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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.02.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-02-04
- Erscheinungsdatum
- 04.02.1916
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. »U 28, 4, Februar 1916. Im Orient. Mag lauern und trauern, Wer will, hinter Mauern — Ich fahr in die Weit! Die deutschen Buchhandlungen im nahen Orient sind dünn gesät. Zwei in Konstantinopel, zwei in Jerusalem mit Filialen in Jaffa, eine in Kairo und, wenn man Griechenland auch zum Orient zählen will, eine in Athen — das ist alles. Dement sprechend gibt es auch wenige Buchhändler, die den Orient wirk lich kennen gelernt haben. Nicht daß es an Lust fehlen würde, im Gegenteil, keine Woche verging, ohne daß nicht die Post einen Bewerbungsbrief gebracht hätte. Aber den meisten Schreiben merkte man es an, daß nur die Lust nach etwas Abwechslung den Brief veranlaßt halte, und daß die hierzu nötigen Kenntnisse noch vollständig fehlten. Einen Posten im Orient gut auszufüllen, ist kein »Schleck- häseli«, wie die Schweizer sagen. Es wird viel verlangt: deut sche, französische und englische Literaturkenntnisse, französische und englische Konversation und Korrespondenz, rasche Auffas sungsgabe, um auch bisher fern gelegene Themata zu erledigen, später auch noch die Landessprachen. Nur wenn wirklich Lust und Liebe vorhanden, sowie die Fähigkeit, sich in fremde Verhältnisse zu schicken, sollte ein Posten im Orient angenommen werden. Zwei merkwürdige Fälle sind mir in meiner Praxis in die ser Hinsicht begegnet: Ein Kollege aus einer mitteldeutschen Stadt war nach Kairo engagiert. Er trat auch den Posten an, bekam aber nach 8 Tagen bereits echt deutsches Heimweh und fuhr mit dem nächsten Schiff wieder zurück, von wannen er gekommen war. Ein zweiter Fall spielte in Athen: dort sollte in einem Import geschäft ein neu engagierter Gehilfe eintreten. Statt seiner kam ein Telegramm von der Hauptpost, er sitze dort, man möge ihn ab holen. Tableau! Die 106 Schritte vom Bahnhof nach der Haupt post fand er glücklicherweise, aber weiter gings nicht mehr in der fremden Stadt, in der übrigens jeder zehnte Mann auf der Straße Französisch versteht. Auch mit dem bekannten französischen und englischen Schul sack wird man in der Fremde kein Glück haben. Man kann be fähigt sein, das ganze Lollum 6ai1icuw ins Französische zu über setzen, und doch nicht wissen, was der Bahnschalter heißt und wie man an dem Gepäckschalter seinen Koffer aufgibt. Dies gibt sich allerdings bald, wenn man nur einige Auffassungsgabe be sitzt. Ich habe einen Kollegen gekannt, der in Kairo ankam mit einem schweren schwarzen steifen Filzhut, den kein Mensch'dort trägt, und einem dicken Anzug, der bei der Abreise in Kyritz an der Knatter sicher Aufsehen erregt hatte, hier aber ganz deplaciert war. Schon ein paar Wochen später war die Raupe in einen Schmet terling verwandelt, er erschien im Geschäft im Weißen, rohseide nen Anzug, mit einer in allen Farben prangenden Kravatte, die ihm daheim eine polizeiliche Ausweisung eingetragen hätte, und mit einem ungeheuren Khakihelm, unter dem kaum noch der ä I'-mZIsis soeben erst kurz geschnittene Schnurrbart hervorsah. Der Mann war schon akklimatisiert. Es kommen aber auch Leidenstagc für den Neuling. Wenn z. B. ein langer, wie aus den »Fliegenden Blättern« herausge schnittener Engländer den Laden betritt, im bekannten Salz- und Pfeffer-Anzug, den Weichen Filzhut, den er selbst für Zucker nicht abnimmt, auf dem Kops festgewachsen, die Hände in den Hosen taschen vergraben, die kurze Pfeife im Munde, und ohne das Ge hege der Zähne zu öffnen, die lapidaren Worte spricht: »I rrant Sebnurrcllburr!« So ähnlich versteht der Neuling und fragt des halb ängstlich in seinem schönsten Schul-Englisch, womit er dienen könne. Diesmal versteht er von der Antwort nicht einmal mehr I »vant,, noch viel weniger, was der Mann will, und zieht cs deshalb vor, in die Nähe des Chefs und des ersten Sor timenters zu flüchten und diese beiden, die beschäftigt sind, durch rührende Blicke zur Hilfe nufzufordern. Auch am Telephon gibt es allerhand schlimme Szenen. Telephonkästen, in denen man, ohne das Gewimmel im Laden zu vernehmen, ruhig sein Ge-> spräch halten kann, gibt es bet der Holzarmut nicht; die Tele-1 phone sind deshalb offen angebracht. Was das bei dem Lärm' heißen will, der fortwährend im Geschäft herrscht, und dem noch 126 Viel größeren Spektakel, der immerfort von der Straße herein dringt, wird man erst verstehen, wenn man selbst zum erstenmal sein Glück probiert hat. Der Neuling weiß noch nicht, in welcher Sprache ihn der Mann auf der anderen Seite des Telephons an- reden wird: deutsch, französisch, englisch, italienisch, arabisch oder türkisch. Und da hilft es nichts, daß der Neuling den Kunden mit den Worten »karkaitemont, Llonswur, parkaitomont!