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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.03.1870
- Strukturtyp
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- 1870-03-04
- Erscheinungsdatum
- 04.03.1870
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- Deutsch
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724 Nichtamtlicher Theil. 52, 4. März. zugleich aus den Schultern seiner Vorgänger steht, weil erdcr Erbe von Jahrhunderten ist, so ist es auf der an dern Seite auch billig und recht, daß dies sein Recht nur ein begrenztes ist, daß cs wieder untergeht in demRechte der Gesammtheit. Und da finde ich denn auch allerdings, daß vielleicht die Schutzfristen unseres Gesetzentwurfs zu lang bemessen sind, daß sie jedenfalls anders abgegrenzt werden müssen." Das klingt außerordentlich weise und ist eine wohlgesetztc Rede, allein näher besehen hat dieselbe nur den Schein von Recht und Billig keit und leidet an dem schweren Mangel, daß die Beweisführung aller und jeder Logik gänzlich entbehrt. Vor allen Dingen ist einzuwcndcn, daß nicht bloß unser Schrif tenthum, unsere Literatur und unsere Dichtkunst, sondern auch unsere Kunst und Wissenschaft und wiederum nicht nur diese, sondern die Ge- sammtheit der Lebenden, einschließlich der Gesammtheit der Arbeiter, auf dem Boden der Vergangenheit steht. Nicht der Ackersmann, nicht der Handwerker, nicht der Fabrikarbeiter vermöchte das, was er heute leistet, auch dann zu leisten, wenn nicht Andere vor ihm gearbeitet hätten. Was hat aber diese Thatsache mit dem Rechte des Arbeiters aus die Früchte, nicht der vergangenen, sondern seiner heutigen Arbeit zu thnn? Der Abgeordnete Dunckcr erkennt an, daß die Gestalt, welche der Arbeiter dem vorhandenen Stoffe gibt, und die Vollendung, welche er für seine Gestaltungen erringt, das unwidcrsprechlich eigene Werk des Arbeiters sei und bleibe. Nun ist aber nicht abzusehen, woher die Pflicht eines oder einiger Arbeiter entspringen soll, einen Theil ihres Lohnes an die Masse Derer abzugcben, welche an seiner Arbeit nicht thcilnchmen, sondern nur Vortheil von derselben ziehen. Am wenigsten ist zu ermitteln, woher die Gesammtheit der Jetzt- lebenden, welche gar nicht arbeitet, einen Anspruch auf die Früchte der mitlebcnden Arbeiter erwerben soll, welche arbeiten. Die große Mehrheit Derer, welche sich den Rechten der Urheber feindlich gegcnüberstellcn, übersieht zwei Thatsachen. Die erste, daß der Boden der Vergangenheit für Alle da ist; die zweite, daß es vielleicht, mit Ausnahme der Tretmühle, keine einzige Arbeit gibt, die ohne alle geistige Mitwirkung verrichtet werden kann. Selbst der Holzhacker muß sein Augenmaß brauchen, um sich nicht in die Hand zu hacken. Von dieser Seite angesehen läßt sich alle Arbeit als Geistesarbeit an- sehen, nur daß man im gewöhnlichen Leben vorzugsweise die Arbeit geistig nennt, welche sich nicht damit begnügt, die vorhandenen körper lichen Stoffe umznformen oder zu vermehren, sondern welche von den selben Veranlassung nimmt, über die Stoffe selbst nachzudenken und diesen Gedanken in neuen körperlichen Formen Ausdruck zu geben. Die Masse der Kenntnisse, Zustände, Verhältnisse, Gewohnheiten med Anschauungen, welche das Ergebniß der Arbeit nicht von Jahr hunderten, sondern von Jahrtausenden sind, bilden ein Gemeingut, dessen Gebrauch allen Einzelnen, nach dem Maße ihrer geistigen und leiblichen Befähigung zusteht. Wie aber die Luft, wie das Meer, wie selbst das fließende Wasser Allen gehört, und doch in ein persönliches Eigenthum übergeht, sobald Jemand die Luft in sein Zimmer einströmen läßt, oder das Wasser schöpft; wie selbst das Stück Erde, welches noch keinen Herrn hat, Eigeuthum Dessen wird, der es bepflanzt, so geschieht es auch mit den im Gemeingut befindlichen geistigen Stoffen. So ist die Sprache ein Gemeingut, deren sich Jeder zu bedienen das Recht hat. Allein wenn Jemand alle Wörter der Welt neben einander stellen wollte, ohne durch dieselben einen von Andern vernehm baren Sinn dadurch auszusprechcn, so würde kein Mensch an eine Her vorbringung oder an