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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.10.1854
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1854-10-09
- Erscheinungsdatum
- 09.10.1854
- Sprache
- Deutsch
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1696 127 vollends gar nicht. Herr Gerhard sah indeß in jeder deutschen Zei tungsoffice, die ein paar alte Pamphlete zum Verkauf anzeigte, oder ihre Agentur für die eben damals erscheinenden Werke Thomas Payne's ankündigte, eine deutsch-amerikanische Buchhandlung und füllte, in guter Treu und Glauben, wie wir nicht zweifeln — die Spalten des Leipziger Börsenblatts mit einer Liste deutsch-amerikanischer Buchhändler an. Die bekannten 33 Procent, die 40, ja auch 60 gegen baar mußten den deutschen Er-Buchhändlcr, der die deutschen Gulden und Thaler in amerikanische Dollars übersetzte, verblendet haben. Als wir seine Mit theilung lasen, erinnerten wir uns lebhaft der Scene aus den „Leiden und Freuden eines Buchhändlers", in welcher der Vater eines ange henden Lehrlings feinem Freunde die Enormität der 33 auscinandersetzt. Der immergrüne deutsch-amerikanische Buchhändlcrwald scheint indeß seine Einladung, in seinem labenden Schatten zu wohnen, vergebens an Gerhard verschwendet zu haben; denn, so viel wir wissen, macht Herr Gerhard schon seit langer Zeit in Kohlen und nicht in Intelligenz. Da, so viel wir glauben, Herrn Gerhard's Artikel der einzige in den letzten Jahren war, der nähere Notizen über den hiesigen deutschen Buchhandel zu geben versuchte, so mußten wir nothwendig desselben er wähnen. Die zwei Hauptzweige der Literatur, welche beinahe allein einen deutschen Buchhandel unter den Deutschen der Vereinigten Staaten möglich machen, find „Theologie und Medicin". In einem Lande, wo Jedweder, über den der Geist gekommen, oder der sonst keinen Erwerbszweig, bei dem er arbeiten muß, ergreifen will, von heute auf morgen Prediger werden kann; in einem Lande, wo jeden Tag neue Secten zu den zahllosen alten sich hinzugesellen, und eine Portion Unverschämtheit, mit etwas salbungsvoller Würde gepaart, vollkommen hinreichend ist, um ein halb hundert Leute, die noch einfältiger als er sind, unter sein Banner zu versammeln; in einem Lande, wo cs Mode sache ist, zu einer Kirche zu gehören und seinen Geistlichen gut zu be zahlen; in einem Lande endlich, das im Verhältniß zu seiner Bevöl kerung noch einmal so viel Kirchen und Bethäuser zählt, als das ganze christliche Europa zusammen, und in dem trotz dessen weit weniger wirk liche Religiosität zu finden, als irgend anderswo; in einem solchen Lande sind theologische Schriften ein Bedürfniß des Tages und eine reichliche Einkommensquelle für den, der sich mit deren Betrieb befaßt. Man trete in einen deutsch-amerikanischen Buchladcn und besehe sich die von Büchern in prachtvollen Einbänden von Marokko, Kalbleder u- s. w. mit goldenem Titel und Schnitt strotzenden Büchergestelle u. s. w. —, was wird man darin finden? Die deutschen, französischen und englischen Klassiker, Gdlhe's Reineke, mit Zeichnungen von Kaulbach, vielleicht? Vorerst nicht! Die Titel der mit so vieler Vorliebe und Pracht ausge statteten Werke werden lauten: Bibel 'von Allioli, Bibel von Luther, das wahre Christenthum, himmlisches Passions- und Lustgärtlein, Tho mas a Kcmpis, Luther der Antichrist, Lutherisches Gesangbuch, die sieben Todsünden (nicht von E. Sue), der einzige Weg zum Himmel, Pater Kochcm's