Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.08.1868
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- 1868-08-05
- Erscheinungsdatum
- 05.08.1868
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- Deutsch
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179. 5. August. Nichtamtlicher Theil. 2075 Welt ist nur ein allmähliches Fortschreiten; nichts springt plötzlich fertig wie Minerva aus Jupiter's Haupt. Einer beginnt, ein Andrer ahmt nach, ein Dritter setzt Eins, ein Vierter das Andere hinzu, und so entsteht allmählich etwas der Vollendung sich Annäherndes. Das ist das Gesetz aller Cultur. „Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu thun! Die Erfinder, das sind die Könige; alle übrigen sind bloße Kärrner, die aber ebenso nothwendig sind für die Fortent wicklung des ersten Gedankens und den Fortschritt überhaupt, wie die ersten Erfinder selbst. Es gibt auf allen Gebieten wenig Könige, ; und auch unser Engländer ist keiner. Wenn wir den Satz, daß jede Nachahmung des Titels und der äußern Form eines Buches gleich dem strafbaren Nachdruck wäre, dem deutschen Buchhandel als neuen Hemmschuh octroyiren ließen: wo sollte das endlich ein Ende finden? Vor einem Jahrzehend hat bas Bibliographische Institut in Hildburghauscn (welches, nebenbei ge sagt, trotz allem, was man s. Z. vom Nachdruck sprach, durch unaus gesetzte Verbreitung der vurch hohe Preise fast ganz vom Volke abge- spcrrlcn deutschen Geisteshcrocn bis in die untersten Kreise sich außer ordentlich viele Verdienste um die allgemeine Bildung der Nation erworben hat), eine „Nationalbibliothek der deutschen Elassiker" her- ausgcgebcn. War nun dieser Titel das ausschließliche Eigenthum dieser Firma, und ist etwa Gustav Hempel in Berlin deshalb strafbar, weil er sein begonnenes Riesen-Untcrnehmen ebenfalls „Nationalbibliothek sämmtlicher deutscher Elassiker" genannt und jenen früheren Titel bloß mit dem Zusatz eines Wortes aboptirt und nachgedruckt hat? — War cs strafbarer Nachdruck, als das „Schillcrformat" für alle deut sche Elassiker von den verschiedenste» und ehrenwerthesten Firmen angewandt wurde? — War es Nachdruck, als die „Gartenlaube" in Format und Ausstattung vom „Daheim", von Wachenhusen's „Haus freund" und andern ähnlichen Blättern, als der „Kladderadatsch" von den „Berliner Wespen" und andern nachgebildel wurde, als „Schnitze und Müller" College» fanden? — Im Buchhandel Erfah renere, als ich, mögen leicht aus ihrer Praxis die Beispiele verdutzcnd- sachen können. Ich sage nein, im Interesse der Gcwerbefreiheit ist das alles kein Nachdruck im Sinne des Gesetzes; denn nur der gei stige Inhalt entscheidet. Mag Einer ein neues Buchformat erfinden (wir haben freilich deren nur zu viele!): Andere mögen ihm das be liebt gewordene Format nachmachen! Mag Einer eine besondere Aus stattung der Bücher seines Verlags anwenden, ein besonderes Papier als Umschlag verwenden, in Titel, Lettern re. sich auszeichnen: mögen es Andere nachmachcn! Das alles ist kein strafbarer Nachdruck, — die Fälschung von Name» und Firma natürlich ausgeschlossen. An einem Buche ist der Inhalt und dieser allein für den Nachdruck und die Strafbarkeit desselben maßgebend; die äußere Form ist reine Sache der Industrie und muß vollständig gleich dieser, nicht mehr, aber auch nicht weniger, der Concurrenz freigegeben sein. An dem besprochenen nackgeahmten „Familienkalcndcr" aber ist der Inhalt ein ganz verschiedener; das klebrige gehört nicht zum Kalender und nicht unters Preßgesetz. Also was will die verfolgende Firma An deres, als unsere deutsche Industrie' unter ihre eigenen speciell pecu- niären Interessen beugen und sie auf Jahrzehcnde hinaus, wenigstens auf diesem einem Wege, aufhalten. Ich Weiß, ich habe mit der offenen Aussprache dieser meiner Uebcrzeugung, die indcß gewiß im Stillen von Hunderten gethcilt wird, in ein Wespennest gestochen; das soll mich aber nicht abhalten, mit offenem Visir auszutreten und meinen Namen zu unterzeichnen. Es mag sein, daß ich der Meinung von Hunderten gegcnübertrete — Engherzige und Privilegirtc gibt