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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.01.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-01-21
- Erscheinungsdatum
- 21.01.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. Feldgraue Weihnachten. Rach einem Ausspruche des Literarhistorikers Julian Schmidt, den Gustav Freytag zum Motto von »Soll und Haben« wählte, soll der Roman das Volk bei der Arbeit suchen. Um wieviel mehr ist es dann die Aufgabe einer Fachzeitschrift, den Wegen der Be rufsgenossen nachzugehen und sie bei ihrer Arbeit zu suchen! Nicht damit ein jeder das Gleiche tue, sondern um sich ein Bild der Verhältnisse und Personen zu machen, ihre besonderen Lebens bedingungen kennen zu lernen und ihre Arbeit mit innerer An teilnahme zu begleiten, wenn sie des Beifalls würdig ist. Je mehr jemand Verständnis dafür zu gewinnen sucht, um so zweck mäßiger wird er seine eigene Tätigkeit einrichten können, die ja zum guten Teil von der Arbeit der Berussgenossen, ihrem guten Willen, ihren Fähigkeiten und ihrem Vermögen, sich in den Dienst anderer zu stellen, abhängt. Wo müssen wir freilich heule nicht überall die Kollegen suchen, und was hat der Krieg alles aus ihnen gemacht! Während wir früher in dem geschlossenen Hllndelsstaat, den der Buchhandel bildete, allvertraute Wege gehen konnten, sicher, ihnen auf Schritt und Tritt zu begegnen, finden wir heute auch diejenigen über halb Europa verstreut, die, seit Jahren an ihren Betrieb gebunden, kaum einmal während einer kurzen Sommerreise sich von der heimatlichen Scholle ent fernten. Heute stehen dieselben Männer in Flandern, in Frank reich, in Rußland, in der Türkei und wer weiß sonstwo. Das Reich der Bücher, das sonst ihre Welt war, ist hinter ihnen ver sunken, und verwundert sieht sich mancher, der gebie tenden Stunde gehorchend, in der neuen Welt um, die sich vor ihm aufgetan hat und ihn vor ganz andere Aufgaben stellt als bisher. Was wird nicht alles unter dem Zwange der Notwendigkeit von dem Soldaten gefordert, und welche Arbeit wäre so gering und niedrig, die nicht von ihm getan werden müßte, weil sie sich zurzeit als notwendiger und nützlicher erweist als alle Kulturaufgaben, zu deren Lösung er sonst berufen ist! Es wird nicht ausbleiben können, daß neben dem Geiste, von dem unsere Zeit durchweht ist, ein stärkerer Wirklichkeitssinn, wie er sich aus der Berührung mit neuen Menschen und Ver hältnissen, der Gemeinsamkeit des Erlebens und der gegen seitigen Hilfsbereitschaft ergibt, unseren Beruf nach dem Kriege befruchtet und ihn in engere und lebendigere Wechselwirkung mit den übrigen Berufsständen bringt. Denn von den schon Jahr und Tag im Felde stehenden Berussgenossen werden die meisten nicht als dieselben wiederkommen, als die sie hinaus zogen, sodah es an uns Daheimgebliebenen sein wird, sie in den alten Kreis zurückzuführen und Wege zur Verständigung zu suchen, auf denen wir uns zu neuer gemeinsamer Arbeit, gegenseitig lehrend und lernend, wieder zusammenfinden können. Wesent lich erleichtert wird uns diese Ausgabe, wenn wir auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Fühlung mit den Kollegen draußen im Felde, soweit es irgend geht, aufrecht erhalten, Anteil an ihren Leiden und Freuden nehmen und sie hin und wieder einen Blick in unsere Arbeit und unsere Aufgaben tun lassen. Von diesem Gesichtspunkte aus sind auch die nach stehenden Veröffentlichungen zu verstehen, und wenn darin die buchhändlerischen Fragen, mit denen wir uns sonst in diesem Blatte beschäftigen, zurücktreten, so tragen sie nur den gegen wärtigen Verhältnissen Rechnung, die auch von dem Buchhändler verlangen, daß er sich der Zeit anpaßt. I. Ich bin so frei, einmal wieder etwas