Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1870
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1870-03-03
- Erscheinungsdatum
- 03.03.1870
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18700303
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187003036
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18700303
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1870
- Monat1870-03
- Tag1870-03-03
- Monat1870-03
- Jahr1870
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 51, 3. März. Nichtamtlicher Theil. 703 man durch da« Gesetz z. B. vorschreiben kann, dass einem unschuldigen Menschen der Kopf heruntergeschlagen wird; sie geben vielmehr alle zu, daß eS sich um ein Verbictungsrecht handelt, welches sich stützt auf lltili- tätSgründe. Wir haben daher zu untersuchen, ob überhaupt UtilitätL- gründe für ein solches Verbietungsrecht vorliegcn, und ob diese UtilitätS- gründc so weil reichen, so exorbitant weitgehende Vorschriften zu rechtfertigen, wie sic der gegenwärtige Gesetzentwurf enthält. „Eigenthum an einer Idee!" Ja, meine Herren, was ist das? So lange ich meine Idee für mich behalte, bin ich ganz »»zweifelhaft ihr Eigcnthümer; aber ich habe sehr große Zwei fel, ob eine heruntergeschlucktc Idee überhaupt eine Idee ist, sie ist eö viel leicht so wenig, wie ein unausgeschlosscneö Bergwerk ein Wcrthobject ist: da weiß man auch nicht, was darin enthalten ist. Sobald ich aber meine Idee mittheile, ich will nicht sagen auf dem Wege der Schrift oder des Druckes, sondern nur aus deni Wege der mündlichen Unterhaltung, so entäußere ich mich selbst ja dieser Idee und mache sic zu einem Gemeingut Derjenigen, welchen ich sie mitthcile, ohne dieselben irgendwie zu verpflichten, diese Idee nicht weiter fortzupflanzen. Ich glaube affo nicht an ein körperliches Eigen thum an Geisteswerken. Ich glaube nicht weitere Ausführungen darüber nöthig zu haben einer so erleuchteten Versammlung gegenüber, wie es der Reichstag dcö Norddeutschen Bundes ist, denn wir Alle, meine Herren, sind ja Autoren kraft der Worte, die wir hier sprechen. Die Worte, die wir hier sprechen, sind ja auch, so hoffe ich, GeisteSproducte; cs ist aber noch Nie mandem eingefallen, an diesen Gcistcöproductcn ein „Eigenthumsrecht" in Anspruch zu nehmen, um deren weitere Verbreitung zu verbieten, im Gcgen- theil, wir sind den Herren Berichterstattern der Zeitungen um so mehr zu Dank verpflichtet, je ausführlicher und vollständiger und correcter sie diese unsere GeisteSproducte in möglichst ausgedehnte Kreise verbreiten. Das eht so weit, daß wir, weit entfernt einen Anspruch auf Honorar zu erhe- en für diese unsere GeisteSproducte, ja noch nicht einmal Diäten genießen, (Heiterkeit) und daß sogar ein Vorschlag aufgctaucht ist, jedes Wort, das hier gesprochen 'wird, zu Lasten de« Sprechenden mit einem Silbergroschen Steuer zu belegen, (Heiterkeit) ein Vorschlag, der vielleicht durch einen bloßen Zufall bei der großen Steucr- razzia des vorigen Jahres im Portefeuille liegen geblieben ist. (Heiterkeit.) Nun sagt man freilich: wenn man kein Autorrecht, kein Verlegerrccht, kein Honorar statuirt, so bleibt die geistige Arbeit ungcthan. Meine Her ren, ein Blick auf die Jahrtausende lange Geschichte des menschlichen Ge schlechts liefert doch dafür den handgreiflichsten Gegenbeweis. Ich habe wenigstens nie etwas davon vernommen, daß Homeros für seine un sterblichen Gesänge, daß Sokrates für seine philosophischen Convcrsationen, daß Plato sür seine Werke irgend ein Honorar bekommen hat; sie haben diese Geistesarbeit verrichtet, weil der Geist sic trieb; und ich halte unser Jahrhundert für nicht so tief heruntergekommen, daß nicht auch heute noch dergleichen Fälle Vorkommen werden. Gehen wir srcilich weiter in der Ge schichte, so wird man mir sagen: ja, aber Aristoteles hatte doch schon seinen