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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1932
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- 1932-03-03
- Erscheinungsdatum
- 03.03.1932
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^ 53, 3. März 1932. Redaktioneller Teil. Dezember v. I. in der Geselligen Vereinigung mit großem Er folg gehalten hatte. Auch diesmal entwickelte sich eine Überaus leb hafte Aussprache, die sich bis nach Mitternacht ausdehnte. Man darf wohl sagen, daß schon allein diese Tatsache einen Beweis flir die geistige Höhenlage der ganzen Veranstaltung abgibt. Die Ge sellige Vereinigung wie alle Teilnehmer können sich dazu beglück wünschen. Daß sich die Mitteldeutsche Rundfunk A.-G. für den Abend so bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte und am darauf folgenden Sonntag auch noch eine Besichtigung ihrer Anlagen er möglichte, die ebenfalls viel Interesse fand und gut besucht war, sichert der Mitteldeutschen Rundfunk A.-G. und ihren Vertretern den Dank des Buchhandels. Den einleitenden Hauptvortrag hatte Herr Intendant Prof. I)r. Neubeck übernommen. Wir lassen seine mit reichem Beifall aufgenommenen interessanten Ausfüh rungen nachstehend im Wortlaut folgen: Meine Damen und Herren! Wenn ich heute als Intendant der Mitteldeutschen Sendegesell- schaft zu Ihnen über Rundfunk spreche, so erwarten Sie bitte keine lehrhaften oder technischen Auseinandersetzungen über dieses jüngste Kind unseres, Technik und Kunst immer enger amalgamie- renden Zeitalters. Ebensowenig möchte ich an dieser Stelle eine Rechtfertigung auf eine Erfindung singen, an deren Verbreitung und Auswirkung ich als künstlerischer Leiter und Mitarbeiter be teiligt bin. Eine Einrichtung wie der Rundfunk braucht ja heute weder eine Propaganda in gutem noch in bösem Sinne, er hat Für sprecher wie Gegner weit hinter sich gelassen und sich unumschränkt durchgesctzt. Wir können ihn heute nicht mehr aus unserem Leben hinwegdcnken, alle öffentlichen Angelegenheiten von Wichtigkeit rechnen mit ihm, alle kulturell wichtigen Ereignisse politischer, künst lerischer und gesellschaftlicher Art sind nicht denkbar, ohne daß dieses »Ohr der Welt« lauscht, um durch den Mund des Lautsprechers oder der Kopfhörer die ganze Welt davon zu unterrichten. Ja, wir können uns beinahe nicht mehr vorstellen, daß wir einmal gelebt haben ohne Rundfunk. Wir tragen eine Vergangen heit in uns, die wir fast nicht mehr begreifen. Das Weltgcsicht hat sich so rasch nmgesormt, daß wir in eine historisch anmutende Vergangenheit hineinznreichen scheinen. Wie erst, wenn unsere Urgroßväter dieses unser Weltbild sähen! Wagen ohne Gespann rollen in fliegendem Tempo über die Straße, ein kleiner Hand apparat verbindet unsere Stimme mit irgendeinem Menschen in der Nähe oder Ferne, die uralte Sehnsucht der Menschheit, das Fliegen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit geworden usm. — Leben wir nicht in einem Zeitalter voller Wunder? Aber wir nehmen das alles als Selbstverständlichkeit hin. Wir haben so viele Wunder um uns aufgebaut, daß wir uns heute schon über gar nichts mehr wundern. Wir haben das Wundern verlernt und finden sogar dieses jüngste und vielleicht wunderbarste Wunder sehr alltäglich und natürlich. Wir müssen uns sogar einen Ruck geben, um uns darüber klar zu werden, daß dieses neue Verständigungs- und Mitteilungs- Mittel, das mit Lichtgeschwindigkeit den Laut, den Ton, das Wort rund um die Erde trägt, alles