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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1869
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1869-07-28
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1869
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- Deutsch
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2362 172, 28. Juli- Nichtamtlicher Theil. selbst ein Autor von nicht geringen Ansprüchen, durch königliches, feierlich abgefaßles und mit dem großen Staatssiegel bekräftigtes Ausschreiben das Privilegium: „Die Wohlthätigkeit wohl-disponir- ter Personen innerhalb des Königreichs England nachzusuchen — die Almosen aller unserer geliebten Unterthanen zu erbitten, zu sammeln und zu nehmen." Dieses königliche Rcscript hatten alle Geistlichen von den Kanzeln zu verlesen. Nun, das Betteln stand den Gelehrten und Schriftstellern ja wohl in allen Ländern frei; daß es jedoch als huldreiches Privilegium für wissenschaftliche Verdienste durch eine königliche Staatsurkunde bewilligt werden könnte, war ein Gedanke, zu dem sich nur der britische Salomo emporzuschwingen vermochte. Shakespeare erhielt für seinen „Hamlet" nur 5 L und für die meisten seiner anderen Dramen nnr dann etwas, wenn er selbst darin mit spielte. Die Veröffentlichung durch den Druck soll ihm im Gegen- theil noch Geld gekostet haben. Die späteren zahlreichen Herausgeber seiner Werke haben bessere Geschäfte damit gemacht. Schon Dr. Johnson erhielt für die erste Auflage der von ihm hcrausgegebenen Shakespeare'scheu Dramen 375 L und für die zweite Auflage 100 L. Milton vollendete sein „ Dsrsäiss lost" im 58. Lebensjahre am 27. April 1667 und er verkaufte das Manuscript am selben Tage an einen Buchhändler für 5 L, jedoch unter der Bedingung, daß für jede, auf 1300 Exemplare festgesetzte, neue Auflage eine weitere Zah lung von 5 L erfolgen sollte. Er erlebte jedoch die zweite Auflage nicht und seine Wiltwe verkaufte demselben Buchhändler alle ihre Anrechte an das Werk für 8 L. Die Tochter des großen Staats mannes und Dichters lebte später von den Almosen, welche die Be wunderer ihres Vaters ihr gelegentlich zukommen ließen. Der Ver leger Tonson machte übrigens bessere Geschäfte mit dem unsterblichen Gedicht. Lisracli erzählt, daß er als junger Anfänger nicht im Stande war, Dryden 20 L für eines seiner Dramen zu zahlen, und sich mit einem andern Buchhändler vereinigen mußte, um diese Summe auszubringen. Das Drama verkaufte sich und Tonson gewann so viel, daß er alle späteren Werke Dryden's kaufen konnte. Er zahlte diesem 268 L für 10,000 Verse. Dryden und Milton machten ihn zum reichen Manne und er hintcrlicß bei seinem Tode ein Vermögen Von 200,000 L. Schriftsteller, welche aus der Literatur eine Profession machten und von ihrer Feder allein zu leben suchten, treten in England frü her auf als in Deutschland und bildeten schon im vergangenen Jahr hundert eine ziemlich ausgedehnte Erwerbsclasse. Zn ihnen gehörte auch der berühmte und seiner Zeit sehr überschätzte Dr. Johnson. Dieser wollte nie anerkennen, daß der Autor von einem anderen Motive, als dem des Gelderwerbes, geleitet werden konnte. Er er warb übrigens selbst nicht viel, und das Honorar, das er für sein heute noch in allen Schulen eingcführtes „Dictionary" bezog, war ausgegebcn, ehe noch das Werk im Druck erschien. Smollctt, wohl der bedeutendste Romandichtcr der englischen Literatur, brachte es nie zu einer Eguipage im tzydcpark, obgleich seine Bücher durch die Schärfe und Wahrheit ihrer Charakter- und Lebensschilderungen gleich bei ihrem Erscheinen großes und allgemeines Aufsehen erreg ten und heute noch kein urteilsfähiger Leser verkennen kann, daß ein einziger seiner Siltcnromane aus der höheren und niederen Ge sellschaft mehr ästhetischen und culturgeschichtlichcn Werth beanspru chen darf, als alles was Miß Braddon geschrieben und mit enormem Gewinn auf dem Büchermärkte verwcrthet hat. Die Honorare, welche Smollctt bezog, waren so geringfügig, daß ertrotz seines angestreng ten Fleißes einen schweren Kampf mit dem Elend zu kämpfen hatte. Noth und Verzweiflung trieben ihn aus seinem Vaterlande und er starb, von allem entblößt, in einem obscuren Dorfe Italiens am ge brochenen Herzen. Alle Spuren seines Grabes sind verschwunden. Hätte er nur