Alerander und Horaz seinen Mäcen, und in späteren Zeitaltern hatten die Schriftsteller ihre Mcdicis, ihre Louis UV und sonstige hohe Gönner, die ihre geistige Arbeit, nota bene wenn sie ihnen gefiel, zur Genüge zu be lohnen wußten. Nun ist cs ja richtig, daß cS heutzutage in dieser Welt, die auf anderen materiellen Voraussetzungen aufgcbaut ist als daö Altcr- thum, größerer Anlockungen zur'geistigen Thätigkcit bedarf, und man hat sich denn am Ende zwischen zwei Systemen zu entscheiden, wie sie auch bei der Patcntgcsctzgebung zur Sprache gekommen sind; das eine derselben ist freilich noch nicht zur Genüge praktisch durchgcführt. Es ist nämlich das System des Monopols auf der einen Seite und daö der Nationalbclohnung auf der andern. Nun hat die Nationalbelohnung auch auf dem Gebiete der geistigen Production gewiß sehr Vieles für sich und obgleich sie gesetzlich nicht geregelt ist, findet sie doch jeden Tag Anwendung seitens solcher Per sonen, welchen ihre erhabene Stellung oder ihr bedeutender Besitz die Aus übung dieser auf der Gesellschaft lastenden Pflicht möglich macht. Aber nach sorgfältiger llebcrlegung bin ich zu dem Resultat gekommen, daß das Syflem der Nationalbclohnung in der gegenwärtigen Zeit schwerlich schon als ausreichend betrachtet werden dürfte, und daß dies namentlich auf dem Gebiete der Schriftstellern der Fall sein wird; denn in einer Zeit wie die gegenwärtige, welche so sehr von Parteigegensätzcn und Kämpfen zerrissen wird, fürchte ich sehr, dag solche Rücksichten ihr Gewicht auch bei Denjenigen geltend machen würden, die über die Vertheilung solcher Nationalbclohnungen zu verfügen haben. Ich bekämpfe deshalb da« Autorrecht nicht prinzipiell, ich gebe zu, daß wir es bis zu einem gewissen Grade für den gegenwärtigen Augenblick nicht entbehren können. Nun stehen wir Angesichts eines umfangreichen Gesetzes, welches viel Neues enthält, und es wird uns Angesichts dieses Gesetzentwurfs von den Vertheidigern desselben gesagt: „beschränken wir uns darauf zu codificiren; alles klebrige wollen wir unterlassen." Meine Herren, das halte ich für einen ganz verkehrte» Standpunkt, wenn wir einem Gesetz, welches an der Blüthezcit des alten Bundestages datirt, und welches auf den einseiti gen Antrag bestimmter Interessenten erlassen ist; einem Gesetz, welches dreißig Jahre alt ist, welches sich während dieser dreißig Jahre nicht bewährt hat; welches nicht im Stande war, eine einheitliche Rechtsprechung herbeizu führen ; welches nicht im «lande war, die collidirenden Interessen zu ver söhnen ; welches nicht im Stande war, der geistigen Production in Deutsch- jand denjenigen Aufschwung zu geben, welchen man von ihr erwarten könnte in Anbetracht des Hohen Grades der Cultur unserer Nation, — wenn wir einem solchen nicht bewährten, ich möchte geradezu sagen, schlech ten Gesetz aus der alten Zeit den Stempel der Autorität der aufsteigenden neuen Zeit ohne Weiteres aufprägen. Ich, meine Herren, würde Ihnen verschlagen, mit diesem alten Gesetz vor allen Dingen einmal gus-egtio otutus zu machen und es nach seiner Berechtigung bis auf's gründlichste aus- und durchzufragen. Und wenn wir das thun, meine Herren, dann dürfen wir uns nicht auf den einseitigen Standpunkt der Interessenten stellen, oder, um cs richtig zu sagen, der einen Seite der Interessenten; wir dürfen uns nicht einseitig als Vertrauensmänner der Berlagsbuchhänd- ler auffasscn: wir müssen vor allen Dingen das Interesse der Masse im Auge haben, das Interesse der Nation, der wir ihre geistige Nahrung zu führen und sichern wollen, das Interesse der Consumenten, die man leider in solchen Fällen so wenig zu hören gewöhnt ist. Ich, meine Herren, sage nicht, man soll die Interessenten nicht fragen; sie sind gefragt worden, ich habe nichts dagegen, daß sie gefragt worden sind: aber, meine Herren, man soll auch die Andern