bisher Ersonnene und Ersinnbare der Raum- und Zeitüberwindung weit in den Schatten stellt, und daß diese neue friedliche Waffe der Welteroberung und Weltbeherrschung ungeheure Möglichkeiten in sich birgt. Dabei hat es eigentlich keinen Sinn darüber zu streiten, ob wir besser, glücklicher und friedlicher gelebt haben, che wir uns durch einen kleinen Handgriff am Empfangsgerät drahtlos aus Leipzig, Prag, Paris, London, Berlin ein Orchesterkonzert, eine Oper, einen Vortrag oder eine Tanz musik verschreiben konnten wie heute. Die Erfindungen unseres Zeitalters haben uns immer überrumpelt und waren eigentlich immer früher da, ehe man sich darüber klar wurde, ob denn wirklich ein Bedürfnis für sic vorlag und ob sie einen Fortschritt bedeuteten gegenüber dem bisherigen Zustand. Der Rundfunk hat uns alle so sehr überrannt, daß in der Tat heute — nach achtjährigem Be stehen — noch eine ganze Anzahl von Menschen ihn überhaupt nicht kennen oder anerkennen will, oder doch zumindest glaubt, ihn für eine kunst- und kulturfeindliche Angelegenheit der »Zivili sation« ansehen zu müssen, wobei sie die Zivilisation in schroffem Gegensatz zur »Kultur« verstanden wissen wollen. Und zwar sind es, meine sehr verehrten Anwesenden, vielfach Menschen aus den Kreisen, die der Kunst und Wissenschaft und ihrer Verbreitung be sonders nahestehen, die, sei es als ausübende Künstler, sei es als Kritiker, als Männer der Wissenschaft, die Kulturgüter der Ver gangenheit und Gegenwart zu vermalten berufen sind. Aber es ist ja nichts Neues, daß man technische Errungenschaften bekämpft, es sei nur an die Eisenbahn vor hundert Jahren erinnert, gegen die selbst Männer der Wissenschaft kämpften, es sei an das Fahrrad, an den Kraftwagen erinnert; alle diese inzwischen längst zur Ge wohnheit gewordenen Einrichtungen haben den Widerstand über winden müssen, den man ihnen entgegengestellt hat. Fast jede Neuerung der Technik ist erst einmal gründlich bekämpft worden, ehe sie Allgemeingut wurde. Tatsache ist aber, daß man ihren Laus bannt nicht aufgehalten hat. Seit acht Jahren nunmehr ist die sensationelle Erfindung der drahtlosen Übermittlung von Wort und Klang Allgemeingut aller Menschen, aller Völker, aller Erdteile geworden! Seit acht Jahren ist eine neue Situation geschaffen: neben den bis dahin wohlver trauten Verbreitungsmöglichkeiten von Wort und Ton, von geistigen und künstlerischen Werten, ist ein neues technisches Mittel geschaffen, das alle bisherigen weit hinter sich läßt, das es ermöglicht, alles Hörbare in die fernsten Gegenden und Erdteile zu schicken, das es ferner ermöglicht, den Laut an unbegrenzte Menschenmengen weiter zugeben! Man hat den Rundfunk mit der Erfindung der Buchdrucker- kunst verglichen, der wir ja die gewaltigste Umwälzung des ge samten Geisteslebens verdanken, die das Buch dem Alleinbesitz der Dichter, der Klöster und sonstigen gelehrten Zirkel entriß und es dem Volke selbst zugänglich machte, die durch die Presse eine all mähliche Mündigmerdung der Menschen hervorrief. Auch die Buch druckerkunst ist ja eine Revolution durch die Kraft der Technik ge wesen, und sie hat in aller Deutlichkeit und Eindeutigkeit erwiesen, daß Kultur nicht zerstört wird, wenn wir uns der Technik als des bequemeren und regeren Austauschmittels bedienen, daß im Gegenteil der Boden für Kulturpflege vorbereitet wird durch die Einbeziehung allerweitester Kreise in das Geistesleben! Was also Buch, Zeitschrift und Zeitung anstreben und bewirkt