noch zwei Jahre länger gelebt, so würde er in den Be sitz eines Vermächtnisses getreten sein, das ihm ein Jahreseinkom men von mindestens 1000 L verbürgte. Kurz vor seinem Tode schrieb er: „Wenn einige meiner angeblichen Freunde mir offen gesagt hät ten, was meiner auf der Autorlaufbahn wartete, so würde ich mir Lurch zeitige Umkehr die unglaubliche Mühe, Sorge und Noth, die seitdem mein Loos gewesen, erspart haben." Der erste, welcher verhältnißmäßig gute Geschäfte mit seiner Schriftstellerei machte, war Pope. Er erhielt 215 L für jeden der 6 Bände seiner Homer-Uebersctzung und außerdem von 654 Sub- scribenten noch an Ueberzahlung 5320 L. „Keine ähnliche Ermun terung zur literarischen Arbeit war je früher vorgekommen" — sagt Disraeli. Auch wußte er seinen Erwerb haushälterisch zusammen- zuhalten und kaufte sich mehrere Leibrenten, von denen eine im Be trage von 500 L per Jahr auf den Gütern des Herzogs von Richmond lastete. Daneben vermochte er sich seine reizende, heute noch als „Pope-House" neben denParkpalästen derOrleans keine verächtliche Rolle spielende Villa am Thcmseufer in Twickenham für 5000 L zu erwerben. Jetzt ist das Landhaus mit seinem baumschattigcn Wie sengrunde mindestens das Dreifache werth. Der König gab für sein Exemplar 200 und der Prinz von Wales 100 L. Ueberhaupt ist es auffallend, daß sich Pope trotz des Radicalismus seiner politi schen und religiösen Ansichten, die in allen seinen Schriften mit pa thetischer Kühnheit ausgesprochen sind, auf dem besten Fuße mit der conservativen Geburt- und Geldaristokratie zu erhalten wußte. Heute würde eine gleicheProtection nnd lhatkräftigc Toleranz einem Schrift steller von der Bedeutung Pope's nicht gewährt werden. Für seine Odyssee erhielt er 2855 L — also im Ganzen mindestens den zehn fachen Betrag des Honorars, den unser Voß für seine, auch in Eng land als bedeutend besser anerkannte Homer-Uebersctzung bezogen haben mag. Auch seine kleineren Gedichte wurden verhältnißmäßig gut bezahlt. Für sein „^Viuäsor Dorost" schrieb ihm sein Verleger 32 L 5 Sh. gut; für die Ode an St. Cäcilia — 15 L; für den „Dsurpls ok b'nine" — 32 L 5 Sh. u. s. w. Auch machte er Ge schäfte, die mit der Ehre eines Schriftstellers unserer Zeit kaum ver träglich sein würden. In dem zuletzt genannten Gedicht hatte er un ter dem Charakter der „Atossa" eine Satyre auf die Herzogin von Marlborough beabsichtigt, nnd er nahm von Ihrer herzoglichen Gnaden 1000 L für die Ausmerzung der satyrischcn Pointen vor dem Druck. — Sheridan verstand es ebenfalls, aus der Literatur eine Milchkuh zu machen. Seine Ucbersetzung des „Pizarro" brachte ihm 1500 L ein; während Goldsmilh froh war, seinen „Vicsr ob Mnkoüolä" für 10 L verkaufen zu können. Das Verlagsrecht von Wyse's „Spelling-book", in welchem die englische Orthographie als regellose Gcdächtnißsache traclirt wird, wurde übrigens auf einer Auction verkauft für 2200 L und für einen dem Verfasser zu zahlen den Jahrgehalt von 52 Guineen. Der berühmte Essayist Charles Lamb schrieb an den jungen Dichter Bernard Bardon, der ihn über seine Absicht, die Schriftstellern zurProfcssion zu machen, um Rath gefragt hatte: „Die Literatur ist eine sehr schlechte Krücke, aber ein sehr guter Spazierstock." Das hat sich nun allenthalben und namentlich in England bedeutend geändert. Die „Literatur", wenigstens dic Unterhaltungs- und Tageslitcratur, die Belletristik und Publicistik, ist eine Profession geworden, die ihren Mann ernährt. Gleichwohl möchten wir einem jungen Manne ohne entschiedenes Talent und bedeutende Vorkcnntnisse nicht rathen, sich diese Profession zum Lebensbcrufe zu erwählen. Die Erfahrung zeigt, daß es sehr leicht ist, als Pcnny-a-lincr und als Skizzen- und Novellcnschreiber ein jährliches Einkommen von 200 bis 300 L zu erwerben; aber es ist schon sehr schwer, selbst in diesem goldenen Zeitalter der Literatur, 700 oder 800 L Jahrescinnahme mit der Feder zu realisiren. Diejenigen, welche vom Schreiben leben wollen, müssen schreiben, um zu leben; sie müssen zu viel, zu schnell und über zu verschiedenartige Gegenstände schreiben, um so gut schreiben, so tief denken zu können, als Diejenigen, welche im Stande sind, fünf Jahre auf die Bezahlung ihrer Arbeit zu warten, und
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