fragen, und man soll sich nicht dem veralteten Jrrthum hingebcn, daß die Interessenten die einzigen Sachverständigen sind. Es sind Leute, die mit ihrem Geldbeutel an diese Frage gefesselt sind, ob aber der Geldbeutel derjenige opiridus kamiliuris ist, der ihnen die Rathschläge gibt, welche zugleich dem Interesse der Gesammtheit ent sprechen, oas ist eine ganz andere Frage, die wir dock mindestens zu prü fen berechtigt sind, wenn wir sic auch nicht von vornherein verneinen wollen. Wenn wir uns aber auch für das Bestehen des Schutzes entscheiden, meine Herren, so ist Schutz und Schutz zweierlei. Es fragt sich vor allen Dingen: auf welche Gegenstände ist dieser Schutz auözudehnen? soll er dieses ganze große Terrain occupiren, welches in dem Gesetzentwürfe vorge sehen ist: also Schriftwerke, Musik, öffentliche Aufführungen aller An, bildende Kunst, Photographien u. >. w.? und soll inan darin bis in all dieses minutiöseste Detail einer übermäßig durchgcführten Casuistik cinge- hen? Oder soll man den Schutz auf ein engeres Gebiet beschränken? Uno die zweite Frage ist die: auf wie lange Zeit soll der Schutz gewährt wer den? Der vorliegende Gesetzentwurf gewährt ihn offenbar auf eine un gleiche Zeit und auf eine zu lange Zeit: er gewährt ihn erstens auf die Zeit des Lebens des Autors und dann noch dreißig Jahre über dessen Tod hinaus. DaS Ende dieser Frist kann man also von vornherein niemals abschen, weil man niemals wissen kann, wie lange der Autor lebt; und diejenigen Autoren, welche früh sterben — und das ist ja nach unserer irdischen Auffassung ohnedies schon gerade kein Vortheil — die werden da für nochmals besonders bestraft, indem die Frist ihres Autorrechts durch ihren Tod abgekürzt wird. Ich meinerseits bin gegen diese Art der doppel ten Fristberechnung, welche sich, wenn man das Menschenleben zu .dreißig Jahren nimmt und dann noch dreißig Jahre dazu thut, auf sechzig berech net und also einen für uns kurzlebige Menschen enorm langen Zeitraum von zwei Menschenaltcrn umfaßt; ich bin dafür, daß wir die Frist gleich setzen, und daß wir sie kurz setzen: daß wir sie setzen auf 15, auf 20, auf 28 Jahre, wie in England, aber daß wir ein bestimmtes Maß unter allen Umständen firiren. Man thut so, meine Herren, als wenn dieses Autor- und Verlagsrecht ein seit Erschaffung der Welt bestehendes Ding wäre: ich habe schon einige Momente hervorgehoben, die diese Meinung aus daS schlagendste widerlegen. Es stammt nicht einmal aus dem Mittelalter, das überhaupt meiner Meinung nach in einem viel höheren Maße die Zeit der wirthschaftlichen Freiheit war, als eS Viele gelten lassen wollen; cS stammt aus der Zeit der Blüthe des territorialen Klein-Fürstenthums, das für sich alle möglichen Regalien und Vorrechte in Anspruch nahm und dieselben wieder in kleinen Dosen vertheiltc an seine Günstlinge in Form von Monopolen und Privilegien, es stammt aus jener Zeit, wo kein deut sches Territorium was Besseres zu thun wußte, als seine Nachbarn nach Möglichkeit zu schädigen, und wo es seinen eigenen Vortheil nicht anders glaubte verfolgen zu können, als in der Beschädigung seiner Anlieger. Da mals wurden allerdings nur privilsAia siuAulorum ertheilt und es bestand natürlich keine gemeinschaftliche Gesetzgebung. Heute wollen wir den Schritt vorwärts thun und eine gemeinschaftliche Gesetzgebung machen, womit ich mit vollem Herzen einverstanden bin, vorausgesetzt, daß sie auf rationeller Grundlage beruhet; ich glaube aber, daß die cinbeitlichc Gesetzgebung nicht ausreicht, wenn wir nicht gleichzeitig eine einheitliche Jurisdiction, verkör pert in einem obersten Gerichtshöfe, haben, sonst würde die Rechtsprechung auch wieder nach allen Winden der Rose auseinander fliegen. Nun möchte ich auf etwas aufmerksam machen: bekanntlich wobnt die 100*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder