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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.01.1916
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- 1916-01-28
- Erscheinungsdatum
- 28.01.1916
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Redaktioneller Teil. 22, 28. Januar 1916. feiern, und so gingen wir beide querfeldein der Front zu. Wir hatten Glück. In einem abgelegenen Klostergarten standen wohl ein Dutzend verschiedener Nadelhölzer. Andere waren uns schon zuvorgekommen und hatten die Kronen abgesägt. Wir suchten uns einen Baum aus, der unserer deutschen Tanne sehr ähnlich sah, und beraubten ihn der besten Zweige. Dann ging es wieder über Felder, Hecken und Gräben zurück in unsere Bude. Ein derber Stock, der als Stamm des Tannen baumes dienen sollte, wurde herbeigeschafft, Löcher hineingebrannt, in diese Tannenzweige gesteckt und festgebunden. Eins, zwei, drei, und der Tanncnbanm war fertig. Nun ging's ans Anputzen. Papier schnitzel und rote Wollfäden bildeten den Hauptschmuck. Lichthalter machten wir uns aus Fußangeldraht. Keks wurden an den Baum ge hängt, die am anderen Morgen Mäuse wieder heruntcrgcholt hatten (oder waren es vielleicht zweibeinige in der Nacht gewesen?!). Heiligabend kam. Um sechs Uhr fand die offizielle Kompagnie- Feier statt. Wir siebzig Mann (die wir hier in B. getrennt von un serer Kompagnie sind) standen draußen auf der Straße vor der be scheidenen Bretterbude, die unsere Küche beherbergt, und schauten abwechselnd durch ein Astloch ins Innere. Drinnen hantierte unser Feldwebel, stellte die Geschenke vom Noten Kreuz in Oldenburg und von der Division, der wir zugeteilt sind, zurecht und zündete den Baum an. Endlich machte er die Tür auf und ließ uns eintreten. In dem kleinen Räume bildeten wir so gut es ging einen Kreis um den Baum. Unser Feldwebel sprach ein paar Worte zu uns, dann sangen wir: Stille Nacht, heilige Nacht, und die Verteilung der Geschenke begann. Notizbücher, Briefpapier, Seife, Schokolade, Taschenmesser, Mund harmonikas, Taschenlampen, Zigarren, Zigaretten, Keks usw. waren unter den Geschenken, aber Bücher oder sonstige Lektüre wurden mit Ausnahme von zwei oder drei Exemplaren kleiner Fritz Neuter- Schriftcn nicht verteilt. Wie hätten wir uns gefreut, wenn ein paar Neclambändchen oder Wiesbadener Volksbücher dabei gewesen wären! Der Feldwebel wollte ursprünglich die zwei oder drei Fritz Neuter- hefte verteilen; da sie aber jeder haben wollte, so ließ er, um sich aus der Situation zu ziehen, die Mecklenburger vortreten und gab sie diesen. Die Feier war zu Ende, wir sangen: »O, du fröhliche, o, du selige....« und gingen dann in unsere Quartiere. Dort feierten wir unter uns, zündeten unfern Baum an, sangen und packten die Weihnachts pakete aus, die, so schwer es auch manchem geworden sein mag, bis Heiligabend verschlossen geblieben waren, lasen zum soundsovielten Male die Wcihnachtsbricfe der Lieben daheim und waren so vergnügt, wie es eben in dieser ernsten Zeit möglich sein kann. Um Mitternacht ging ich auf die Straße hinaus, es war stock dunkel; drüben an der Front stiegen Leuchtkugeln auf, und von weit her klang leise die Melodie des alten deutschen Weihnachtsliedes Stille Nacht herüber. Walter Dette. XIII. Wir hatten diesmal das außergewöhnliche Glück, ein »friedliches« Kriegsweihnachten feiern zu können. Nachdem wir im September die heißen Stürme in der Champagne glücklich, wenn auch unter schmerzlichen Verlusten überstanden hatten, kamen wir zur wohlver dienten Ruhe nach CHStcau D., einem kleinen, wenn auch ziemlich schmutzigen Dorfe, ca. 20 Icm hinter Nethel. Zwei Kompagnien im Dorfe selbst, die unsrige im Schlosse. Doch darf man sich unter diesem Schlosse nicht etwa ein palastähnliches Gebäude mit großen Sälen und prunkvollen Möbeln vorstellen: es war ein alter Kasten, von außen zwar ganz malerisch, innen jedoch ziemlich verfallen. Eine alte Holztreppe, die unter jedem derben Soldatenstiefel in allen Fugen ächzte und stöhnte und von uns wiederholt ausgebessert werden mußte, führte hinein resp. hinauf in unser Paradies, das uns zum längeren Auf enthalt eine Unmenge kleiner winkliger Zimmerchen bot. Zuerst sahen wir uns enttäuscht und unzufrieden um, doch bald siegte der berühmte sächsische Humor, der uns llber das vollständige Fehlen jeglicher Möbelstücke, über das Vorhandensein zahlreicher zerbrochener Fensterscheiben hinwcgsehen half. Schon nach den ersten Minuten war es beschlossene Sache, unser Dasein nach Möglichkeit zu ver schönern. Es wurden Tische und Bänke gezimmert, alte Glasscheiben wurden da herausgenommen, wo sie nicht gebraucht wurden, und einge setzt, wo es nötig war. Alsdann stopften wir mit vieler Mühe und Not sämtliche Ritzen in dem »außerordentlich luftdicht« gebauten Ge mäuer zu. Besonders die letztere Arbeit war dringend erforderlich; denn bis dahin pfiff und heulte der Wind nur so durch unsere Be hausung, daß wir uns eher in ein Luftschloß versetzt fühlten. Zum Schluß wurde alles einer gründlichen Reinigung unterzogen, und nun bot die Sache schon einen anderen Anblick. Unsere Schloßhcrrin, die im Dorfe ein kleines Cafo ausgemacht hatte, das später znm Offi ziers-Kasino avancierte, schlug bei einer Besichtigung ihres trauten Heims die Hände überm Kopfe zusammen und hielt cs kaum für möglich, daß die »deutschen Barbaren« es fertiggebracht hatten, ihr Besitztum in so fachmännischer Weise zu erneuern. 96 Das zur Einleitung, damit Sie einen kleinen Begriff bekommen, wo und wie wir uns befanden, als das Weihnachtsfest heranrückte. Weihnachten! Wie ich schon erwähnte, konnten wir es ungestört verleben, und so wurden denn alle Vorbereitungen getroffen, es so eindrucksvoll und feierlich wie möglich zu gestalten. Und was da 250 Mann alles fertigbringen, können Sie sich wohl vorstellen! Schon einige Wochen vorher kamen die ersten Liebesgaben an, die sich bis zum Feste in schier unglaublicher Menge anhäuften. Dumit jedem Wunsche nach Möglichkeit Rechnung getragen werden konnte, wurden beizeiten Wunschzettel der einzelnen Gruppen eingeforöert. Ich selbst hatte die umfang-, aber genußreiche Arbeit übernommen, die Geschenke zu verteilen. Zu diesem Zwecke war der Boden der größte Raum, der uns zur Verfügung stand. Natürlich mußte die Sache auch einladend und so festlich wie möglich aussehen, deshalb wurde schon drei Tage vorher damit begonnen, lange Tische anfzubauen, Kronleuchter zu zimmern, Decken, Wände und Balken mit Reisig zu schmücken, Christbäume aufzustellen und alle unschönen Ecken und Winkel mit Zeltbahnen zu verhängen. Der 24. Dezember war herangekommen. Nun konnte es losgehen! Volle zehn Stunden hatte ich ununterbrochen zu tun gehabt, um all' die Liebesgaben, die aus Zigarren, Zigaretten, Tabak, Tabakspfeifen, Schokolade, Pfefferkuchen, Äpfeln, Nüssen, Stollen, Taschenmessern, Taschenlampen, Feuerzeugen, Notizbüchern, Blei- und Tintenstiften, Hosenträgern, Hemden, Unterhosen, Unterjacken, Socken, Taschentüchern, Rücken-, Brust-, Knie- und Pulswärmern, aus Halstüchern, Ohren-, Kopf- und Lungenschützern, aus Seife, Stiefelschmiere, Zahnbürsten, Briefpapier