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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.04.1868
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1868-04-08
- Erscheinungsdatum
- 08.04.1868
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- Deutsch
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IS 81, 8. April. Nichtamtlicher Theil. 931 tercssantes und Neues von sich zu geben; ob sic aufgelegt sind oder nicht, ob ihr Herz froh oder traurig, ihr Körper gesund oder krank ist, die unerbittliche Presse drängt, es muß die Feder angesetzt, es muß producirt werden. Und ist ihnen einmal eine Leistung so recht besonders gelungen zu ihrer eigenen Freude, wie lange dauert sie? Mit Windeseile rauscht die Nummer vorüber, der Tag vergeht nicht und schon muß auf Neues gesonnen werden. Wahrlich eine Dana idenarbeit. Und für diese Arbeit nun in den meisten Fällen ein spärliches und ein ungewisses Stück Brot; spärlich im Vergleich zu den seltenen Eigenschaften, die hier erfordert werden. Der Zeitungs schreiber ist abhängig vom Verleger, dieser wieder vom Publicum. Wo soll da, so frage ich, Selbständigkeit der Gesinnung, Festigkeit der Grundsätze Herkommen? Sind diese Männer etwas anders, können sie etwas anders sein, als Sklaven der hin- und herfluthen- den Tagesmeinung? Kann man von ihnen, die zunächst für ihre Eristenz, vielleicht für Frau und Kinder sorgen müssen, einen höhern Ueberblick, feste Besonnenheit, sittliche Energie verlangen? Es ist ^ mir bekannt, daß begabte und sonst ganz ehrenwcrthc Männer hin tereinander liberalen und conservaliven Zeitungen als Redactcure vorgestanden haben, und in beiden Fällen mit Geschick und Erfolg; und daß ein großer Theil von Literaten als Mitarbeiter fungiren an gar verschiedenen Blättern, je nachdem sie hier oder dort höher honorirt werden, ist durchaus kein Geheimniß. So steht cs mit der Presse. Das sind die Männer, die auf ihrer weithintöncnden Kanzel stehen, denen wir aufmerksam und gläubig lauschen, Morgens vor und Abends nach der Arbeit, deren leisem Einfluß wir uns hingcbcn Tag für Tag. Das sind die Män ner, die die öffentliche Meinung leiten und organisiren, die das Par- teiwcsen steigern und entflammen, mit einem Worte, in deren Händen die unermeßliche Macht der Presse ruht, dieser gewaltige Hebel, des sen Wirkungspunkt unter unfern Füßen liegt, und der, von frevler Hand bewegt, unsere ganze Cullurwelt erschüttern, ja zeitweise in Trümmer legen kann. Und nun komme ich wieder zu »reiner Frage »ach den Pflich te» der Presse, die ihren Rechten, ihrer Macht entsprechen müssen. Aber, »reine Herren, erwarten Sie von mir nicht die Antwort hier auf, vielmehr möchte ich gern Ihre Ansicht hierüber hören und eine lebhafte Discnssion darüber angeregt haben. Welche Art von Ver pflichtungen ich nicht für geeignet und ersprießlich Halle, das kann ich eher sagen, das sind alle Arten polizeilicher Beschränkungen, die auch nur entfernt an die frühere Censur erinnern. Ebenso wenig ist von Criminalgesctzcn, wären sie auch drakonisch, Heil zu erwarten. Die giftigsten Wirkungen, die heillosesten Angriffe ans die höchsten Güter wissen sich am ersten dem materiellen Buchstaben des Straf gesetzes zu entziehen. Deine und deines Weibes Ehre, die Ruhe deiner Familie können lödtlich verletzt werden, wenn der Angriff in vorsichtiger, aber deshalb nicht minder wirksamer Form geschieht; und selbst wenn cs gelänge, einen Straf-Paragraphen auf einen sol chen Angriff anwendbar zu machen: ist damit dem lödtlich Getroffenen geholfen? Zum Glück sind wir in dieser Beziehung unser» nord- amerikanischen Vorbildern noch nicht nachgekommcn. Aber wer wagt zu behaupten, daß wir ihnen nicht noch Nachkommen? Wer hat nicht auch aus unserer heimischen Presse bei einzelnen Artikeln schon das Gefühl gehabt, daß nur Zeit und Gelegenheit dazu gehört, um auch hier die rückhaltlose Rohheit ihr schamloses Gesicht hcrvorkehrcn zu sehen? Die Nächstliegende Antwort auf meine Frage würde etwa die sein, daß die Heilung in der Presse