Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.01.1868
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- 1868-01-08
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- 08.01.1868
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- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.01.1868
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5, 8. Januar. Nichtamtlicher Theil. eine Sicherheit gegen freche Beraubung zu gewinnen. Man sprach von Himmelsgabe des Talents, mit der zu markten Sünde sei, von „göttlicher Begnadigung des Genius", die allen möglichst wohlfeil (am besten ganz umsonst!) zu gute kommen müsse, und von anderen ähnlichen Dingen, die mehr oder weniger alle auf dasselbe Thema des Gemeinplatzes hinausliefcn, daß der Dichter, der Denker, der Schriftsteller eigentlich nur Verwalter eines Gutes seien, das der Menschheit gehöre. Er antwortete darauf, wie es seine Weise war, öffentlich gar nichts, sondern vertraute seine Antwort seinem getreuen Tenicnbüchlcin an, in welchem wir jetzt die bekannten Zeilen lesen: „Der Dichter freut sich am Talent, An schöner Geistesgabe; , Doch wenn's ihm auf die Nägel brennt. Begehrt er irdischer Habe. Mit Recht soll der reale Witz Urenkeln sich erneuern, Es ist ein irdischer Besitz, Muß ich ihn doch versteuern!" — Der alte Olympier irrte sich nur in Einem: darin, daß er dem „schützenden" Deutschen Bundestage ein bei weitem längeres Leben zutraute, als derselbe in der Thal zu haben glücklicherweise bestimmt war, und daß er des festen Glaubens lebte: seinen Urenkeln noch den materiellen Nutzen seines „realen Witzes", d. h. seiner Werke, durch jenen Ausnahmeschutz gesichert zu haben, während jetzt bereits seine Enkel sich ihres Bcsitzerbcs verlustig erklärt, um nicht zu sagen beraubt sehen. Oder warum nicht lieber, da cs die Wahrheit aus- drückl, das letztere Wort gebrauchen? Denn da der Dichter des Faust Recht hat mit seiner Behauptung, daß der „reale Witz", das materiell gewordene Product des Dichters und Schriftstellers, nach seiner materiellen Seite betrachtet, ein irdischer Besitz, ein reales Eigcnlhum ist, dessen Ertrag der Eigcnthümer jo gut wie jeder Be sitzer einer andern ertragfähigen Sache, eines Landguts, einer Fabrik, einer Erziehungsanstalt u. s. w. in der Einkommensteuer „versteuern" muß, so wird sich schwerlich in Abrede stellen lassen, daß die deutsche Staalsgesetzgebung in der Behandlung jener Art von Eigenthum eine starke Hinwendung zu dem sonst von ihr so sehr verpönten Kom munismus gemacht, und eine geradezu communistische Maßregel gegen das von ihr sonst so heilig gehaltene Eigenthum sanctionirt hat. Noch sonderbarer wird die Sache, wenn man die Gründe erwägt, aus denen man sich berechtigt glaubt, dem sogenannten geistigen Arbeiter, in Bezug aus seinen Besitz und dessen Erlrags- vercrbung auf seine Nachkommen, ausnahmsweise vor allen andern Arbeiter», diese communistische Behandlung angcdeihcn zu lassen. Fast sollte man sagen, cs geschehe darum, weil die Arbeiten jener Männer und Frauen für die Menschheit unendlich werthvollcr und nützlicher, für sic selbst unendlich mühevoller, mit weit größeren Anstrengungen und Aufopferungen verbunden, und vor allen Dingen unendlich weniger materiell lohnend für die Producirenden sind, als fast alle, oder doch die meisten anderen Arten producircndcr Arbeit! Bleiben wir einmal bei dem Beispiele Goethe's stehen, weil dieses uns gerade jetzt das nächste ist und weil an ihm die Conse- guenzcn jenes gesetzliche» Communismus am schreiendsten zu Tage treten. Goethe ist nicht nur der größte Dichter unseres Volkes, er war auch der vom Glücke, von den äußern Umstände» auf seinem Lebens wege am meisten begünstigte von allen deutschen Dichtern. Von Hause aus wohlhabend und vor materiellen Sorgen ebensowohl dadurch als durch die Freundschaft seines Fürsten geschützt, im Be sitze eines wvhlbcsoldetcn Amtes, wandte er alle ihm zu Gebote stehenden materiellen Mittel dazu an, dasjenige aus sich und seinen Fähigkeiten zu machen , und das zu leisten, was