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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.04.1868
- Strukturtyp
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- Band
- 1868-04-08
- Erscheinungsdatum
- 08.04.1868
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- Deutsch
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930 Nichtamtlicher Theil. .1! 81, 8. April. Nichtamtlicher Theil. Die Großmacht der Presse. II.*) Daß einer so kolossalen Macht, wie sie die Presse hat, ebenso ^roße Pflichten zur Seite stehen, stehen müssen, darüber wird unter uns kein Zweifel sein. Dürfte die Presse ihre Macht lediglich in ihrem eigenen egoistisch finanziellcnJntercsse ausbeutcn, wir wür den mit ihr gleich dem Faust des Teufels werden, wenigstens der Auslosung der socialen und ethischen Bande cntgegengchen. Wie weit es in dieser Beziehung schon jetzt in Nordamerika, diesem vorbild lichen Lande in allem was Fortschritt und rapide Entwickelung heißt, gekommen ist, darüber lassen Sic uns eine Klage des berühmten No vellisten Boz (Charles Dickens) hören. ,,Man errichte", so äußert er sich über die amerikanische Presse, „Schulen im Osten, Westen, Norden und Süden; man unterrichte Zög linge und bilde Lehrer zu Tausenden; Bauernhäuser mögen emporstei gen, die Kirchen angefüllt sein, die Mäßigkeit in zahllosen Vereinen sich ausbreitcn und fortschreitende Erkenntniß in allen andern Gestalten mit Riesenschritten durch das Land gehen; — allein solange die Zei tungspresse Amerikas so verworfen oder fast so verworfen bleibt, wie sie jetzt ist, läßt sich kein hohes sittliches Besserwerden in diesemLande hoffen. Jahr um Jahr muß es und wird cs damit rückwärts gehen; Jahr um Jahr muß die Stimmung des Volksgefühls tiefer sinken; Jahr um Jahr müssen der Congrcß und der Senat in den Augen aller anständigen Männer mehr und mehr an Ansehen verlieren; und Jahr um Jahr muß das Gedächtniß der großen Väter der Revolu tion mehr und mehr in dem schlechten Leben ihres entarteten Kindes beleidigt werden. „Unter der Menge von Zeitungen, die in den Staaten erschei nen, sind, wie wir dem Leser kaum erst zu sagen brauchen, einige von Charakter und Werth. Aus persönlichem Verkehr mit gebildeten Gentlemen, die mit der Publicistik dieser Gattung in Verbindung stehen, Hab' ich zugleich Nutzen und Vergnügen geschöpft. Aber deren sind es wenige, und der Name der andern ist Legion. Und der Ein fluß der Guten ist unmächtig, dem tödtlichen Gift der Schlechten ent gegenzuwirken. „Unter der Gentry — dem höhern Mittelstände von Amerika, unter den Wohlunterrichteten und Gemäßigten, in den gelehrten Ständen, im Advocatenstand und auf der Richterbank, da ist, da kann nur eine Stimme sein über die Verdorbenheit dieser schändlichen Blätter. Es wird manchmal behauptet — ich will nicht sagen son derbarerweise, denn es ist natürlich, daß man Entschuldigungen für eine solche Schmach sucht —, daß ihr Einfluß nicht so groß sei, als es einen Fremden bedünken möge. Man verzeihe mir die Behaup tung, daß mir dieser Einwurf unverbürgt scheint und daß alles mich vielmehr auf die entgegengesetzte Schlußfolgerung leitet. „Wenn erst ein Mann von irgend einem Grad intellecluellcn oder sittlichen Verdienstes in Amerika zu einer öffentlichen Auszeich nung, gleichviel welcher, gelangen kann, ohne zuvor sich auf den Knieen in den Staub zu beugen vor diesem Ungeheuer der Verrucht heit; wenn erst irgend eine Trefflichkeit im Privatleben vor seinen Anfällen sicher ist; wenn erst irgend ein gesellschaftliches Vertrauen von ihm ungestört, oder irgend ein Band gesellschaftlichen Anstandes und der Ehre von ihm auch nur einigermaßen geachtet wird; wenn erst irgend ein Mann in diesem freien Lande eine freie Ueberzeugung hegt und für sich zu denken und zu sprechen wagt ohne demüthige Rücksichtsnahme auf eine Censur, die er ihrer gespreizten Unwissen heit und gemeinen Unredlichkeit wegen in seinem Herzen haßt und verachtet; wenn erst Diejenigen, welche die Infamie einer solchen Presse und den Vorwurf, den sie über die Nation bringt, am tiefsten fühlen und sie unter sich am meisten verdammen, dem Ungethüm ihre Ferse auf den Nacken zu setzen und cs offen vor aller Welt zu zer malmen den Muth haben: dann will ich glauben, daß sein Einfluß sich vermindert und die amerikanischen Männer zu einer männlichen Gesinnung zurückkehren. Aber solange diese Presse ihr böses „Auge" in jedem Haus, ihre schwarze Hand in jeder Amtshesctzung im Staat, vom Präsidenten bis zum Postknccht herab, hat; solange dieses Troßjungengeklatschc die mustergültige Literatur für eine übergroße Volksclasse bildet, die entweder eine Zeitung oder gar nichts liest: so lange wird die Gehässigkeit dieses Treibens auf dem Haupte der Nation lasten, und so lange muß das Ucbcl, das es erzeugt, in der Republik sichtbar zu Tage treten. „Wer an die leitenden englischen Journale oder an die acht baren Zeitungen des europäischen Festlandes gewöhnt ist, dem läßt sich, ohne lange Auszüge, die ich zu machen weder Lust noch Raum habe, keine zureichende Vorstellung geben von diesem furchtbaren Preßmcchanismus in Amerika. Wer aber amerikanische Journale gelesen hat, der wird mir die Wahrheit meiner Sätze bestätigen müssen.^ So Charles Dickens. Also, so sagte ich, der Macht der Presse müssen entsprechende Pflichten zur Seite stehen. Darüber sind wir Alle einig, cs fragt sich nur, welche? Es können wohl nur ethische Verpflichtungen sein, jedenfalls können sie nur aus dieser sittlichen Quelle eutnommen werden, und jeder Versuch, den etwa der Staat machen wollte, mit Gesetzen einzugreifen, könnte und dürfte nur dahin streben, diesen ethischen Pflichten einen gesetzlichen Ausdruck zu geben. Denn kaum eine andere menschliche Thätigkeil entspringt so direct aus dem tiefen Quell persönlicher Freiheit und eigner Willensbcstimmung, als die schriftstellerische, darum muß auch deren Correctiv dort anknüpfen. Wie aber das? Wir haben vorher gesagt, daß jeve Partei, jede Zeitung, die großen Einfluß hat, diesen dem Körnlein Wahrheit ver dankt, das ihrem Jrrthum beigemischt ist und ihn zu einem kräf tigen macht. Aber die Erkennung dieses Wahrheitskörnleins und seine Sonderung von dem umhüllenden Wust von Jrrthum, Leiden schaft, Rechthaberei, Verbitterung u. s. w. ist sehr schwer. Es gehört dazu eine Festigkeit des sittlichen Fundaments, eine Reise des Urtheils, mit einem Wort ein Charakter, wie er wahrlich nicht häufig gefunden wird. Damit verbinden muß sich dann aber noch Geist und Gabe der Darstellung, vor allem kein lehrhaftes Schulmeistern, systematisches Erörtern, das kann zur 'Roth ein Jeder; der Journalist soll fesseln, alle Tage neu und interessant sein, er soll ins volle Men schenleben greifen, nickt in seine Systeme. Auch Lies ift.schwcr und wird nicht häufig gefunden. Endlich aber gehört dazu auch eine feste bürgerliche und finanzielle Stellung. Denn meine Füße müssen fest stehen, wenn ich mit Kopf und Herzen wirken und für höhere Zwecke arbeiten soll. Wie aber steht es mit unfern Literaten und Zeitungsschreibern? Graf Bismarck hat einmal den Begriff eines Zeitungsschreibers dahin desinirt, daß das ein Mann sei, der seine Carriere verfehlt habe. In der That, es ist eine dunkle Partie, diese Literaten-Eri- stenzen ; wer einen Blick hineingethan hat, ist mehr geneigt, sic zu beklagen als anzuklagen. Es gibt ja wie überall Ausnahmen, Män ner in glänzenden, wenigstens in gesicherten Stellungen, und wir brauchen nicht nach England zu gehen, um solche zu finden, wenn hierzulande auch nicht wie von den Times ein Leitartikel mit 200 Thalern bezahlt wird. Aber die Regel ist, daß unsere Literaten von der Hand in den Mund leben. Ihr Beruf ist der aufreibendste den es gibt, denn täglich müssen sie ihren Geist zerauälen, etwas Jn- ') l. S. Nr. 79.
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