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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.08.1869
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1869-08-23
- Erscheinungsdatum
- 23.08.1869
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- Deutsch
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- Saxonica
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Nichtamtlicher Theil. Zum Censurwesen in Rußland. In Nr. 158 des Börsenblattes findet sich eine Miscelle, der zu folge ein russischer Censor aus irgend einem Artikel die Worte „Sclave seiner Leidenschaften" gestrichen und in „Neger seiner Lei denschaften" verbessert haben soll. Daneben fällt dann auch ein Streiflicht, welches die Ignoranz der russischen Censoren von heute ziemlich grell beleuchtet. Habe ich nun auch bei allem Zweifel kein Recht, die ganze Anekdote als einfach erfunden (und das nicht ein mal bans) zu erklären, so glaube ich doch, daß es dem Hauptorgane des deutschen Buchhandels gefallen wird, einen Platz in seinen Spal ten diesen Zeilen einzuräumen, die im Sinne des audiatur st altsra xars lediglich erklärend und zurcchtstcllend sein wollen. Zwar nicht Censor, sondern vielmehr Buchhändler von Fach, stand und stehe ich mit der russischen Censur seit 13 Jahren in unausgesetztem Verkehr und zwar an verschiedenen Plätzen des Reichs, glaube also nicht un bescheiden zu sein, wenn ich mich in dieser Sache zu einem Worte be rechtigt halte. — Ueberall noch fand ich die russischen Censoren wis senschaftlich wohl- oft selbst vorzüglich gebildet, und war es mir immer bedauerlich, daß solche Kräfte im Eunuchcndienst Verwendung finden mußten, während sie doch recht wohl befähigt gewesen wären, ein Katheder zu zieren. Schwachköpfe sind mir selten, öfters aber böswillige Charaktere begegnet. Ich konnte mir die letztere Charakter richtung immer nur dadurch erklären, daß diese Herren, unbefriedigt durch ihre Thätigkeit, mit sich in einem innern Zwiespalt leben muß ten, der sie mir stets mehr zum Gegenstand des Bedauerns als des Hasses machte. Auch Ccnsorcn-Jdealisten sind mir vorgekommen, die ihre Stellung ebenso erhaben ausfaßlcn, wie etwa ein begeisterter Polizist, der sich für den Atlas hält, auf dessen kräftigen Schultern der ganze Staat wohl und sicher ruhen kann. Wie eine gute Ge- sundhcitspolizei von unserer Nase alle Übeln Gerüche fern hält mit Aufopferung der eigenen Geruchsnerven, ebenso bewahrt der Censor- Jdealist unfern Kopf vor destructiven Tendenzen, während er sein eigenes Haupt täglich dem Sturm von Ideen aussetzt, die Staat, Kirche, Familie und alles was uns heilig sein soll, untergraben (und man übersehe nicht, daß der Mann meist noch Frau und Kinder hat). Wir dürfen billig lächeln auch über diese Richtung, aber wir dürfe» nicht ungerecht und absprechend im Allgemeinen sei». Auch die Censur-Jnstitution hat sich in Rußland, wie alles Andere, lebhaft zum Bessern entwickelt. Jedem Gebildeten in Rußland ist heute fast jedes Buch zugänglich. Wohl alle Buchhandlungen Ruß lands benutzen gegenwärtig gedruckte Formulare etwa also lautend: „Das Censur-Comitö zu A. ersuche ich, mir das unten verzeichnete Buch zu meinem persönlichen Gebrauch durch die Buchhandlung von D. verabfolgen zu wollen, und verpflichte ich mich, dies Buch andern Personen nicht mitzutheilcn." Diese Ceusurzettel sind so sehr im Schwange und werden auch wohl öfters von bloß mythischen Pro fessoren, Generalen, Kaufleutcn re. unterschrieben, daß dem Buch händler nicht selten ganze Stöße verbotener Bücher ausgeliefert werden. Alles was heute noch von der Bücher-Censur übrig ist, läuft schließlich auf eine sicher entbehrliche, Geld, Zeit und Arbeits kraft raubende Durchsicht der Sendungen hinaus; ja es ist vollkom men wahr, daß Rußland die Censur ebenso gut entbehren kan», wie die meisten andern Länder Europas. Und Loch ist die Präventiv- Ccnsur immer noch einem Preßgesctze vorzuziehcn, das zwar in erster Stelle von Preßfreiheit spricht, aber drakonisch verclausulirt, den Buchhändler