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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.11.1848
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1848-11-17
- Erscheinungsdatum
- 17.11.1848
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- Deutsch
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1206 100 Nichtamtlicher Theil. Der Wiener Sortiments-Buchhandel und die Revolutionen. (Ein ernstes Wort, der Beherzigung der Herren Verleger dringend empfohlen.) Zahlreiche und wahrlich herbe Beschuldigungen und Klagen wur den in Bezug auf den Eingang der Saldi's von Seiten der auswärti gen Herren Verleger gegen den österreichischen, und mehr oder minder spcciell, — gegen den Wiener Sortimenter erhoben, und von den meisten aus ihnen das harte und ungerechte Urtheil gefallt: „die Col- legen in Oesterreich suchten die gegenwärtigen Zeitumstände auf Kosten der Verleger zu ihrem Nutzen auszubcuten." In wie fern dies bei dem Wiener Sortimenter unwahr ist, hat der Verfasser — als in einem Wiener Geschäfte arbeitend — in den nachfolgenden Zeilen darzustellen versucht, und sieht dem Urtheile jedes gerechten und menschlich denkenden Verlegers hierüber ruhig entgegen. — Wer von den auswärtigen Herren Verlegern den Wiener Platz und sein Lesepnblikum nur etwas genauer als aus der flüchtigen An schauung einer dahin angestellten Lustreise kennt, dem wird bekannt sein, daß der Boden, in dem der Wiener Sortimentsbuchhandel wur- zeit, — der A d el ist. Aus dem Mittelstände ist es fast nur dieBe- amtenclasse, auf die sich sein Wirkungskreis beschränkt; denn eine Bi bliothek, wie sie im übrigen Deutschland jeder halbwegs bemittelte Gebil dete besitzt, suchte man, -—mit gewiß sehr seltenen Ausnahmen — bei mehr als wohlhabenden Bürgern hier vergebens- Jene Hauptabsatzquelle also — der Adel -— war bis vor dem März des heurigen Jahres dem Sortimenter das ganze Jahr hindurch geöffnet, und versiegte alljährlich nur von Mitte Juni bis Ende Au gust, in welchen Monaten die Aristokratie durch Reisen und den Be such ihrer Landgüter von Wien abgezogen ward. Jene Herren, welche Gelegenheit hatten, den Eintritt dieser Mo nate in einem Wiener Geschäfte zu beobachten, werden dieß bestätigen, zugleich aber auch bezeugen müssen, daß mit diesen Monaten ein vollkommener Stillstand in dem Geschäftsbetriebe sich einstellte. So standen die Verhältnisse sonst, und der Sortimenter konnte ruhig der dreimonatlichen Ebbe zusehen, denn er wußte ja den Zeit punkt, wann die Fluth wiederkehren würde. — Doch ganz anders war cs in dem heurigen Jahre. Die Pariser Februar-Ereignisse gaben das Signal zum Aufhören jeder ernsteren, die Tages-Eceignisse nicht berührenden, Lektüre; Jour nale waren von nun an der alleinige Anziehungspunkt für's Publikum, — und der Bücherankauf von dieser Zeit an abgeschnitten. Die Märztage und ihre Folgen hatten den größten Theil des Adels bewogen, Wien zu verlassen; der kleinere, weniger vermögende Theil, der zurück geblieben war, und in welchem der Buchhandel ohnehin keine sonder liche Stütze fand, folgte nach den Mai-Ereignissen dem Beispiele des Kaisers, und verließ Wien ebenfalls; alle jedoch, >— durch die schon seit längerer Zeit gedrückten Geldverhältnisse in Oesterreich in bedräng ter Lage, welche im Verein mit dem durch Aufhebung von Nobott und Zehent entspringenden Ausfälle an der sonstigen Einnahme und der damit verbundenen Wecthlosigkeit der Güter sie vollends außer Stande setzte, ihre Schuld zu tilgen; und das Bedürfniß fühlend, bei den dro henden Gestaltungen der Zukunft nicht gänzlich von Gelde entblößt ihr entgegen zu treten, — reisten ab, ohne ihre vorjährigen Rechnun gen zu bezahlen oder auch nur ein s Lonlo darauf zu leisten. Den August- und September-Unruhen, welche die Rückkehr der Aristokratie ohnedieß verhinderten, folgte nun der für Wien verhäng- nißschwere Octobermonat, dessen Ereignisse