eine Aneignung denken. Dasselbe gilt von Tönen, Farben, Linien und allen denkbaren Hilfsmitteln, welche zur Verkör perung von Gedanken gebraucht werden können. Sobald aber Jemand mit Hilfe derselben einen Gedanken in sinnlich wahrnehmbarer Form dargestellt hat, so daß dieser Gedanke von allen andern Gedanken un terschieden werden kann, so wird er Eigenthum des Denkers, wenn er ihn zu eigen behalten will. Niemand in der Welt hat das Recht, oder auch nur die Macht, den Urheber zu nöthigen, auch den schönsten oder gemeinnützigsten Gedanken zu veröffentlichen. Die unbedingte und ausschließliche Herrschaft des Urhebers über seine Geistcswcrke ist in sich selbst begründet und damit tatsächlich anerkannt. Denn hätte die Gesammtheit der Mitlebenden auch nur den geringsten Anspruch an solche Werke zu machen, so müßte es ein Zwangsrecht der Veröffentlichung geben. Dies ist nicht der Fall und wenn das Heil der Welt von der Veröffentlichung einer Idee abhängig wäre, sie mag technischer, künstlerischer oder wissenschaftlicher Natur sein, Niemand kann ihn zwingen, Gebrauch davon zu machen. Seine Herrschaft ist so unbeschränkt, daß sogar Niemand dem Urheber wehren kann, seine Gedanken wieder zu vergessen, oder, wenn er ihnen durch Schrift, Druck, Töne, Farben, Linien, oder wie sonst immer bereits eine dauernde Gestalt gegeben hat, ihn wieder zu vernichten. Wem aber dass Mehrere zusteht, dem steht auch nach unuinstöß'- lichen Rechtsgrundsätzcn das Mindere zu, und darf Jemand seine Ar beit vernichten, so hat er auch das Recht, den Gebrauch vorzuschreiben, den Andere nach der Veröffentlichung davon zu machen berechtigt sein sollen. Ist dies unbestreitbar Rechtens, so ist auch der Staat, wenn er ein Rechtsstaat sein will, verpflichtet, dieses Recht anzuerkennen und zu schützen. Indem er dies thut, bezeugt er keine Gunst, sondern erfüllt nur seine Pflicht. Es gibt noch unzählige Staaten, wo das Recht keinen Schutz genießt, und wir brauchen nicht bis nach Paraguay zu gehen, um Staaten zu finden, die weder den Willen noch die Macht haben, die Ausübung aller Rechte ihrer Angehörigen zu gewährleisten. Und das Recht des Autors auf seine Schöpfungen und auf die Früchte seiner Arbeit ist nicht das einzige Recht, welches des gesetz lichen Schutzes bedarf. Vor dem Landfrieden Kaiser Friedrich I. gab es selbst in Deutschland kaum ein gesichertes Eigenthumsrecht. Noch heute würde, ohne den Schutz des Gesetzes, der Eigenthümcr einer mcilcnweiten Herrschaft nicht im Stande sein, deren Besitz zu behaup ten. Das Gesetz muß ihm so gut wie dem Autor in seinem Besitz Schuh gewähren. Der, welcher seine Rohproducte Hunderten von Arbeitern zur Umwandlung überlassen muß, hört auf, dieselben in seiner Obhut zu behalten. Das Gesetz muß seine körperliche Jnnehabung zum recht lichen Besitz erweitern und muß sein Eigeuthum sogar durch alle die Umwandlungen, welchen die Baumwolle bis zum feinsten Gewebe, ein Stück Gußeisen bis zur Nähnadel, ein Weizenkorn bis zum Kai serauszug unterliegt, mit dem Schuh des Gesetzes umgeben. Es ist eine eigcnthümliche Erscheinung, daß Jedermann in diesem Dienste der Rechtswissenschaft durchaus nichts Besonderes findet und daß man gleichwohl den Erzeugnissen der Wissenschaft selbst diesen Schuh zu versagen geneigt ist. Diese Erscheinung ist nur daraus erklärlich, daß bis zur Er reichung eines bestimmten Cultnrgrades das geistige Eigenthum kei nen Tauschwerth hat, und daß die wissenschaftliche Ausbildung des selben in eine verhältnißmäßig späte Zeit gefallen ist. Unter den Papuas und Eskimos dürfte es ein ziemlich vergeb liches Unterfangen sein, aus der Veröffentlichung eines Kunstwerks Nutzen ziehen zu wollen. Schwerlich, daß für eine Madonna von Rafael eine mäßig gute Art einzutauschen sein würde. Erleuchtete Geister haben aber schon früh die wahre Natur des Autorrechtes erkannt und lange zuvor, ehe die Rechtswissenschaft be griff, daß in der Arbeit, die von der Arbeit des Raddrehers bis zu der eines Coperuieus nur durch den Grad der geistigen Mitarbeit sich
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