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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1916
- Strukturtyp
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- 1916-02-24
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1916
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 45, 24. Februar 1918. Löbellr — erst erschien, als er nahezu 40 Jahre alt war, Dichter war er schon in Stuttgart, und manches seiner Lieder wird schon in diesen Jahren entstanden sein. Dafür zeugten auch die vielen frohen Lieder, die er dem Kreise seiner Freunde spendete. Aber nicht nur Dichter war unser Gustav Falke, unser Phantast, er war noch mehr. Daß er ein guter Musiker war, geht schon daraus hervor, daß er bald nach seinem Weg gang von Stuttgart den Buchhandel an den Nagel hing und sich eine Reihe von Jahren als Musiklehrer durchs Leben schlug. In der Tat war er ein vortrefflicher Klavierspieler, der nicht nur unermüdlich in frohen Stunden feine eigenen Festlieder und die allgemeinen Gesänge gewandt begleitete, sondern auch gar oft uns mit dem Vortrag ernster, schwieriger Kompost- tionen erfreute und so unfern Abenden eine künstlerische Weihe gab. Ja, er brachte es damals sogar fertig, aus den „Ulkiern» ein Orchester zusammenzustellen, das freilich nur für einige Aufführungen während der Faschingszeit tälig war, das aber ganz außerordentlich Freude bereitete, die größte sicherlich Wohl den aussührenden Kräften selbst. Schließlich muß ich aber noch eine dritte Seite seines Kön nens berühren. Nicht nur Dichter und Musiker, auch ein sehr gewandter Zeichner war Falke. Die damaligen Bierzeitungen des Ulk, die allerlei poetische und prosaische Beiträge von ihm und andern Mitgliedern enthielten, zeigten stets auch eine Anzahl Zeichnungen, die außerordentlichen Beifall fanden und unbedingt eine Begabung besonderer Art offenbarten. Sie müssen sich im Archiv des Ulk-Vereins noch finden, und ein Biograph Falles sollte sich auch diese einmal ansehen, um eine Seite des Dichters kennen zu lernen, die ich bisher noch nirgends erwähnt fand. So, als Berufsgenosse, als fein sinniger Dichter, als tüchtiger Musiker und als begabter Zeichner, dazu aber als wahrhaft guter, edler Mensch war er uns allen damals außerordentlich lieb und wert, war er der anerkannte Mittelpunkt unseres frohen Kreises. Wir alle lebten der Überzeugung, daß aus ihm noch einmal etwas Tüchtiges werden müsse; daß er als Buchhändler seinen Weg durchs Leben nehmen würde, glaubten allerdings nicht viele. Alle halten ihn herzlich lieb, gar manche von damals haben ihm Freundschaft und Anhänglichkeit bis an sein Ende ge wahrt und sind später gern für den Dichter Falke eingetreten, wo und wie sie konnten. Das offenbarte sich auch, als er vor einigen Jahren wieder einmal nach Stuttgart kam, um im Museumssaal seine eigenen Schöpfungen vorzutragen. Der große Saal war überfüllt, und das an den Vortrag sich anschließende gesellige Beisammensein bewies ihm, wie viele alte Freunde er noch in Stuttgart hatte. Otto Sperling. Ein neues Zauberwort gegen den Ärger. Von Fritz Müller. In meiner Arbeitsstube hängt ein alter Spruch: »Mensch, ärgere dich nicht, wundere dich bloß!« Diesen Spruch hat uns ein Erb onkel gestiftet. Und ich muß sagen, er hat seine Pflicht getan. Der Spruch nämlich, nicht der Onkel. Denn als der Onkel starb, stellte es sich heraus, daß er uns in seinem Testament mit keinem Fädchen bedacht hatte. Mensch, ärgere dich nicht, wundere dich bloß! grinste uns der Spruch an, als wir von der Testamentseröffnung kamen. Nun also, um cs kurz zu sagen: Von da an war es mit der Zauber wirkung dieses Onkelsprnchcs ein für allemal vorbei. Und da wir keinen neuen Spruch bekamen, ärgerten wir uns redlich durch die Tage und die Jahre. Aber seit der Krieg ausbrach, haben wir wieder einen neuen Zauberspruch gegen den Arger. Gegen jede Art von Arger. Und dieser Zauberspruch ist der mächtigste, den es gegen den Arger jetzt und für alle Zukunft gibt. Durch einen Zufall sind wir auf ihn gekommen: Mein Sohn macht Schönschreibübungen mit der großen Nund- schriftfedcr. »Vater, was für ein Wort soll ich jetzt schreiben?« fragte er neulich, »ich brauche eins, das mit 8 anfängt.« — »Ich bin jetzt beschäftigt«, sag' ich, »nimm irgendeins ans der Zeitung, Fritz«. — Da hat er das Wort Schützengraben groß und schön auf einen Bogen Papier gemalt. Befriedigt zeigt er mir's. Mein Blick geht zwischen diesem Worte und dem entzauberten Onkelspruch über der Tür hin und her, und auf einmal kommt mir« 206 ein Gedanke. »Hinter diesem Wort fehlt noch etwas, Fritz«, sage ich. — »Was denn, Vater?