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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1868
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- Ausgabe
- Band
- 1868-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1868
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- Deutsch
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und mehr noch bei dem zunehmenden Verfall der katholischen Kirche kurz vor und nach der französischen Revolution, ja von dem kaum vollendeten 53. Bande wurde eine Menge von Eremplaren als Macula rur verkauft, und später, zur Zeit des Kaiserreichs, sind viele complete Eremplare unter dem Gesetz der lioeueos als Ballast eingenommen und, sobald aus dem Hafen, über Bord in Sec geworfen worden. Von der Zeit an ist das Werk nach und nach wieder im Preise ge stiegen; 1824 galt ein Eremplar auf der Auction te Water 275 Thlr., vor 25 Jahren kostete es 600—800 Thlr., vor 10 Jah ren 1200 Thlr., vor 5 Jahren hat man erst den 53. Band, später das ganze Werk mit glänzendem Erfolge neu gedruckt und jetzt wird cs sogar ins Französische überseht. — Die lateinischen Predigtsamm- lungcn in Folio und Quarto galten seit Jahr und Tag nichts mehr, gar nichts. Man hätte es für unmöglich gehalten, daß die noch ein mal sich neu beleben könnten, jetzt sieht man sic trotzdem von Jahr zu Jahr im Preise steigen. — Das große exegetische Bibelwerk des belgischen Jesuiten Cornelius van der Steen (auch ä Lapide) bildet 10 schwere Foliobände und ist im 17. Jahrhunderl mehrmals ge druckt; Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts war das Buch so gesunken, daß der Buchhändler de Bruyne in Mecheln zwei hohe Stapel Papier besaß, bestehend aus den Titel- und einzelnen Bogen dieses Werkes, die als Maculatur nach dem Gewicht verkauft wurden; vor 20 Jahren kostete das Buch wieder 50 — 70 Thlr., und vor circa 10 Jahren ist es aufs neue und seitdem wieder ge druckt! — Ist das Zufall, Laune? Oder hat es nicht seinen sehr guten Grund in dem veränderten Laufe der theologischen Studien und Untersuchungen, in der Geschichte der katholischen Kirche, in dem Zeitgeist«:? Welche Folgerungen lassen sich da nicht aus den Lücher- prcisen ziehen? — Auf geschichtlichem Gebiete lassen sich ähnliche Beispiele anführen, doch wollen wir uns hier darauf beschränken, noch einige ganz besonders ins Auge fallende Momente hcrvor- zuheben. Von Shakspcare's Werken eristiren 4 Folioausgaben von 1623, 1632, 1664 und 1685, außerdem zahllose frühere Einzelausgaben seiner Trauerspiele und Dramen, ein Beweis, daß seine Schriften derzeit außerordentlich beliebt waren. In den 100 Jahren von 1650—1750 und später war Shakspeare in England wenig gesucht, man erklärte ihn für zu veraltet, eigcnthümlich bizarr, man las und kannte ihn nicht mehr. Da kommt der Kritiker Samuel Johnson und hebt aufs neue seine Verdienste hervor, die Ausgaben seiner Werke von Neid und Malone wecken das Volk wieder auf und nach und nach beginnt die Liebe zu ihm wieder zu erwachen. Man sucht die alten Folianten und Quartanten wieder auf bei den Buchhänd lern, die sie haufenweise liegen hatten, doch meistens dcfect durch den vielen Gebrauch, der früher davon gemacht war. Die Preise stei gen; ein Buchhändler hat sogar einmal die Unverschämtheit (wie sich ein derzeitiger Gelehrter äußerte), für einige Bogen eines desectcn Folio-Shakspcarc 2—3 Pf. St. zu fordern! Aber die Preise steigen immer noch; sie steigen imAnfang dieses Jahrhunderts auf 50—100 Pf. St. für die erste Folio-Ausgabe, auf 1—2 Pf. St. für eine Tragödie in Quarto! — Da erschienen vor einigen Jahren die Amerikaner als Mitbieter auf dem Felde und sofort stiegen die Preise auf 4, 5, 6 ja 800 Pf. St. für den ersten Folio, und auf 50, 100, 150 Pf. St. und mehr für ein Quarto, für ein dünnes, schlecht ge drucktes Quarlbüchelchcn von ungefähr 100 Seilen, für ein Buch, welches früher mit einigen Schillingen bezahlt war. Dieser Tage noch wurde in London die erste, sehr seltene Ausgabe des „Nuek ,4äos rrbont XotlriuA", kl. 4. vom Jahre 1600, für 