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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.04.1868
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1868-04-06
- Erscheinungsdatum
- 06.04.1868
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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908 JL 79, 6. April. Nichtamtlicher Theil. wir uns richtig wieder auf die Leitartikel ein, die sich der Nedacteur mit saurem Schweiß abgequält hat; wir verschmähen die trivialen Corrcspondenzen aus Berlin, Paris u. s. w. nickt, trivial nicht bloß, nein, meist auch zusammencoirjecturirt, d. h. erdichtet, verschmähen nicht den Kehricht und Spülicht des politischen Klatsches, obwohl wir wissen, wie das Zeug entsteht, wir lesen es, werfen wohl einmal das inhaltlose Blatt verdrießlich auf den Tisch, greifen aber nichts desto weniger am nächsten Morgen mit gleichem Bcrlangen wieder danach. Meine Herren, ist cs denn ein Wunder, wenn wir, unter sol cher Wirkung stehend, Tag für Tag, Jahr aus Jahr ein, etwas an- nchmcn von der Zeitung, wir mögen wollen oder nicht, wenn aus diesem täglichen Etwas zuletzt ziemlich viel wird, wenn unsere An schauung zuletzt das Gepräge unserer Zeitung annimmt, wir an die politische Doctrin derselben fester und fester glauben, und diese uns zu einem um so zweifelloseren Dogma wird, je weniger praktischen Zugang zu den Gebieten der realen Politik, je weniger lebendige Er fahrung wir in ihr haben, je größern Spielraum also die Phan tasie hat! Darum ist die Macht der Zeitungen nie größer, als in Zeiten anhaltender politischer Thatlostgkeit, nach langen Friedensjahrcn. Da wächst und blüht das Parieiwesen, die gegenseitige Befeindung, Ver dächtigung, Verbitterung, dies trübe Element der Zeitungsschreiber. Und nie sinkt der Einfluß der Zeitungen so schnell und tief, wie in Zeiten thalkräftiger Erhebung, wenn an die Stelle des Lesens und Redens die Thal treten muß, wenn der Lebensstrom hindurchgeht durch alle Schichten des Volks, und auf dem realen Boden der Wirk lichkeit die Gegensätze sick versöhnen, ausgleichcn, anerkennen und respectircn lernen. Dann sinkt und verfällt das Parteiwescn, man nennt das beschönigend eine Zersetzung und Neubildung der Parteien, mag sein, aber noch mehr ist es ein Verfall des Parteiwesens über haupt, die gesunden Elemente der alten Parteien vergessen die allen Gegensätze, Stichwörter, Doctrinen, und reichen sich auf dem Boden der Wirklichkeit die Hand zu gemeinsamer Thätigkeit, und nur die eingefleischten Doctrinäre, die bis ins Herz verbitterten Kämpen und die von Natur verneinenden Geister stellen sich grollend zusammen, um nach wie vor den allen Kampf mit den alten Waffen fortzuführen. Haben wir uns die Macht und den Einfluß der Zeitungen aus der Erinnerung an die letzten Jahre vergegenwärtigt, haben wir uns ihrer namentlich aus den Jahren, welche den Kriegen von 1866 und 1864 vorangingen, erinnert und uns zurückgerufen, wie wahr haft beängstigend damals der innereZwist stieg und dasParleiwesen sich heißer und heißer entzündete, wie die höchsten Güter, auf der einen Seite der historischen Tradition, auf der andern der politischen Freiheit, in Frage kamen; haben wir uns zurückgerufen, welchen dominircnden Antheil unsere Zeitungen an diesen Kämpfen nahmen, die eine die andere überbietend: so würde es gleichwohl ungerecht sein, sie allein als die Verursacher dieser vcrhängnißvollen und zu einer Katastrophe hindrängenden Entwickelung anzusehen. Wesentliche Mit-Facloren sind sie, dominirenSe Träger und Führer sogar, aber nicht letzte Ursachen, und die Wurzeln und Keime sind in ihnen nicht zu suchen. Diese liegen in Realitäten, nicht in Theorien. Denn jede Kraft einer Partei, jeder Einfluß einer Zeitung beruht und kann nur beruhen auf einem Körnlein realer Wahrheit, das sie vertreten. Aber freilich ist dies Körnlein, dies Quentchen Wahr heit, meist mit einem Centner Jrrthum und Leidenschaft vermischt. Aber dennoch ist es dies Quentchen Wahrheit, was die Macht ver leiht und die Jrrthümer zu jenen kräftigen Jrrthümern macht, die die Welt mehr als einmal erschüttert haben. Und hier treffen wir auf eine zweite Ursache und