gesammelte Werke, Christliches Schatzkästlein u. s. w. Und ein Schatzkästlein ist diese Literatur allerdings für den Buch händler, der seine besten und einträglichsten Geschäfte mit Producten derselben macht. Wir betraten selten eine deutsche Buchhandlung im Westen, ohne daß wir irgend einen Reverend darin getroffen hätten, der emsig unter den gottgelehrten Schätzen wühlte und selten ohne klingende Beweise seiner Anwesenheit den Laden verließ. Eggers und Wilde, die bedeutendste deutsche Buchhandlung im Westen, treiben noch überdies einen ausgebreiteten Antiquariatshandcl mit theologischen und kirchen geschichtlichen Werken, mit denen sie alle Bibliotheken der größeren Colleges und Universitäten versehen. In deren großem Geschäftslocal, Mainestreet in Cincinnati, kann man, besonders in der Ferienzeit der Studenten und Professoren, beinahe jeder Zeit Geistliche aller Con- sessionen sehen, die kommen, um sich an dieser reichlichen Quelle mit literarischem Manna zu versehen. Doch nicht im Westen allein florirt die theologische Literatur: genau dasselbe Verhältniß besteht in den öst lichen Staaten. Theologische Literatur aller Art, vom „Weg des armen Sünders" bis zur „christlichen Mystik von Görres", ist gesucht und zu guten Preisen verkauft, trotz der Concurrenz, welche die verschiedenen Tractat-Gesellschaften dem Buchhandel dadurch machen, daß sie eine Masse theologischen Rüstzeugs in allen Sprachen umsonst oder zu hal ben Kostenpreisen verbreiten. Broßberger's Postille und Arndt's „Wah res Christenthum" lassen sich so wenig vom Markte verdrängen, als Rinaldo Rinaldini, Schinderhannes und Wcndclin von Höllenstein. Die wissenschaftliche Theologie ist indeß nicht so sehr im deutsch, amerikanischen Buchhandel vertreten, als die populäre, und was an wis senschaftlichen Werken dieser Art Abgang findet, nimmt seinen Weg meistens in Seminare und Colleges oder zu einzelnen Geistlichen. Die amerikanischen Reverends halten große Stücke auf deutsche Theologen orthodoxer Richtung, und viele studircn eigens Deutsch, um deren Werke lesen zu können. Der Ankauf von Neandcr's Bibliothek für das Loone- Seminar in Ohio spricht deutlich genug dafür. Mil der Theologie concurrirt die Medicin. Die wissenschaftlichen Werke in diesem Fach kommen indeß im hiesigen Buchhandel weit mehr fort, als wissenschaftlich-theologische Werke. Die Werke von Nägele, Chelius, Kilian, Anton, Aschcnbrcn- ner, Frank, Canstatt, Sobernhcim, Walter, Schönlein, und wie die besseren medicinischen Schriftsteller noch heißen, finden guten Absatz unter Acrzten, wie unter solchen, die cs werden wollen, oder sich so nen nen. Denn nicht nur die Behandlung der Seele, sondern auch die des Leibes ist hier Jedem frcigcgcben, der sich der vorzugswcisen Pflege der Einen oder der Anderen als Broberwerb widmen will. Medicinischer Schund, wie: „Anleitung, sein eigener Arzt zu sein", Wische a 1a La Mert und dergleichen, finden natürlich gleichfalls einen guten Markt, wie dies in Deutschland selbst nicht anders ist. Wie uns deutsch-amerikanische Buchhändler, die eine langjährige Erfahrung in diesem Lande zu einem compctenten Urtheil befähigt, ver sichern, verhält sich der Verkauf theologischer Werke zu medicinischen und naturwissenschaftlichen wie 5 zu 3. Seit den letzten Jahren hat der Vertrieb naturwissenschaftlicher Werke zugenommen, und die Werke von Humboldt, Licbig, Wagner, Roßmäßler, Paully, Otto u- s. w., die vor 10 Jahren gar kein, oder nur ein höchst