er geworden ist und geleistet hat. Er berechnet es einmal selbst, daß er im Laufe seines langen Lebens Wohl nahezu eine Viertclmillion fremden und eigenen Geldes und Vermögens zu diesem Zwecke habe verwenden müssen. Dennoch war das materielle Resultat seines Schaffens und seiner Arbeit verhältnißmäßig äußerst gering, wenn man es mit dem Re sultat des Schaffens und der Arbeit eines Menschen vergleicht, der cs verzieht, sein ererbtes Vermögen und seine Talente, statt in Goethe'scher Weise zum Nutzen und zur geistigen Bereicherung seines Volkes und der ganzen Menschheit, lieber z» seinem eignen Vortheil und Nutzen zu verwenden. Als Goethe, der 82jährige deutsche „Dichter-Kaiser", wie man ihn zu nennen liebte, die Augen schloß, hinterließ er seinen vier Erben ein Vermögen, das in vier Theile getheilt weit nicht hingereicht haben würde, ihre Existenz anständig sicher zu stellen, wenn nicht die Verlagshandlung seiner Werke ge halten gewesen wäre, solange sic das geschützte Verlagsrecht besaß, den Erben Goethe's eine Jahresrenle zu zahlen, die, wie ich von dem verstorbenen Baron von Cotta seiner Zeit selbst hörte, nicht mehr als viertausend Thalcr betrug. Dies also war der große Reichthum, den der geistige Krösus den Scinigen durch die Arbeit eines ganzen langen Lebens gesichert, und auch nur durch „des durchlauchtigsten Deutschen Bundes schützende Privilegien" und für eine sehr beschränkte Zeit gesichert hatte! Kaum der Ertrag eines Landguts, einer glücklichen kleinen Fabrikanlage, von Börsen- und Häuserspcculanten, von Malzextract-Australiern und ihres Gleichen gar nicht erst zu reden. Nicht die „Urenkel", sondern die noch lebenden beiden Enkel Goethe's und deren Mutter sind, wie Schillcr's Tochter, seit dem November des Jahres 1867 um den Besitz und Ertrag ihres Erbes gebracht und dadurch in Umstände versetzt, welche möglicherweise sehr beschränkte sein können. Die Werke ihres Vaters, Großvaters und Schwiegervaters sind jetzt „Eigenthum der Nation", d. h. sic sind herrenloses Gut geworden, das jeder Speculation zur beliebigen Ausbeutung überlassen ist. Ihr eigenes Recht ist zu Gunsten des Gemeinwohls aufgehoben, wie seiner Zeit gewisse andere „Rechte" unserer Feudalen auch, welche das Prädicat „wohlerworbene" führ ten, aber cs ist aufgehoben worden nicht wie diese letzteren gegen Entschädigung, sondern ohne alle und jede ausgleichende Ver gütung ! Ist dies gerecht? ist das billig? ist das menschlich? Wie? Die Rechte und Privilegien der Besitzer von Zehnten und Frohndcn, von Jagd- und sonstigen „Gerechtigkeiten", von lauter Dingen, deren Wohlcrworbenhcit ihre letzte Wurzel in dem „Rechte" des Stärkeren, in dem Gewaltrechtc halbbarbarischer Zeilen hat, — diese sollen „respectirt" werden; das heißt: ihre für das Gemeinwohl unerläßlich nothwendige endliche Aufhebung soll nicht ohne vergütende Entschädigung stattfinden dürfen, auch wenn sie bereits Jahrhunderte lang ihre schädliche Wirkung, zum Vortheil und Nutzen der Bevorrechteten und Erben, geübt haben! und das Recht, oder nenne man cs meinethalben das Privileg der Erben eines Schiller, eines Goethe, ihr Anrecht auf den Ertrag der Werke und Schöpfungen seines Geistes, dieses „Recht", das so unvergleich lich mehr als jenes der Besitzer von Zehnt- und Frohnrechten diesen Namen verdient, das soll aufgehoben, soll ihnen genommen werden können, dreißig Jahre nachdem der Erwerber desselben seine Angen geschlossen hat, ohne jede Entschädigung!? Goethe's einziger Sohn, der in dcr Blüthc der Jugend in Nom starb, würde jetzt im Jahre 1867 ein Mann von siebzig und einigen Jahren sein. Hätte sein Vater ihn, statt Kammerherr, Buchhändler werden lassen, und seinem Vcrlagsgeschäfte die Werke seines Geistes übergeben, so hätte der Sohn selbst cs erleben können, seinen Besitz zum Besten der Nation gesetzlich sich entrissen zu sehen! Allerdings würde cs ihm bis dahin möglich gewesen sein, gleich den bisherigen privilcgirtcn Verlegern, vorher wenigstens sein Recht möglichst
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