deutsch
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- Saxonica
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Redaktioneller Teil. 291. 15. Dezember 1S1H. wohlfeilen Sammlungen, wurden bevorzugt, aber ich erinnere mich, daß damals ein abgegriffenes Exemplar von Smiles, Charakter durch zahlreiche Hände ging, daß man sich um Schillers Don Aarlos und Fiesko ritz. Weiter gab es vor Jahresfrist zumeist Witzblätter, aber auch ich machte die Erfahrung, daß man sie schnell zur Seite schob. Man wurde anspruchsvoller und nahm vielfach an der Disharmonie zwischen der Wirklichkeit des Krie ges und ihrer Schilderung Anstoß. Umso freudiger begrüßen wir immer wieder gute illustrierte Zeitschriften, die mit belehrenden Aufsätzen und der Wirklichkeit entsprechenden Bildern den Zeit ereignissen schnell folgen. Allgemein erfreut sich besonders die »Jugend« dankbarer Aufnahme. Ihre farbenfrohen Bilder be leben die Quartiere der Vorgesetzten und Mannschaften. In einem mittelgroßen Feldlazarett unweit der Front fand ich noch in diesem Juni unter den dort von Kameraden zurllckge- lassenen Büchern manches Gute, aber in völlig abgenutztem Zu stande. Dort und in den Ortskrankenstuben, auf der Wache und in den kargen Mußestunden der Ruhetage äußert sich die Nach frage »ach Lesbarem, ausgehend von Leuten, die früher zur grö ßeren Hälfte ein solches Bedürfnis nicht kannten! Ihm Rechnung zu tragen wurden zunächst Freunde und Ver wandte zu Rate gezogen, oft mit wenig erfreulichem Ergebnis. Man sah damals viel Warenhausliteratur, meist ungeeignet und oft von noch minderwertigerem Inhalte, als die äußere Aus stattung erwarten ließ. Es war die Zeit, da Diderots Nonne und Verwandtes mir auf Schritt und Tritt begegneten. Da freute man sich der zahlreicher auftauchenden guten Reclambände, selbst der Ullstein-Romane, die stets der Allgemeinheit zugute kommen. In gleicher Weise von allen Schützengraben-Nachbarn mitgelesen wurden die Fachzeitschriften, Vereins- und Gemcindeblätter der einzelnen Kameraden. Ich selbst habe neben der ».Hilfe« und dem »Volkserzieher« den »Transportarbeiter« und den »Arbeiter-Rad fahrer« studiert — nicht zu meinem Nachteil. Das gleiche Lese publikum finden auch die kirchlichen Blätter beider Bekenntnisse, in denen leider der Feldsoldat allzu oft volles Verständnis für seine Fragen und Nöte, eine derbere, männlichere Sprache ver mißt. Langsam, allzu langsam sind dann die Volksbildungsvereine, Büchersammelstellen u. a. auf den Plan getreten. Durch ihre Vermittlung erhielt im Mai jede Kompagnie unseres Regiments etwa 25 Hefte (Cottasche Handbibliothek, Jnselbücher, Ju gendbücher, Schatzgräber, Wiebadener Volksbücher), die ihr zur Freudenquelle wurden. Sie bildeten den Anfang einer kleinen Kompagnie-Bücherei, die sich hauptsächlich durch die Spenden der Offiziere und Kameraden dürftig wetterentwickelte. Ein verwundeter Unteroffizier benutzte einen Genesungsurlaub, seine Vereinsbrüder daheim um Bücher zu bitten. Er ergatterte dort eine ganze Zahl aus Privatbesitz und erfreute uns auch mit einer Reihe guter neuerer all Koo erstandener Bücher. Der so verbesserte Besitz der Kompagnie fand nun leider seinen Platz im Geschäftszimmer des gestrengen Feldwebels. Dorthin geht der Mann an sich nicht gern, und außerdem verbringt die Kompagnie von vierundzwanzig Tagen nur vier Ruhetage in seiner Nähe. Wie so oft sind auch hier die erschwerten Möglichkeiten der Benutzung der Bücherei sehr nachteilig. Ihre schöne Kriegsaufgabe, zu unterhalten und zu belehren, zu trösten und zu erbauen, bleibt größtenteils un erfüllt. Vor einigen Monaten erfuhr ich von der beabsichtigten Grün dung einer Negimentsbibliothek, die den Angehörigen aller Kom pagnien zur Verfügung stehen sollte. Trotz vielfacher Nachfragen ist es mir nicht gelungen, etwas von ihren Beständen zu sehen oder zu erfahren. Gerade in diesen Wintermonaten wäre ihre Einrichtung von vielen Kameraden mit Freude begrüßt worden. So lauscht man im Schützengraben weiter aus, was das Schick sal dem einzelnen spendet. Ich war glücklich, dabet der Gebende zu fein, und nahm mit Stolz auch das Lob entgegen, das man den seinen Aufsätzen des unvergeßlichen Karl Storch und unseres Armterungssoldaten Riebicke dankbar spendete. Die köstliche Geschichte vom Kuhhandel konnte ich natürlich meiner Wache auch nicht vorenthalten. Diejenigen aber, die in unserem Etappenort bei irgend einer Sonderbeschäftigung (in Küchen und