spärliches Publicum gefunden haben würden, kommen täglich mehr in Umlauf. Von technischen Werken sind besonders architektonische, sowie in's Fach der angewandten Mechanik schlagende gesucht. Ebenso Werke über Bergbau, Scheidekunst u. dgl. Höhere Belletristik, wie bessere Romane, Novellen, Gedichte, Me moiren, sind wenig verkäuflich, weil die Preise meist viel zu hoch sind. Wir glauben nicht, daß von Gutzkow's „Ritter vom Geiste" mehr als 30 Exemplare in den Vereinigten Staaten existiren- Dagegen fängt die gewöhnliche niedere Belletristik und Uebersetzungslitcratur an, der Theo logie und Medicin nach und nach gleichen Rang abzugewinncn. Das Spindler'sche Ausland, Hallbexger's Aula, welche letztere in Deutschland meist ein Krebsdasein führte, sowie überhaupt alle Sammelwerke dieser Art, finden seit mehreren Jahrenein großes Publicum. Wir vergaßen, der Cotta'schen Ausgabe der deutschen Classiker zu erwähnen, die durch ihre Billigkeit und schöne Ausstattung einen dauernden Markt in diesem Lande gefunden. Die frühere deutsche Vereins-Buchhandlung von Hel- mich und Schmidt (jetzt L. W. Schmidt) in Newyork har allein, durch die Thätigkeit Herrn Helmich's, 700 Subscribentcn auf diese Sammlung gewonnen, und der Absatz derselben dürfte sich jetzt schon nach Tausen den von Exemplaren berechnen. Politik und Jurisprudenz finden nur wenig Absatz im deutsch-ame rikanischen Publicum; Bücher über deutsche Politik vollends gar nicht. Wer sollte sich auch hier mit speciell deutscher Politik befassen? Von rein philosophischen Werken verirrt sich hier und da ein Ex emplar von Feuerbach's oder Bauer's Werken über den großen See — aber vorräthig wird man sie in den wichtigsten Buchhandlungen nicht finden. Obgleich der Deutsche zur speculativen Philosophie geneigt ist, so hat doch in diesem Lande die spekulative Richtung einen ganz ande ren Weg eingeschlagen: man speculirt auf Bots, Ländereien, kurz auf Alles, was den Dollar repräsentirt. Eine Art Literatur, die leider noch sehr im Schwünge ist, und die dem scharfsinnigen, spcculirenden Geist des Herrn Raddc in Newyork ihre Ausbreitung in den Vereinigten Staaten verdankt, ist die soge nannte Volksbücher-Literatur, wozu natürlich die Traumbücher und Wahrsagewische gehören — Rinaldo Rinaldini, Albertus Magnus, Faust's Höllenzwang, die sieben Mosen u. s. w-, sind die Titel dieser edlen Werke, die einem deutsch-amerikanischen Buchhändler ihre tausend fache Vervielfältigung verdanken. Jedenfalls hat Herr Radde ein recht gutes Geschäft damit gemacht. Wir haben zu Anfang dieses Artikels von der großen Anzahl deutsch-amerikanischer Buchhandlungen gesprochen, deren Herr Gerhard im „Börsenblatt" erwähnt. Die große Majorität aller jener deutsch amerikanischen Buchhändler, die erst von Herrn Gerhard zu deutschen Buchhändlern pur excellsnce gestempelt worden, betreiben den Buch Handel nur als Nebcngcschäft, haben nur ein kleines Lager von Gebet büchern, Wörterbüchern, deutsch-englischen Sprachlehren und abgegriffe nen Pamphleten, stehen mit dem deutschen Buchhandel in keiner direkten Verbindung und müssen, wenn irgend ein Artikel verlangt wird, den sie nicht führen, erst nach Cincinnati, St. Louis, Newyork oder der nächst- gelegenen großen Stadt darum senden. Eine Zumuthung, der sie indeß nur selten entsprechen können, da ihnen dies zu viel Kosten und Mühe verursacht, deren Vergütung sic nimmer beanspruchen können oder
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