stets zwischen Himmel und Hölle schweben läßt. — Unser Anckdotist scheint aber mehr an die Zeitungscensur gedacht zu haben. Wie frei sich aber gerade die Presse Rußlands in der kürzesten Zeit entwickelt hat, davon kann sich Jeder des Russischen Kundige gar leicht überzeugen. Dabei soll aber nicht verschwiegen werden, daß die polnische Presse fast ganz, die baltische wenigstens über Manches zum Schweigen verurtheilt ist. Aber wie steht cs denn nun doch um den „Neger seiner Leiden schaften"? Ist diese Correctur wirklich vorgekommen, so wäre sie bei aller ihrer Lächerlichkeit doch kaum auf einfache Ignoranz zurückzu führen, und dürften wir diesen Ballh orn der Gegenwart vielleicht besser verstehen, wenn wir annehmen, daß er nicht etwa, wie eine große Zahl seiner Kollegen, deutschen Stammes, sondern nationaler Russe, und insbesondere Anhänger jener hypernationalen Rich tung sei, die ihre Hauptvertreter in den Herren Katkoff zu Moskau und Krajurski zu St. Petersburg hat. Diese Schule ist gründlich und will mit allem aufräumen, was ihr Mißfallen erregt. Dahin gehört denn auch das allen mittel- und westeuropäischen Sprachen eigene Wort „Sclave", das allerdings nichts anderes ist als „Slave". Es läßt sich nicht leugnen, daß es sein Unangenehmes hat, wenn der Name des eigenen Volksthums für Andere der Ausdruck tiefster Niedrigkeit ist. Die Schweizer unserer Tage haben uns eine spre chende Analogie geboten, indem sie die Söldlinge in neapolitanischen Diensten nicht länger,, Schweizer" genannt wissen wollten; wie man denn auch einen Schweizer nicht leicht unangenehmer berühren kann, als wenn man einen Thürstcher, den nicdern oder höher» Hausknecht einen „Schweizer" nennt. Des jung-russischen Censors Brust mochte bei jenem „Sclave seiner Leidenschaften" von ähnlichen Gefühlen bewegt werden, und da er den Schatz deutscher Synonymik, wie leicht erklärlich, nicht so ganz beherrschte, so kam ihm statt des jedenfalls bessern „Knecht" der freilich wohl auch dahin gehörige, hier aber doch höchst lächerliche „Neger" in die Feder. Das Wort „Sclave" ist übrigens allen Slaven zuwider. Auch aus polnischen Schriftstellern ließen sich Beispiele in Menge hierfür anführen, die namentlich für die Deutschen nicht immer schmeichel haft ausfallcn könnten; und so wenig der Deutsche wünschen kann, daß das den Franzosen in Bezug auf ihn so sehr geläufige ,,'1'st« eai-rss" mit „^Ilsmand" synonymisch werde, ebenso verzeihlich ist am Ende das Unbehagen der Slaven, wenn sie ihren alten und schö nen Volksnamen von den meisten andern europäischen Völkern dazu herabgewürdigt sehen, der Ausdruck für denjenigen Zustand zu sein, welcher aller Menschenwürde baar ist. S. P. B-, Ende Juli 1869. Rennest. Frage an einen Rechtsverständigcn. Verwirrung der Begriffe, — Verschiebung der Verhältnisse, — einseitige Auffassung aus Bequemlichkeit und aus Eigennutz, — ihr trüben Nebel umschleiert nicht das strahlende Reich der deut schen Buchhändler! Wo die Heroen der geistigen Welt Wache halten am Pult ihres Trägers, wo sie herabschauen auf die gebeugten Schultern ihres emsigenDieners, der ihren millionenfach vermehrten Samen ausstreut unter allen Völkern, auf daß es Licht werde —, da kann kein Nebel, kein Dunkel sein. Beobachten wir ihn näher, den Träger der Wissenschaft, de' Wengler erfand und dem seit seiner Erfindung bange ward um vice ungeahnte Last! — Der Lampe Heller Schein umstrahlt sein ergru- cndes Haupt, das matte Auge, durch Gläser geschärft, ruht sin^nd aus einem Papier, mit sinnreichen Zeichen bemalt in allen Faden, nach allen Richtungen. Gewiß ein uralt ehrwürdiges D^kmal menschlichen Geistes! — Ja freilich! ein 6 mal zurückgehrte Rech nungsauszug mit 8 Bemerkungen, 5 Reclamationen, 2 Secisica- tionen, 3 Dummheiten und 1 Grobheit, — und letztere s es, die den Träger denken macht, still, tief, aber grimmig! §ehe Feind in der Ferne, auf dessen Brust er jetzt die sch^ gespitzte Waffe richtet! Schon hebt er aus zu gewaltigem da —
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