235 Pf. St. versteigert und man würde vergebens lOOPf. St. für 4Seiten eines FoUo-Shakspcare bieten, während cs früher eine Unverschämtheit genannt war, 2 Pf. St. dafür zu verlangen! Ist das Zufall, Laune, ist das Raserei oder Tollheit? Keineswegs! In der Jetztzeit, wo die Liebe für jedwede Nationalliteratur mehr als jemals erwacht ist, wo der ganze einzige Werth Shakspcare's erkannt wird, jetzt ist kein Grund vorhanden, weshalb Diejenigen, die eher 1000 Pf. St. aus geben, als ein solches geliebtes Buch entbehren können, weshalb die nicht ihr überflüssiges Geld für etwas, was sie nur dafür erhal ten können, anlegen sollten. Vor kurzem wurden zwei kleine anonyme Broschüren, jede von 16 Seiten kl. 8., im Beginn seiner literarischen Laufbahn von Goethe geschrieben: „ Brief von L an Z ", und „ Brief von Z an L ", über einen ganz gleichgültigen Gegenstand handelnd, jede für 192 Thlr. verkauft, fürwahr ein verhältnißmäßig viel höherer Preis! Aber das ist keine Würdigung des Inhalts: cs ist ein Tribut, den man der literarischen Größe dieses Heros zollt! Lehrt das Sehen und Studiren der Preise nicht von selbst die ganze Geschichte des Wer- thes von Shakspeare und Goethe Denjenigen, welche übrigens damit unbekannt sind? Noch ein letztes Beispiel. Seit 1810 hat man in Amerika angefangen, die Geschichte die ses Landes und der Städte zu studiren; die Untersuchung hat sich weiter und weiter erstreckt, der Ausübenden sind mehr und mehr geworden; dadurch sind die Preise des bekannten literarischen Mate rials gestiegen, eine Menge vergessener Bücher wieder ans Licht ge bracht und neue Quellen entdeckt worden. Derjenige, welcher von diesen Studien in Nordamerika nichts weiß, nichts von dieser Umwälzung auf literarischem Gebiete gehört hat, wird von selbst darauf geführt, wenn er die früheren und jetzi gen Preise der Bücher über Amerika vergleicht, wenn er sieht, daß sie in dem Katalog von Crofts, im Jahre 1797 verkauft, wo sie in Menge vorkamen, wenige Schillinge aufbrachtcn, während dieselben Bücher jetzt 10, 50, ja 100 Pf. St. kosten! Ist das nicht lehrreich? Und daß diese Anschauung richtig ist, möge zum Ueberfluß aus folgender bemerkcnswcrthcn Thatsache hervorgchen. Brunet hatte 1820 eine 2. Ausgabe seines illauusl gebracht; 1832 war ein Neudruck nöthig, der veränderte Geschmack der Bücherliebhabcr hatte inzwischen jedoch eine solche Umwälzung in den Preisen hervorge bracht, daß Brunet (wie er in der Vorrede zu seinen dWuvollos roebsiobss, 1836, sagt) sehr zögerte, die hohen und niedrigen Preise, die er derzeit für eine vorübergehende Erscheinung hielt und zufälligen Umständen und der Laune einiger Liebhaber zuschrieb, in sein iVI-ruuol, in den Leitfaden aller Bibliophilen, aufzunchmen und als Maßstab anzugebcn; er brachte deshalb keine ncubearbcitetc Ausgabe, sondern das intermediäre Werk: dWuvolls« reobsrebss. Aber wie wurde seine Erwartung betrogen! Start daß die neu ge suchten Bücher sanken, stiegen sie vielmehr noch höher, und so mußte er 1842 doch eine neue Ausgabe seines ganzen Werkes und 1860 wieder eine neuere bringen, worin diese Umwälzung nur mehr und mehr befestigt wurde. Die Ursache dieser anfänglichen Zögerung war, daß Brunet die historische Richtung und das nationale Stre ben seiner Zeit damals vollständig verkannte, für die Studien seiner Zeitgenossen kein offenes Auge und den Geist seiner Zeit nicht er gründet hatte! Sollte cs »ns gelungen sein, den Bcrufsgenosscn, namentlich den jüngern, zu zeigen, daß das Studium der Literaturgeschichte und namentlich der praktischen Bibliographie der beste Führer ist für eine höhere Büchcrkenntniß und für die Erkenntniß: daß die Ge schichte der Bücher eine der lehrreichsten Abteilungen der Geschichte der allgemeinen Bildung ist, dann hofft Schreiber dieses auch, daß die Bibliographie mehr und mehr im Buchhandel gewürdigt und nicht nur zu rein praktischen geschäftlichen Zwecken, sondern auch als Mittel zur allgemeinen buchhändlcrischen Bildung ausgeübt wer den möge.
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