von mir hören zu lassen. Schlachtenschilberungen werden Sie von mir nicht erwarten, obwohl lch auch diese verfassen könnte, sintemal tch ja ganz ln der Röhe der Front hocke und mir meine Kameraden von der Kolonne, die fast jeden Tag von hier Munition an die Front bringen, die haarsträubend sten Historien zutragcn. Glücklicherweise verstehe ich nur die Hälfte von ihren Berichten, weil es waschechte Schwaben sind, die mein meck lenburgisches Platt Kauderwelsch nennen, als wenn ihr Schwäbisch ! keine fremde Sprache für mein norddeutsches Ohr wäre. Im übrigen vertragen wir uns sehr gut: seit gestern sind sie sogar, ohne es zu ! wissen, meine Kunden geworden. Ich habe nämlich gestern i in der Hauptstraße bei zwei alten, halbsranzösischen Handels- ^ flauen eine deutsche Feldbuchhandlung errichtet, die erste in > Wevclghcm. Kür das osfiziellc Adreßbuch des Deutschen Buch- j Handels ist sie allerdings noch nicht reis. Auch sie ist, genau so, ! wie es meine deutsche Buchhandlung In Mexico anfangs war, vor läufig noch international, denn das Schaufenster beherbergt neben belgischen Spitzen französische Seife, holländische Zigarren, anieri- kanische Tinte, englische Taschenmesser und allerhand Eß- und Rauch waren. Natürlich auch viele schöne Rosenkränze. Was in dieser Bude jetzt an geistiger deutscher Nahrung verzapft wird, verrate ich vor läufig nicht. Meinen Bedarf wähle ich selbst, und unverlangte Zu sendungen muß ich mir verbitten, weil ich sie selbst unter Spesennach nahme nicht remittieren könnte. D.as Weihnachtsfest begann für uns am 22. Dezember, weil ich i in der Frühe dieses Tages zu unserem Rittmeister nach Kortryk be fohlen war, um persönlich die eingegangenen Liebesgaben in Empsang zu nehmen, über sie zu quittieren und sie nach Wevelghem schaffen zu lassen. Um 7 Uhr morgens schob ich los. Es war stockfinster, weil nach den Vorschriften des Boß un Haas-Kalenders für ISIS die Sonne erst um 8" ausgehen dars. Dazu regnete es Bindfaden vom Himmel: man nennt diesen Regen in Flandern Bindfaden, weil er niemals ab reißt. Während ich mich bemühte, längs des Bahndammes in mili tärischer Haltung cinherzumarschieren, fiel mir der Schnack vom ollen Düsing ein: »Dat's 'n Gegenstand, seggt Düsing, doa löp hei gegen en Eekbom«. Dieser Eekbom war in meinem Falle eine Eisenbahn- Signalstange mit einem großen l' darauf. Als ich mich überzeugt hatte, keine» Sachschaden angerichtet zu haben, setzte ich meinen Marsch fort. Um 8 Uhr stand ich — eine Jammergestalt — vor unserem ge strengen Herrn Rittmeister, der mich sehr jovial begrüßte und es gar nicht zu merken schien, daß ich seine beste Stube in einen kleinen Dorf teich verwandelte. Ich nahm meine 28 Pakete in Empfang, quittierte darüber und verstaute meine Siebensachen auf dem inzwischen einge troffenen Kompagnie-Wagen. Wie ich gekommen, kehrte ich zurück, ö. h. zu Fuß und unter den gleichen regnerischen Umständen. Nur ging ich diesmal nicht auf dem Bahndamm zurück, sondern auf der Chaussee, in der stillen Hoffnung nämlich, unterwegs irgendein Ge- sährt anzutrefsen, in das ich mit meinem nassen »Kandelaber« hinein- Hüpfen könnte. Mit diesen Gefährten war cs leider Essig, denn es begegneten mir nur Autos, die aus das Hincinhüpfen pfiffen und mich außerdem noch von unten bis oben mit Dreck bewarfen, mit echtem flandrischen Lehm, der so schön »backen« bleibt, wie wir als Jungens immer zu sagen pflegten. Als ich in meinem Quartier aus der Bildsläche erschien — ich wohne in der öovls snxerisnro (Klippschule auf mecklenburgischj und meine genaue Adresse ist Souterrain links i Treppe —, schlug meine Wirtin, die Frau Schuldirektor, die Hände übern Kopf zusammen und «9
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