haben, das gleiche will — nur mit anderen Mitteln — die drahtlose Sendung! Der Rundfunk erstrebt zunächst nichts anderes als Verbreitung von Wissen, von g e i st e s - und g c m ü t s b i l d e n ö e n Werten, also Kunst an eine möglichst große Gemeinschaft von Menschen! Es kommt ihm zunächst gar nicht darauf an, zn fragen, o b diese Ge meinschaft solche Geschenke will, ob sie sie zu würdigen weiß, ob sie mit ihnen fertig wird. Der Rundfunk will überhaupt erst nur die Möglichkeit geben, sie zu erlangen, er will allen, ohne Ausnahme, die Teilnahme an dem geistigen Gut aller Völker und aller Zeiten zugänglich machen! Er öffnet die Tore allen, denen sie bisher verschlossen waren, sei es daß Beruf, Erziehung, Geld mangel sie daran hinderte, an Liesen Gütern teilzunehmen. Man sollte meinen, daß ein so menschenfreundliches Bestreben, ein so guter, schenkender Wille einhellige Anerkennung und be geisterte Zustimmung nicht nur derer gefunden hätte, die sich solche Geschenke gefallen lassen dürfen, sondern auch derjenigen, die sich als Freunde der Menschheit, als Hüter der Kultur betrachten. Leider hat die Erfahrung gezeigt, daß cs mit der Menschenliebe nicht so gut bestellt ist als mit der Angst vor dem Verlust gewisser Privilegien, vielleicht auch mit der Angst vor einem glücklicheren Wettbewerber! Das erklärte zunächst die schroffe Ablehnung des Rundfunks von seiten der Künstler, der Kunsthüter, Kritiker und auch von Männern der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Politik, der Schule und anderer Disziplinen. Aber auch aus dem Kreise derer, die nun unerwartet in den Genuß von Kunst, Literatur und Wissen gesetzt wurden, kamen Anfeindungen. Und es ist psycho logisch interessant, daß die Feindschaft der »Ungelehrten«, der »Un wissenden«, der »Laien« ausdauernder und kräftiger war. Es sind jene Kreise von Menschen, die für ihre zwei Mark Rundfunkgebühr glauben das Anrecht auf die Unterhaltung zu haben, die ihrem persönlichen Geschmack — besser gesagt — ihrer bisher unangefoch tenen Nivcaulosigkeit entspricht. Die tragische Situation ist ja für den Rundfunk die, daß er sich an die Masse Mensch wendet und daß er die Gefolgschaft der Masse nicht hat, wenn er nicht ihre Sprache redet, er kann — ebensowenig wie das Buch — nur Geisteswerte verbreiten, er kann nicht nur Auslese bringen, er muß auch dem Entspannungsbedürfnis Rechnung tragen und das bieten, was gefällt! Damit entstanden für denjenigen, der den Rundfunk als etwas mehr denn eine Sache der Unterhaltung an sah, zwei Schwierigkeiten, es galt den Widerstand derjenigen Stellen zu besiegen, denen die offizielle Kunstpflege anvertraut war und die durch eine Verbreitung der Kunstwerte deren Entwertung befürchteten, und es mußte gegen den Widerstand jener großen Masse von amusischen Menschen angekämpst werden, die dieses uns von der Technik geschenkte Instrument allein zur Befriedigung ihrer Unterhaltungsgelüste eingestellt wissen wollten. Es ist selbst verständlich, daß man an den Rundfunk als Vermittler künstlerischer Werte nicht die gleichen Voraussetzungen stellen kann wie an eine originale Aufführung, der wir persönlich beiwohnen. Das Per sönliche, Einmalige kann nicht die Sache eines technischen Instruments sein, dessen Aufgabe die Vervielfältigung ist. Ich möchte auch hier das Buch oder den Druck zum Vergleich hcrauziehen. An das Buch als völlig eigengesetzlicheu Wert im Geistesleben haben wir uns 167
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