« — »Ein Ausrufungszeichen, ein dickes; komm, mach es geschwind, während ich ein paar Reißnägel suche«. Und ge horsam und verwundert macht mein Sohn einen schwarzen Donnerkeil hinter den Schiitzengraben. Darauf heften wir's gemeinsam an die Wand über der Tür, und es ergibt sich, daß es den alten abgebleichten Spruch glatt zudeckt. »Aber was hat es da für einen Zweck?« fragt mein Sohn, während er mir den letzten Reißnagel auf das bängliche Gestell hinaufreicht, das ich mir aus Tisch und Stuhl aufgebaut habe. »Der Zweck wird sich nach und nach von selbst erfüllen«, sage ich. Da geht die Tür auf, herein kommt meine Frau. Natürlich ent zündet sich ihr Arger an dem ohne hausfrauliche Genehmigung er- richteten Gestell: »Ich sage es ja — keinen Augenblick kann man ans der Stube gehen, ohne daß er eine neue Dummheit anfängt — (der Er bin ich) —; als ob man sich nicht schon genug geärgert hätte heute morgen, wie das Dienstmädchen die Badewanne überlaufen ließ und die ganze Wohnung überschwemmte, daß man davon schon allein den Schnupfen bekommt —« »Frau«, sage ich ein wenig feierlich, lies mal das, bevor du weitersprichst.« Und sie liest mit wachsendem Erstaunen: »Schlt—tzen—gra—den! Was soll das, Mann?« Aber noch während der Frage ist ihr die Verbindung zwischen dem durch die übergelaufene Badewanne angeblich entstandenen Schnupfen und den hunderttausend nicht nur angeblichen Schnupfen in den feuchten Schützengräben in einem innern Gesicht erstanden. Ein wenig kleinlaut wird sie. Noch etwas sagen will sie. Aber der offene Mund geht wieder zu. Aufgehen jetzt verstehende Franenaugen, die lächeln: »Hast recht, Mann«, sagt sie, »hast recht, was ist gegen die Schützengräben draußen unsere bißchen übergclansene Badewanne.« Und wie ich jetzt von meiner Staffelet herabgestiegen bin, kriege ich noch einen Kuß obendrein, einen hausfraulichen, keinen Schlitzen grabenkuß. »Ich denke, wir lassen den .Schützengraben!* da droben hängen?« sage ich. Sie nickt. Froh gehen wir wieder an unsere Arbeit. Wie ich über den Rand meiner Schreiberei schaue, sehe ich meinen Sohn an der seinigen sitzen. Aber er schreibt nicht. Er schaut mit großen Augen auf den »Schützengraben!« über der Tür und sinnt und sinnt.. . Am Nachmittage kriegt meine Tochter Zahnweh. Ihr hartnäckiges Gewimmer geht durch das ganze Haus. Sie wird vor das Wort über Vaters Tür geführt. Stumm zeigt der Finger: »Da lies mal, Liesl.« Und die Liesl liest verwundert: Schü—tzen—gra—ben! Sie begreift nicht gleich. Aber auf einmal erinnert sie sich an die Mühseligkeiten des Schützengrabens, von denen Vater aus der Zeitung vorgelesen hat. Sie schämt sich ein wenig ihres Zahngewimmers. Nein, nein, sie schämt sich nicht, sondern das Zahnweh ist klein geworden, ganz winzig klein vor diesem Wort da droben. Und groß geworden ist der Mnt, zu dem gefürchteten Zahnarzt zu gehen. Dann kommt die Abendpost. Sie ist unheimlich dick. Aha, zurück kommende Arbeiten mit dem Begleitbrief der Schriftleitungen: »Wir bedauern, Ihre Arbeit angesichts des fast ausschließlichen Interesses, das die Kriegsnachrichten für sich in Anspruch nehmen. . « Ich will ein wenig seufzen. Aber da leuchtet durch das Halbdunkel das Wort über meiner Tür gerade noch deutlich genug herunter, um den Seufzer im Keime zu ersticken. Und dann sitzen wir in der warmen Stube bei dem warmen Abendessen, und anstatt eines Gebetes fällt dem Vater ein Satz ein: »Kinder, denkt mal, wenn wir jetzt im Schützengraben liegen müßten, die Nacht vor uns . . .« Da haben wir das Abendessen mit Andacht zu uns genommen. Noch selten hat uns eins so gut geschmeckt. Und vor dem Zubettgehen kommen sie noch alle in Vaters Arbeitszimmer, um gute Nacht zu sageu. Und alle schicken sie unter der Tür noch einen geschwinden Blick hinauf zum Schützengraben! O, wie schläft sich's darauf gut. So ist dieses Wort eiu Segenswort für uns geworden. Zwietracht löscht es aus und Unbehagen, Schmerzen lindert es, und aller Arger geht vor ihm dahin, wo er hingehört: zum Teufel. Aber das Zauberwort da droben hat an uns noch nicht genug. Schon hat es über die Familie hinausgegriffcn. Freunde und Nach barn, männliche und weibliche, sind gekommen und hofften, bei uns ein Echo vorznfinden, wenn sie sich über Unzukömmlichkeiten und Beschwerden, Zinsverlnste und so weiter beklagten, die der Krieg nun einmal mit sich bringt. »Haben wir nicht recht?« sagten sie, »ist es nicht zum Ärgern . . .?« Wir aber haben sie statt einer Antwort am Ärmel gezupft und vor das Schützengrabenwort geführt. Da hat es ihnen das Wort verschlagen. Dann haben sie ein wenig gelächek». Aber schließlich gaben sic uns doch die Hand zum Abschied: »Hört »na- wir wollen auch so ein Ding über unsere Tür heften . .«
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