selbst liegen müsse, also Gift und Gegengift. Das ist nun freilich auch die bequemste Antwort, und man wird sich dabei jedenfalls auf einen langwierigen und proble matischen Heilprozeß gefaßt machen müssen. In Krankheiten ist die Heilkraft der Natur bekanntlich auch die Hauptsache, aber dennoch pflegt man gern die Hilfe des Arztes herbeizurufen. Am ersten schiene mir noch die äußere Eristenz der Män ner der Presse derjenige Punkt zu sein, wo eine wohlthätige Reguli rung von Rechten und Pflichten cinsetzen könnte. Man öffne den Männern eine geordnete Carriorc, damit nicht bloß Leute mit ver fehltem Beruf, sondern auch normale Naturen i» sie eintreten; man sichere ihre berufliche Stellung, damit sie Herz und Ohr auch den höheren ethischen Forderungen öffnen können. Junge Männer von Talent hüten sich jetzt mit Recht, in diese bedenkliche Carrivre einzu treten. Sic finden ohnehin rasche Verwendung in allen vier Facul- tätcn. Begabte Philologen, Mediciner, Theologe» u. s. w. sind ge wiß, bald einen gesicherten und ehrenvollen Beruf zu finden. Was sollte sie veranlassen, in die problematische Literatcn-Carriore zu treten, und wenn sic es, durch innere Neigung getrieben, thun woll ten, welcher Vater würde sich dem nicht aufs äußerste widcrsetzen? Also leider die Regel ist: Männer, die ihren Beruf verfehlt haben, und die größte Macht der Gegenwart ist überwiegend in die Hände problematischer Naturen gegeben. Ist dieser Zustand in der Thal ei» heilloser und ist cs ein zwingendes Muß, daß ihm abgeholsen werde, jo wäre das vielleicht am ersten dadurch möglich, daß man, wie gesagt, diesen Beruf zu reguliren und äußerlich zu sichern ver suchte. Aber auch hier verkenne ich das Schwierige nicht, auch hier möchte ich nur fragen und anregcn. Nur darin, meine Herren, sähe ich mich gern mit Ihnen völlig einverstanden, daß die Entwicklung dieser Weltmacht der Presse unsere sorgfältige Aufmerksamkeit verdient, daß ihre unermeßlicken Segnungen auch ebenso große Gefahren in sich tragen, und daß das Nachsinnen über deren möglichste Verhütung eine ernste Verpflichtung je länger desto mehr wird. Die Himmelsgabe der Presse hat etwas von dem nach der Sage auch vom Himmel geholten Feuer, das, wenn man es als freie Toch ter der Natur cinhcrgehen läßt, seine göttliche Natur in eine dämo nisch vernichtende verwandelt. Auch sie, die Presse, bedarf der sor genden Bewahrung. Nur daß diese Bewahrung ihrer Natur ent spreche, daß sie an den tiefen Quell persönlicher Freiheit und sitt licher Selbstbestimmung anknüpfe, daß sie keine bindende, sondern eine lösende sei. Soweit der Vortrag, der, wie gesagt, eine lebhafte und lange Debatte nach sich zog. In ihr trat die Schwierigkeit, auf die ge stellte Frage die Antwort zu finden, ebenfalls zu Tage. Am meisten schien man sich schließlich dem Vorschläge zuzuneigen, dem Literaten beruf dadurch eine festere Unterlage und Gestaltung zu geben, daß mau ihn als regelrechten Zweig wissenschaftlicher Brotstudien ein- ordnc, indem man 1. auf den Universitäten Lehrstühle dafür errichte, 2. die Ausübung des Berufs, d. h. die Bekleidung der Stelle eines Redacteurs (denn die Thätigkeit als Korrespondent, Mitarbeiter rc. entzieht sich jeder gesetzlichen Einwirkung) an Ableistung eines Examens knüpfe, natürlich eines wissen schaftlichen, nicht etwa eines Gesinnungseramens. Hierdurch erhielte der Litcratenberuf zunächst eine öffentliche Beglaubigung und bürgerliche Einordnung; würde ferner der Stand vor unberufene» und zuchtlosen Eindringlingen bewahrt. Es steigerte sich die Nachfrage nach lcgitimirtcn, also wissenschaftlich tüchtigen Redacteuren; nicht minder steigerte sich deren Salarirung und be festigte sich ihre Stellung; endlich — und dies wäre besonders wichtig — würde dadurch in den Berufsgenossen selbst ein Gemein samkeitsgefühl, esprit cts eorp8, geweckt, dem man getrost die weitere Ausbildung edlen Standesgefühls und die Ausmerzung gesinnungs loser Lohnschreiberei überlasten könnte- 142'
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