Geschäfts- 1828 zimmern, beim »Lichtspielhaus« oder Verpflegungsmagazin, im Wasser- oder Elektrizitätswerk, auf Wachtposten und anderswo) sind, dort auch mehr Zeit und Ruhe haben, dürfen mit der sich ihnen bietenden literarische» Versorgung in Anbetracht des Krie ges und unserer Entfernung vom Lande der Kultur voll zufrieden sein. Auf Veranlassung des Divisionsgeistlichen ist im Soldaten heim eine reichhaltige Bücherei im Entstehen. Sic entbehrt nicht der unvermeidlichen stattlichen Reihe alter Gartenlaube-Jahr gänge, zählt aber bereits mehr als tausend Bände zumeist neueren Ursprungs. Hier begegnete ich auch der ersten und einzigen Spende aus Anlaß der Bücherwoche, die an unserer Kompagnie leider spurlos vorübergegangen war. Die wertvollen Auswahl bände der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung lassen freilich den Kundigen die umfangreicheren oder vollständigen Ausgaben eines Dickens, Ganghofer, Raabe, Reuter, Rosegger, Scheffel und Scott vermissen. Len Grundstock der Bücherei bildeten hier zwei dankenswerte Stiftungen, welche Sammlungen zweier höhern Schulen in berühmten Industriestädten erbracht haben. Für ihren Fortbestand und Ausbau mag man gleich treue Fürsorge herbeiwiinschen; auch fehlt ihr noch der sachkundige Leiter. Die Bllchcrausgabe erfolgt täglich um die Mittagsstunde, und ich be gegne dabei stets einer Anzahl Kameraden aller Waffen, über deren verständige Wahl ich mich freue. Frage 3. (Welche Bücher werden im Felde gelesen, und welche Wandlung haben die kriegerischen Verhältnisse auf die Heeresangehörigcn hinsichtlich ihrer Lebensanschauungen und ihrer literarischen Bedürfnisse ausgellbt?) Ich wunderte mich oft über das Interesse an den Naturwissenschaften, das sich beim sogenannten »kleinen Mann« findet; so gehören auch hier die Kosmos-Veröffentlichungen zu den gern gelesenen Schriften. Dann drängt Zeit und Erleben zur Orien tierung über Deutschtum und Christentum. Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, seine und Moltkes Briefe, Rohrbachs Deutsch gedanke; Herzog, Preußens Geschichte; Lhotzky, Vom Erleben Gottes sind hier die Wegweiser. Was einst die Väter von ihrem Kriegsanteil 1870/71 berichteten, sucht man heute gern in Len Büchern von Klein, Leitzen, Tanera und ähnlichen. Ich selbst er lebte bei Ratzels Kriegserinnerungen und Rindfleischs Feld briefen Stunden tiefster Freude und vaterländischer Erbauung. Damaschkes Bodenreform, wovon einzelne Hefte schmutzig und zerlesen im Lesezimmer liegen, interessiert jeden, reizt immer zu persönlicher Stellungnahme und führt zum Gedankenaustausch. Solche Anregung erwartet man vielfach hier vom Lesestoff, des halb fällt Wertloses und Schlechtes gar bald unter den Tisch. Schickt gute Bücher, ernste und heitere, alte und neue ins Feld, es wird ihnen nie an dankbaren Lesern fehlen! Wandlungen der Lebensanschauungen festzustellen, erscheint mir zu früh. Man sieht überall Anläufe, hört von ernsten Vor sätzen. Ob sie nach beendetem Kriege Wider mancherlei Hem mungen zum Siege gelangen? Mir scheint, hier bildet der Krieg Meinungen und Kräfte, die nach dem Friedensschluß doppelt weit herziges Verständnis und zielbewußte Führung verlangen. Hier harren gewaltige Aufgaben aller Volksbildner, damit dem Vater lande und der Kirche segensvolle Früchte dieser Aussaat erstehen. Wandlungen in den Beziehungen zum Schrifttum sind da gegen bei einer stattlichen Zahl der Kameraden zu beobachten; unverbesserlich blieben nur die Dauerskatspieler. Der Wunsch, eines der gelesenen Bücher zu besitzen, es mit dem Vater, der Gattin oder Braut zu teilen, taucht immer wieder auf. Oft be merkt man eine Beschämung darüber, so gute Unterhaltung bisher nicht geachtet zu haben. Durch Vorlesen sind vielen Wil helm Busch, Reuter, Seidel zum erstenmal recht bekannt geworden; inmitten anstrengender Arbeit, Sorge und Gefahr gab es eine frohe, verklärte Stunde. Wer solchen Schatz, solch aufmunternden Zuspruch doch auch daheim besäße! — Wir werden im neuen Deutschland bald ein gut Teil mehr Bücherkäufer haben, wenn wir die sich uns schüchtern Nähernden durch freundliches Wesen und guten Rat zu fesseln wissen. Hier sind tausend zukünftige Gründer deutscher Hausbüchereien! Frage 4. (Welche Wege wären von dem Buchhandel zu bcschrcitcn, um die im Felde stehenden Offiziere und Mannschaften zu veranlassen, ihren Angehörigen zu Weihnachten Bücher statt
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