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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.10.1916
- Strukturtyp
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- 1916-10-27
- Erscheinungsdatum
- 27.10.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. Hr 2S1, 27. Oktober 1916. — »Sa—a—nd! Sa—a—nd!« unten aus der Straße aus- schreien. Im übrigen tat ich in diesen Ferien weiter nichts, als mit der Straßenbahn von Köngens Rytorv zum Frederiksberger Rondell hin- und herzufahren. Zuletzt kannten mich alle Kondukteure und nannten mich den »versetzten Bauernjungen«. — Aber jetzt sollte ich also im Ernst nach Kopenhagen. Ich war darüber froh und traurig. Froh, weil ich in die Großstadt sollte. Und traurig, weil ich nicht mehr jeden Sonn tag nach Hause konnte. Ich fuhr mit der Post von Nakskov nach Nyjöbing und von da mit dem Zuge weiter. Den ersten Abend, als ich bei Tante Marie in Dronningens Tvaergadc Tee trank, erregte ich bei meinen Brüdern Karl und John wilden Jubel, indem ich ei» Mohnbrötchen zerschnitt und selbst die obere Hälfte mit dem Mohn behielt, während ich die untere wieder in den Brotkorb legte. »Bist du verrückt, Junge?« sagte John. »Ja, das esse ich doch am liebsten«, sagte ich. Dieses Mohnbrötchen ist mir späterhin im Leben noch oft »vorgesetzt« worden. Am nächsten Morgen stellte ich mich also in der Buchhand lung in der Skindergade vor. Tante Marie begleitete mich bis zur Ecke der Klosterstraede. Aber ich wollte allein in den Laden hineingehen. Dort traf ich den Prokuristen. Seine ersten Worte, nachdem ich ihm meinen Namen ge nannt und erklärt hatte, daß ich der neue Lehrling sei, lauteten: »Herrgott, sind Sie ein dünner Fips! Und ich hatte mich so darauf gefreut, einen recht großen, kräftigen Bauernjungen hierherzukriegen, der ordentlich zupacken könnte!« Aber der Prokurist und ich wurden doch allmählich gute Freunde, und er nahm sich meiner väterlich an, als es mir später hin ein paar Jahre lang schwer wurde, das tägliche Brot zu schaffen. Ich sollte die Kunden im Laden bedienen, Gänge besorgen, die Vcrlagsartikel für die Sortimenter einpacken, das Subskrip tionsbuch und das Journal führen. Besonders mit dem letzteren hatte ich meine liebe Rot, da ich nie ein Rechenmeister gewesen bin. Um das Buch mit der Kasse in Übereinstimmung zu bringen, lehrte mich der »Geselle«, der Mikkelsen hieß, einen Posten einflihren, den er »Diverses« nannte. Dieser Posten spielte später eine große Rolle in meinen Rechnungen — und tut es übrigens heute noch. Der Geselle stand unter dem Geschäftsführer und ich wieder unter dem Gesellen. Von dem Prinzipal sahen wir nicht viel. Er hielt sich meist zu Hause in seiner Villa in der Frederiks- bsrg-Allee auf und schickte seine Haushälterin mit kleinen Re quisitionszetteln nach Geld in die Stadt. Wozu er das Geld brauchte, weiß ich nicht. Er hatte gewiß schwer zu kämpfen. Ich mußte immer wieder in der Stadt um herrennen, um von Reitzel und Hegel die Wechsel auf der Rück seite beschreiben zu lassen. Seine Lager, wo die Bücher »in Materie« lagen, hatte er an diverse Kreditoren verpfändet, so daß ich, wenn wir die Bücher brauchten, zu den Herren gehen und mir die Schlüssel zu unseren eigenen Speichern leihen und nach Benutzung wieder abliefern mußte. All das kam mir gar nicht merkwürdig vor, denn ich dachte, es müßte so sein. Aber anfangs hatte ich Angst davor, mit dem Prinzipal allein zu bleiben. Und das hatte seinen Hauptgrund in folgendem Vor kommnis : Eines Tages, als der Geschäftsführer und Mikkelsen in der Stadt waren, um Geld zur Deckung einiger Wechsel-zu beschaffen, und ich allein im Packraum hinter dem Laden stand, geht die Tür zum Kontor plötzlich auf, und er kriecht auf allen Vieren über den Fußboden und unter den großen Mitteltifch, während er abwehrend mit der einen Hand winkt und flüsternd wiederholt: »Ich bin nicht zu Hause! Ich bin nicht zu Hause!