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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.07.1843
- Strukturtyp
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- 1843-07-04
- Erscheinungsdatum
- 04.07.1843
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- Deutsch
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1949 61 1950 ging vor seinen scharfsichtigen Augen vorüber, ja riß ihn dul dend und kampfend mit in ihren Strom hinein. Weil er ungemein empfänglich war für alle Bewegungen der Littcratur, die er um ihrer selbst willen liebte, weil er jede Entwicklungsstufe, soweit dieß einem Laien möglich ist, in sich selbst mit durchmachte, weil er einen sichern Takt besaß, das Bedeutende herauszusinden, brauchte er nicht lange nach- zusinncn, wie erden Ansprüchen des Publicums entgegen komme» müsse, ec selbst fühlte sich als Theil des Publicums und so konnte er auch als Buchhändler nicht hinter der Zeit Zurückbleiben, sondern mußte ihr eher voranschreiten. Eben so wußte er bei den vielen äußern Veränderungen der Um stände, die er erlebt hat, mit sichcrm Blicke und rascher Entschlossenheit alsbald seinen Platz zu wählen und sein Verfahren abzumessen. Als z. B. Hamburg mit der ganzen Nordwestküste Deutschlands dem granck ein^ira sel. Anden kens einverleibt und der Buchhandel den strengsten Mauth und Censurbeschränkungen unterworfen wurde, verlor er we der den Muth noch den Kopf, noch zog er sich grollend in sich zurück, sondern ehe noch jene Zwangsmaßregeln in Kraft tre ten konnten hatte er ein großes Eommissionslager von deut schen Büchern nach Hamburg geschafft — dieß ist der Ur sprung der Hamburger Disponenden — und als jene Ab sperrung im Gange war, wußte er ihr bald die schwache Seite abzugewinncn und der deutschen Littcratur einen Ka nal offen zu erhalten, durch den sie sich ungehemmt über die abgerissenen Landestheile verbreiten konnte. Dadurch wurde sein Geschäft der Stapelplatz für den ganzen Nordwestcn und versorgte selbst viele Buchhändler bis nach Amsterdam . hin mit deutschen Büchern; es war vielleicht nie blühender und gewinnbringender als während dieser Periode. Den noch, als im Jahr 1813 der Ruf der Freiheit erscholl, war er einer der ersten Hamburger, die ihm folgten, und als bald darauf die Franzosen das verrathenc Hamburg wieder besetz ten, stand er mit an der Spitze der entschlossenen Männer, die mit den Waffen in der Hand auswandertcn und auf frem dem Boden erklärten „wo wir sind, da ist Hamburg" und für ihr Hamburg die Zusicherung künftiger Unabhängigkeit erlangten, noch ehe es vom Feinde geräumt war. Endlich in die von Davoust beraubte und ausgesognc Stadt, in sein zerstörtes, geplündertes, ein Jahr lang unlerbrochnes Geschäft zurückkehcend, der Früchte langjähriger Anstrengungen be raubt und in der Nothwendigkeit, von vorn wieder anzufan- gcn, besann ec sich auch nicht einen Augenblick, was er zu thun habe, bot er seinen Gläubigern keine Art von Accord, wies selbst freundschaftlich angebotene Unterstützungen zurück, sondern erbat sich bloß von seinen Eollegen im Buchhandel ein Jahr Stundung ihrer Forderungen, und löste nach Ab lauf dieser Frist alle seine Verbindlichkeiten vollständig. Dieselbe klare Entschiedenheit, die ihn als Sortiments- Händler ausgezeichnet, bewies er auch im Vcrlagshandel. Immer wußte er, was er wollte, und was er trieb, das trieb er mitganzer Seele. Das Fach, welches er, durch eigne Neigung bestimmt, sich als das Haupt feld für seine Unternehmungen auserschen hatte, war die Geschichte. Das große Unternehmen, auf