usw. bestanden, richtig und wunschgemäß zu verteilen. Ich atmete auf, als ich damit fertig und mit gutem Gewissen überzeugt war, daß jeder auf seine Kosten kommen würde. Die Bescherung war auf 5 Uhr angesetzt worden. Jedes einzelne Zimmer war an diesem ereignisreichen Tage festlich geschmückt; überall waren kleinere und größere Christbäume ausgestellt oder Kronleuchter aufgehängt worden. Lichter hatten wir auch genug bekommen, also: was wollten wir noch mehr? Bereits 5 Minuten vor 5 Uhr war alles in ein magisches Lichtmeer gehüllt. Freudig und erwartungsvoll trat die Kompagnie vor dem Schlosse an, jeder tadellos sauber, frisch ra siert und gekämmt, in der besten Absicht, die kommenden Stunden als eine bleibende Erinnerung in sich aufzunehmen. — Dann gings hinauf auf den historischen Boden, der wohl zum ersten Male ein echtes deut sches Weihnachten erlebte. Kaum wiederzuerkennen war der Raum in seiner strahlenden Helle, mit seinen reichgedecktcn Tafeln und mit all den Menschen. Hier versammelte sich zunächst die Kompagnie, um ihren geliebten und geschätzten Kompagnieführer, Herrn Ober leutnant B., zu erwarten, der sic, wie einst in der Champagne zu Kampf und Sieg, jetzt zu Lust und Freude führen sollte. Kurz nachdem er gekommen war und die Kompagnie begrüßt hatte, erklang aus 250 rauhen Kricgerkehlen, begleitet von den etwas sanfteren Klängen eines Harmoniums, der herrliche Weihnachtschoral: »Dies ist der Tag, den Gott gemacht«. Hierauf wurde das Weihnachtsevangclium verlesen, dem einige Ansprachen des Koinpagnieführers und des Feldwebels, als der Kompagnicmutler, folgten. Unter dem Gesänge des alten schönen Weihnachtslicdes »O du fröhliche —« ging das Programm so dann in eine etwas fröhlichere Stimmung über, die schließlich durch viele humoristische, gesangliche und musikalische Darbietungen ihren Höhepunkt erreichte. Einen humoristisch-musikalischen Vortrag will ich näher schildern. Da führte uns die einleitende Ansprache eines Unter offiziers der Kompagnie nach dem rühm- und siegreich erkämpften Frieden zurück in die Heimat und versetzte uns dort in das kleine sächsische Städtchen Aue i. Erzgeb., dem einstigen und künftigen Wir kungskreise unseres Oberleutnants. Nach der — hoffentlich zutreffenden — Annahme des Redners ist Herr Oberleutnant B. allgemein geachtet und bewundert nach den schweren Kriegstagen in seine friedliche Heimat zurückgekehrt. Auf seine Bitte hin erscheint die Negimentskapelle der 192er nunmehr in Aue, um ihm zu Ehren und den Bürgern des kleinen Städtchens zur Freude ein Militärkonzert zn veranstalten. Unter ihrem mit zahlreichen sächsischen, deutschen, österreichischen, bulgarischen und türkischen Orden geschmückten Dirigenten zieht die zwölf Mann starke »Mundharmonika«-Kapelle unter den Klängen des »Deutsch meisters« in Aue — augenblicklich der Boden des Schlosses D. — ein. In »beinahe« künstlerischer Vollendung und unter dem brau senden Beifall der vollzählig versammelten Aueschcn Einwohnerschaft — augenblicklich vertreten durch 240 feldgraue Soldaten — spielt die Kapelle die flottesten Märsche, die gefühlvollsten Walzer und die schwie rigsten Solostücke. Von den folgenden Vorträgen wäre eine sogenannte Schnitzelban? zu erwähnen, in der einige besonders heitere Vorkommnisse in der Kompagnie in dichterischer und zeichnerischer Wiedergabe öurchge- hechelt wurden. An heiteren Erlebnissen fehlt's ja bekanntlich in einer Kompagnie nie! Schließlich hatte das Programm eine außerordentlich freudige und
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