cs ja noch überall — und ich bin auf viele Gegner gefaßt. Einen wohlfeilen Witz will ich aber diesen Herren, die nicht immer mit den stärksten Waffen kämpfen, für mich wegnehmen: Im Jahre 1848 soll in Frankfurt ein Bild in Bezug auf einen der damals zahlreichen verdrehten Volksbeglücker, die im Grunde nichts als Egoisten waren, cursirt haben: der Gewisse steckte auf einer Anhöhe den Kopf zwischen die Beine und betrachtete sich so die Umgebung. „Auch eine Weltanschauung!" — Wer alles ringsum nur vom Centrum seiner Welt, vom Geldbeutel aus be trachtet, gleicht diesem Manne; solche Weltanschauung wird aber bald genug vom Fortgange der Geschichte und der Culturentwicklung be seitigt und immer gerader und gerader erhebt sich der Mensch zu besseren und richtigeren Anschauungen. Oixi ot sulvavi auiwam. Berlin, 26. Juli 1868. Or. Eduard W. Sabell. Die Auslegung des Noth-Gewerbegesetzes. Paragraph 2. des Noth-Gewerbegesetzes bestimmt: „Für den Betrieb eines Gewerbes ist ein Befähigungs-Nachweis nicht mehr erforderlich." Daraus schlossen bisher alle Beteiligten, sowie die gesammte Presse und mit ihr auch die geehrte Redaction des Börsen blatts, daß die in Preußen bestehenden Prüfungen für Buchhändler und Buchdrucker durch das in Rede stehende Gesetz aufgehoben seien (vergl. Börsenblatt 1868, Nr. 161). Zur allgemeinen Ucber- raschung aber hat der preußische Handclsminister soeben ein Rescript erlassen, nach welchem diejenigen Prüfungen bis auf Weiteres erhal ten bleiben sollen, „welche als Vorbedingungen der zu erteilenden Concession zu betrachten sind". Diese Bestimmung scheint nament lich auf die Preßgewerbe gemünzt zu sein. Der Börsenvercin der deutschen Buchhändler hat das Streben nach der freien Ausübung der Preßgewerbe zu dem seinigen gemacht und demselben durch die bekannte Petition an den Reichstag Aus druck gegeben und damit anerkannt, daß die Gcwerbefreiheit im Interesse des gesammten deutschen Buchhandels liege. Ein Jahr vorher noch hatten sich manche Stimmen bei Gelegenheit dcrGehilfen- petition vernehmen lassen, welcheZeter schrieen überden frevelhaften Gedanken, der deutsche oder vielmehr- der preußische Buchhandel könne bestehen und sogar einen kräftigen Aufschwung nehmen, wenn die Prüfungen aufgehoben würden. Seitdem scheinen sich die Mei nungen innerhalb des Buchhandels geklärt zu haben, denn nachdem der Vorstand des Börsenvereins vorangegangen ist, sind keine Be denken mehr geltend gemacht worden, oder wenigstens solche nicht mehr in die Oeffentlichkeit gedrungen. Nachdem nunmehr der allgemeinen Ansicht nach durch das Noth- Gewerbegesetz die Freiheit der Preßgewerbe erreicht ist, dürfte es Sache der Allgemeinheit, voran des Börscnvorstandes sein, unser Recht auf Gewcrbefrciheit, die, so hoffen wir, noch herrliche Früchte tragen soll, gegen alle Auslegungen und Interpretationen zu wahren und zu schützen. Dem preußischen Preßgesetze nach liegt die Sache einfach so: Ein Jeder, der das Examen bestanden hat, erlangt oo ip8o dadurch das Recht zum Gewerbebetriebe; die noch einzuholende Concession ist eine rein formelle, denn dieselbe darf nicht versagt werden, wenn der Ausuchendc unbescholten ist. Jede weitere Prüfung, etwa der Bedürfnißfrage u. s. w., ist durch das Gesetz ausgeschlossen. Da von den Wirkungen des Paragraph 2. die Prcß- gewcrbe nicht ausgenommen sind, so müssen die Prüfungen fallen, denn dieselben sind keine bloßen „Vorbedingungen" der Concession, sondern (mit Ausnahme der nachzuweisenden Unbeschol tenheit) die einzige Ursache derselben; um die Concession muß zwar nackgcsucht werde», dieselbe darf aber keinem Unbescholtenen ver weigert werden. Wir hoffen, daß der Vorstand des Börsenvereins diese Auf fassung der Sachlage thcilen und unvcrweilt die geeigneten Schritte thun werde, um das Recht der Preßgewerbe außer Frage zu stellen. Unserer Meinung nach dürfte das Bundeskanzleramt die zuständige Behörde sein, welche allein über die Auslegung der Bundesgesehe zu entscheiden hat, und wir hoffe» zuversichtlich, daß diese Ent- 313*
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