welches er sich eigentlich als Verlagshändler ctablicte, war die „Geschichte der europäischen Staaten", wozu er den Plan schon lange in sich herumgetragen hatte. Hierfür interessirte er sich Immer ganz besonders und verwendete darauf große Aufmerksamkeit und Thätigkeit. Aber auch außerdem freute ihn jedes wich tige historische Werk, das in seinem Verlage erschien, selbst wenn es keinen Gewinn, ja zunächst nicht einmal Ersatz der Kosten versprach. — Seinen nicht minder zahlreichen und gediegenen theologischen Verlag, den er mit der gleichen Liebe pflegte, verdankte er ebenso mehr dem Gange seiner innern Entwicklung und den persönlichen freundschaftlichen Verbin dungen, die daraus hervorgegangen waren, als bloßem Spe- culationsgeiste. Wie sein übriger Schulunterricht, so war auch der in der Religion sehr ungenügend gewesen, aber sein scharf eindringender Geist und sein lebendiges Gefühl konn ten sich auf die Dauer bei religiöser Leerbeit nicht beru higen. In Hamburg wurde er mit Claudius und den Stollbergen bekannt, hcirathete Claudius älteste Tochter, die in ihrem tiefen und warmen Gemüthe einen lebendi gen, ja feurigen Glauben hegte > dieß mußte mächtig auf ihn einwirken und so gehörte er bald der religiösen Richtung an, die in jenen Kreisen herrschte, und zwar mit der ganzen Ent- schievenheit seines Wesens. Man darf nicht vergessen, daß damals die religiösen Ucbcrzcugungen noch nicht so ausgcbil- det und so fein abgestuft waren', wie jetzt, daß Katholiken und Protestanten als solche sich nicht feindselig gegenüber standen, sondern daß unter der Minderzahl der Gebildeten in beiden Eonfessionen sich ursprünglich eine und dieselbe Regung der herrschenden religiösen Gleichgültigkeit entgegcn- stellte und daß Perthes, der zuerst Stollbergs Religionsge- schichte gedruckt, später der Verleger von Neander und Ull- mann wurde. Ob sein Glaube der absolut rechte war, wer will das entscheiden? für ihn war es der rechte, denn er hat ihm Kraft und Muth zum Arbeiten und Handeln, Heiterkeit im Genuß unschuldiger Lebensfreuden, Stand haftigkeit im Unglück und Selbstbeherrschung im Glücke cin- geflößt, ihn dem Tode aber Monate lang mit Ruhe und Besonnenheit, zuletzt mit Sehnsucht entgegensehen lassen. Ihm war cs stets um Förderung des lebendigen Christen glaubens zu thun, Stollbergs dogmatische und historische Jcrthümer zu erkennen, durfte man ihm nicht zumuthen, und wenn er gesagt hat, daß er sich der Verbreitung des Stollbergschen Buches selbst im Nachdruck freue, so hat ec dieß im Hinblick auf den warmen religiösen Sinn, den er im Buche gefunden, gesagt, damit aber seinen Potcstantis- mus keineswegs verleugnen wollen, wie man ihm seine Worte auslegen wollen. Wenn also sein ideologischer Ver lag allmählig eine Quelle des Wohlstands für ihn geworden, so ist dieß eine natürliche Folge davon, daß er früher als andre Buchhändler der Neaction des Glaubens gegen die absolute Herrschaft menschlicher Weisheit angehö.rte, welche Reaction seitdem — freilich unter mancherlei Wandlungen, Läuterungen und Anfechtungen — siete Fortschritte gemacht hat und wahrscheinlich ferner machen wird (trotz dem, daß hie und da die unglückliche Idee Platz gegriffen zu haben scheint, der weltliche Arm könne und müsse durch gewaltsa mes Eingreifen oder einseitiges Begünstigen der religiösen Entwickelung Halt und bestimmte Richtung geben.) Perthes war bei aller Klugheit und Voraussicht, die er besaß, kein ^ Speculant. Der Mensch beherrschte in ihm denBuchhänd- 133*
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