Quelle der enormen Macht der Presse. Die Zeitungsprcsse ist fast mit Nothwendigkeit darauf hin- gcwiescn, nicht dem Körnlein Wahrheit zum Ausdruck zu verhelfen, sondern der Leidenschaft der Parteien zu dienen, mit einem Worte, der Masse zu gefallen. Unsere Zeitungen leben meist von den In seraten. Bei den enormen Ausgaben, die eine größere Zeitung hat, reichen die Abonnemenlsgeldcr zu deren Deckung nicht aus, denn nach Tausenden, ja nach HunLerttauscndcn berechnet sich der jähr liche Geldumschlag, und eine große Zeitung ist zugleich ein groß artiges Fabrik- und Geldgeschäft. Der Zufluß der Inserate regulirt sich aber nach der Verbreitung, nach der Abonncntenzahl. Daher jeöes Quartal die gespannteErwartung auf Abnahme oder Zunahme der Abonnenten, daher das tiefe Gefühl der Abhängigkeit vom Publicum, das Trachten ihm zu gefallen, zu sagen, was cs gerade gern hört, oft auf Kosten eigener Uebcrzeugung, jedenfalls auf Kosten der Consequenz. Nun bleibt cs zwar an dem, daß eine alt- fundirte Zeitung den Schwankungen der Ab- und Zubcstcllungen ungleich weniger unterworfen ist. Aber jede Zeitung will wachsen, die 8000 Abonnenten hat, möchte 10,000, die 20,000 hat, 30,000 haben, jede blickt mit Neid und Verlangen nach oben. Wie manche Zeitung beneidet wohl die Kölnische um ihre 20,000 Abnehmer und meint, wenn sie die hätte, wollte sie am Ziel aller Wünsche sein und frank und frei ihre Herzensmcinung sagen. Und ich wette, die beneidete Kölnerin blickt verlangend nach der Volkszeitung, der Tibsrtä oder denTiirms hi» und fragt verdrießlich, weshalb sic nicht ebenso verbreitet sei. Woher sonst der Grund der Jnconsequenz und Prinziplosigkcit, die man z. B. den Times und nicht selten auch un serer großen rheinischen Zeitung vorwirft? Der Vorwurf ist in der Thal gegründet, aber er ist auch erklärt durch die Abhängigkeit selbst der größten Blätter von der Gunst des Publicums, eine Abhängig keit, gegen die die Redaction wohl einmal anzugehen sucht, aber sicher nicht lange, sicher nicht länger, sobald ein Herabgehen der Abonnen tenzahl sie fühlen läßt, daß sie nicht Herr, sondern Diener der lesen den Masse ist. Da tritt denn namentlich in Zeiten der Partei spaltungen oder der Confliclc und Krisen jene verhängnißvolle Wechselwirkung gegenseitiger Erhitzung zwischen Zeitung und Publi cum ein, die jener eine unabsehbare Macht, eine» oft verhängniß- vollen Einfluß verleiht, eine Macht, die unter Umständen unwider stehlich werden und alles mit sich fortreißen kann. Diese höchste Machlentfaltung haben wir noch nicht erlebt, wenigstens nicht in der Nähe, doch haben wir von fern einen Eindruck davon gehabt in den Preßzuständen Kopenhagens vor dem letzten schleswig-holsteini schen Kriege, wo tie Zcitungsredacteure eine Negierung neben der Regierung bildeten; und eine annähernde Idee von der Gewalt der Presse, wenn sie in glühender Wechselwirkung steht mit der Leiden schaft der Masse, erhielt man im Jahre 1848, ja sogar noch vor 3 Jahren, als der Conflict zwischen Regierung und Landtag in höch ster Entzündung stand, und die sogen. Preßordonnanzen sich den Zeitungen entgegenwarfen. Aber wie lange würde dies, sowie die übrigen Anstrengungen der Regierung vorgehalten haben, wie lange selbst der mächtigste Damm, die Masse der wenig lesenden Land bevölkerung, unlädirt geblieben sein, wenn nicht das Jahr 1866 mit seinem wunderbaren Luft- und Lebensstrom die Taumeldünste der Parteileidenschaften hinweggeblasen hätte. Ist es aber an dem, daß die Zeitungsprcsse schon jetzt einen unabsehbaren Einfluß hat, so ist dieser doch erst im Beginnen, inr Zunchmen und zwar im rapidesten Zunehmen begriffen. Wir halten den Einfluß der Zciiungen gewöhnlich beschränkt aus deren unmittel bare Leser, wir übersehen meist das feine Geäder, welches ihn in alle Schichten des Volkes verbreitet. Das sind die Localblätt er. Meine Herren, hier treten wir an einen Hauptfactor des inneren Staatslebcns, an ein unermeßlich wichtiges Eultnrmoment heran. Jeder Ort hat sein Wochenblatt oder Blättchen, Jedermann im Orte liest es, selbst unsere Kinder und Frauen, sie lesen cs wöchentlich,
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