« 1346 Im selben Augenblick läutet die Ladenglocke. Es war einer unserer Buchdrucker, der nach dem Prinzipal fragte. »Er ist nicht zu Hause«, sagte ich. »Wann meinen Sie Wohl, daß er kommt?« fragte der Buch drucker. »Nie«, sagte ich in meiner großen Verlegenheit. »Nie?« »Ja, das heißt, ich weiß es nicht. Er ist trank, er ist — er ist heute gar nicht ins Geschäft gekommen. Der Buchdrucker geht und schlägt die Ladentür hinter sich zu. Aber im Hinterzimmer kriecht der Prinzipal unter dem Tisch hervor und geht ruhig in sein Bureau. — Ein Lichtpunkt im alltäglichen Gefchäftseinerlei war es, wenn Ernst Bojesen*) uns besuchte. Im übrigen bot mir das Dasein nicht viel Abwechslung, es siel mir schwer, mich in Kopen hagen zurechtzufinden, und meine Geschäftszeit dauerte von acht Uhr morgens bis neun Uhr abends, im Sommer bis sieben Uhr abends. Mikkelsen schwärmte stets die Nächte durch und wollte mich oft gern mitnchmen, aber der »Andere« (mein guter Dämon) riet mir stets davon ab und sagte, ich müsse zu Hause bleiben und dichten. Viel Bekannte hatte ich eigentlich nicht. Ich kam ziemlich oft zum Schneidermeister Patheier in der Helliggejstraede. Der Schneidermeister war ein kleiner, kugelrunder, weißhaariger Mann mit weißem Backenbart (privatim nannte ich ihn den Wattemann), und er ging stets mit einem grauen, tief in den Nacken geschobenen Zylinder. Er war Steen Michers**) Schnei der gewesen und erzählte, wie Micher einmal ausrücken wollte, ohne seine Rechnung zu bezahlen. Patheier hatte indessen hec- ausbekommen, mit welchem Fährschiff Bücher fort wollte. Er fand sich auf dem Schiff ein und erhielt folgende Verschreibung: Die 65, in Worten fllnfundsechzig, Reichsbanktaler, die ich Herrn Schneidermeister Patheier für gelieferte Kleider für mich und meinen Sohn schuldig bin, verpflichte ich mich auf Ehre und Gewissen im Laufe des Dezember dieses Jahres zu bezahlen. Kopenhagen, den 26. November 1842. St. St. Bücher, Prediger zu Spentrop und Gassum. »Dieses Jahr« kam indessen nie. Und Patheier schenkte mir den Schein. ' »Armer Kerl«, sagte er, »er konnte doch nicht bezahlen«. Des Sonntags gingen wir in den Tiergarten, die Familie Patheier und ich, die Tochter Bine, die Schwiegertochter Marie, die Tochter Frau Laure Lassen mit ihren beiden Kindern Ejlerr und Johann. Sie nahmen sich meiner überhaupt an und führten mich bei ihren Freunden, Kontorchef Dahls, ein, in deren Tochter Julie ich mich heftig verliebte. Die alte Frau Dahl war eine famose Dame und sehr schön. Der Bureauches war ein außer ehelicher Sohn ihres Mannes, aber sie hatte ihn angenommen, was uns mit höchster Bewunderung für die drastische alte Dame erfüllte. Mein Bruder John war ein lebhafter und sehr fröhlicher junger Mann, der Tante Marie durch ein fideles Leben viel Kummer bereitete. Ich dagegen hatte abends gar keine Zeit zum Ausgehen, ich saß zu Hause und dichtete und dichtete. Ich versuchte meine Dichtwerke bei verschiedenen Blättern und Zeit schriften anzubringen, bekam sie aber alle zurück . . . sogar von Holsts »Kinderfreund«. Das waren harte Zeiten. Die Mutter, der ich meine Sachen vorlesen konnte, fehlte mir sehr, und das Heimweh plagte mich furchtbar. Besonders ein Abend in der Frederiksberg-Allee ist mir in der Erinnerung geblieben, wo ich saß und an Selbstmord dachte. Daraus wurde jedoch nichts — was ich späterhin bei verschie denen Gelegenheiten sehr bedauert habe. (III-V folge».) "j Spater Mitdircltor des Gpldcndalschcn Verlags in Kopen hagen. **) Bekannter dänischer Dichter.
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