« beruhigen will, wenn er auch noch kein Wort verstanden hat. Mich erinner ten diese Angstslunden immer an die schöne Volontärzeit in der französischen Schweiz, wo cs uns auch ähnlich erging. Gewöhn lich liefen wir zu zweit ans Telephon, und der Schluß war mei stens der, daß jeder den andern fragte: »Haben Sie was ver standen? Nee, S i e?« Und dann zogen wir betrübt wieder ab und dachten schon an den schönen Moment, wenn der Telephonie rende wütend in den Laden stürzen würde, um zu reklamieren! Ja, es ist nicht so leicht, wie cs aussieht! Ader auf der an deren Seite überaus interessant und lehrreich. Welch farbiges Bild, solch ein Buchladen im Orient! Bei uns nur Philister in Werktagsröcklein, dort alle Nationen durcheinander. Hier Deut sche, Österreicher, Schweizer, dort Franzosen, lebhaft gestikulie rend, fischblütige Engländer, Italiener, Griechen, Armenier, Ara ber und Türken. Dazwischen Araberinnen mit dem feinen Weißen Schleier, der die Gesichtszüge nicht mehr verdeckt, als der der Europäerinnen, dort einfache Frauen, mit dem schwarzen, dicht verhüllenden Schleier, der nur die Augen freilätzt, jene von einem schwarzen Eunuchen sorglich bewacht, der böse die Zähne fletscht und die Augen rollen läßt, weil der junge Kollege so ver gnügt auf seine Gebieterin einspricht. Hier kommen Touristen: es sind zweifellos Deutsche, das sieht man schon an dem Alpen kostüm des Mannes, der im Jägerhemd in die Wüste reiten will, wie er seinerzeit die X-Spitze bestiegen hat. Seine umfangreiche bessere Hälfte hat den Rock mit einem Dutzend Sicherheitsnadeln aufgesteckt, was ungemein graziös aussieht. Wo könnte man denn seine alten Kleider besser auftragen, als in der Fremde, wo einen doch niemand kennt? Als Gegenstück dazu erscheinen einige Le vantiner, in feinster Pariser Tracht, die ohne Gruß sich an die lange Tafel begeben, wo die Journale aller Länder zur Ansicht aufliegen. Manche blättern eine halbe Stunde lang überall herum und verschwinden wortlos, wie sie gekommen sind. Gratis lesekabinett. Dagegen läßt sich nichts machen: »s'ist'mal bei uns so Sitte, eimoun a son Zoüt«. Aber es handelt sich nicht nur um das Bedienen der Kunden und uotabom!, auch um das Auspassen, ob nichts wegkommt, son dern um alle möglichen anderen Arbeiten. Bei uns im lieben Deutschland ist es weise so eingerichtet, daß jeder nur sein Pen sum abschnurrt und sich in keiner Weise um das zu bekümmern hat, was sein Nächster tut, wenigstens ist das häufig so. Dadurch werden aber die Leute zu einseitig und versagen meistens, wenn sie vvr eine andere Aufgabe gestellt werden, als die, die sie seit Jahren mechanisch besorgen. In England ist diese Spezialisie rung noch mehr ausgebildet, als bei uns: »Timt is aot xour mattor! Llako xaur orvn rvorli!«, kann man dort sofort höre», sowie man sich um etwas kümmert, was außerhalb der eigent lichen Arbeit liegt. Hier ist es gerade umgekehrt. Man kann nicht, wenn ein Kollege krank wird, Heimweh oder Wanderfieber bekommt, schnell im Börsenblatt nach einem Ersatz inserieren. Bis der käme, wären Wochen, Monate vergangen. Also aushelfen. So kann man hintereinander und durcheinander die Expedition der inter nationalen Journale, die Kundenstrazzen, die Buchführung der französischen, englischen, arabischen Verleger, die deutsche, fran zösische, englische, italienische Korrespondenz, die Herstellung und die Propaganda der deutschen, französischen und englischen Ver lagswerke, die Abrechnung und Kontrolle der vielen Bahnhofs buchhandlungen, Auslieferung arabischer und türkischer Werke und wer weiß was sonst noch alles bekommen. Also es heißt: in allen Sätteln gerecht sein. Lehrreich sind alle diese Arbeiten. Bei der Expedition der ! Journale handelt es sich nicht darum, die langweiligen, wis- ! senschaftlichen Journale schnell zu erledigen und sich dafür bei den " illustrierten und humoristischen Blättern mehr Zeit zu lassen — so etwas soll schon dagewcsen sein -, sondern man hat auch viel
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