jene Wenigen, die sich al lenfalls schon zur Rückkunft angeschickt hätten, wieder zurückscheuchten. Der andere kleineTheil der Kunden, größtentheils Beamte, wurde durch die mißlichen Zeitumstände, die Letzteren besonders durch ihre Ge haltabzüge, für den Buchhandel vollends unmöglich. — Das Vorstehende in wenige Worte gebracht, gibt von der Lage des Wiener Sortimenters folgendes Bild: Nicht allein, daß der Kundenkreis, der sonst blos für ein Vier teljahr nicht zu cultivircn war, Heuer bereits durch volle 10 Monate gänzlich verloren ist, so sind auch die großen- theils bedeutenden vorjährigen Rechnungen desselben noch unbezahlt und fehlen, da diese Kunden auf Reisen ohne bestimmten Aufenthalts ort, dem Buchhändler die Mittel, seine Forderungen einzutreiben; au ßerdem bildeten in dem geringen Verkaufe von Flugschriften und Ge legenheitsbroschüren — worauf sich seil März die Geschäfte des Wiener Sortimenters reduciren — die jeweiligen Revolutionstage Pausen von zwei, drei Tagen und noch mehr, ja bis zu 13 Tagen (z. B- vom 26. Oktober bis 7. November), während welcher dieGeschäfts- locale geschlossen blieben; Pausen in dem Eassabucbe, die dagegen im Spcsenbuche als Posten an Besoldung des Personals, Bestreitung der Miethe u. s. w. mit nicht unbedeutenden Ziffern ausgefüllt sind. Zu all' diesen Drangsalen kommt nun noch nach einer Beschießung mit Brand und theilweiser Plünderung verbunden, ein Belagerungszustand von unbestimmter Dauer, und dessen erster Druck sich damit ankün digt, daß es nicht gestattet wird, die bereits seit 4 Wochen auf der Mauth lagernden Postpakete und Ballen zu beziehen; daß >edes Er- zeugniß der Presse — den offiziellen Theil der Wiener Zeitung ausge nommen — vor dem Erscheinen, der ausdrücklichen Bewilligung der Militärbehörde bedarf, wodurch unseren Geschäften auch der letzte ge ringe Verkehr mit Flugschriften eingestellt ist; so daß, — wenn es früher tumultuarischerAuftritte halber nicht möglich war, die Geschäfts locale zu öffnen, — es sich gegenwärtig der Todtenstille wegen, die im geschäftlichen Leben herrscht, nicht verlohnt, dieß zu thun. So ist der Zustand der vordem blühendsten Sortimentsgeschäfte in Wien in ungekünstelten, aber treuen und wahren Zügen, deren Richtigkeit gewiß alle jene Herren Verleger, welche Wien in diesem Jahre besucht haben, bezeugen werden. Desto kränkender muß es nun aber für den redlichen Geschäfts mann von gutem Willen sein, wenn er diesen von seinen Geschäfts freunden verkannt sieht, desto trostloser seine Lage, wenn er von ihnen stattNachsicht und Unterstützung nur kalte, rücksichtslose Härte erfährt; und so ist es leider mit dem größten Theile der Herren Verleger der Fall. Sie nehmen auf unsere Ausnahmsverhältnisse durchaus keine Rücksicht, sondern lassen, wenn man in den Fall kommt, einen ihrer Artikel zu verschreiben, — den Zettel unberücksichtigt liegen, oder derselbe kommt nach sechs bis acht Wochen, statt des sehnlich erwarteten Buches, mit der lakonischen Bemerkung: „Wir ersuchen zuvor um Ausgleichung des Saldo"— zurück; andere wieder drohen, falls sie nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkte befriedigt sein würden, mit Bekanntmachung der Firma im Börsenblatte, oder senden keine Nova mehr ein. Und doch, glaubt der Verfasser dieser Zeilen, wäre es nicht un billig, zu verlangen, daß der Verleger, bevor er solche strenge Maaßre- geln eintreten läßt, das Conto des betreffenden Sortimenters zur Hand nehme, um zu sehen, ob und wie derselbe alljährlich seinen Verpflichtungen lässig nachkommt, und ob dann ein solches Verfahren, wie das oben ange führte, ganz an seinem Platze ist; —war dieß aberbisher nicht der Fall, — hat derselbe sonst pünktlich und ordentlich bezahlt, so dürfte, dabei doch den Zeitumständcn und Lokalverhältnissen Rechnung zu tra gen, nicht zu viel verlangt sein.
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