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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.11.1860
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1860-11-21
- Erscheinungsdatum
- 21.11.1860
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18601121
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2412 Börsenblatt für den deutschen Ruckbandel. 144,21. November. Die Baarpackete. In den letzten Nummern d. Bl. wurde dieser unglücklichen Wuchcrpflanze, ohne welche der heutige Buchhandel nicht glaubt durchkommen zu können, mannigfach Erwähnung gcthan, und möchte es wohl an der Zeit sein, sowohl die Pflanze selbst, als auch den Boden derselben etwas näher zu untersuchen. Soweit mein Gedächtniß reicht, theilte man früher, wie jetzt auch, die Sortimenter in diejenigen, welchen man Rechnung gab, und solche, denen man glaubte aus allerhand Gründen dieselbe ver weigern zu müssen. Die ersteren hatten unbeschränkten Credit für alles, was sie von den Verlegern verlangten, und wenn die letzte ren irgendeinen Verlangzcttel sandten, so wanderte derselbe zurück mit der einfachen Bezeichnung: wollen Sie von Jbrem Commissio- när beziehen ! Dieser batte in der Regel Mittel und Wege, um sich für seine Lieferungen an solcke Committcnien zu sichern, bezog aber, was ec dafür bedurfte, auf Jahrescredit. Von Nachnahmen war damals noch keine Rede, höchstens be nutzte eine in jener Zeit schon sebr bedeutende Verlagssirma den um fangreichen Absatz eines ihrer größeren, sehr gangbaren Verlagsar- likel, um bei ansehnlichem Partiedezug einige Zeit nach Em pfang der Sendung eine Abgabe circa 2 bis 3 Monate dato statt- sinven zu lassen. Solche Abgabe hatte noch für den Bezoge nen in Süddeutschland den Vorthcil, daß er sie mit esfectiv preuß. Cour, in den lener Zeit viel cursicenden und bei den Süddeutschen sonst nicht wechselfäbigcn ^ und Stücken einlöscn konnte. Irre ich nicht, so war es in den zwanziger Jahren, daß bei Erscheinung der bekannten Duodezhefte von „Unsere Zeit" die Nach nahme zum erstenmale bedeutender auftrat, jedoch in der Form, daß nach Ablieferung einer Anzahl Hefte der Betrag für die bereits ge lieferten Hefte nachgenvmmen wurde. Das eigenthümliche Zusam mengehen von Verfasser und Drucker dieses Sammelwerkes, welche gemeinschaftliche Besitzer desselben waren, erklärte die Sache, und man ließ sich die neue Methode gefallen. Wie aber die cupiäitas bsbenäi sich solche Lebren gleich aneig- nct, so gab es auch damals sofort Nachahmer, erst einzeln, dann mehr, welche sick gern in diesem Elemente bewegten, zum Ver druss? der Commissionäre und Sortimenter. Zur Abwechselung und bei größeren Posten flocirte wohl auch die 2 bis 3 Monat-Tratte, ein Schrecken der damaligen Banquiers an allen Plätzen, weilgar viele Sortimenter sich auch der kleinsten Differenz wegen berechtigt glaub ten, solche Tratten nicht einzulösen und zurückgehen zu lassen. Aus jener Zeit besonders datirt der Glaube an Unzuverlässigkeit von Ab gaben aufBuchhändler bei so ziemlich allen Kaufleulen, währenddes halb Ausnahmen von dieser angenommenen Regel, besonders an ei gentlichen Handelsplätzen, eine besondere Achtung genossen. Wie aber das sicherste Pferd zu Schanden geritten werden kann, so mußte auch diese Faqon, welche man plötzlich nicht mehr für die alleinseligmachende Hallen wollte, verschwinden. Sortimenter und Commissionäre halten die Geschichte gründlich sait, erklärten theils einzeln, theils in Masse, daß sie den Unfug nicht länger dulden woll ten, und — er verschwand! Der Gräuel war allerdings groß genug, und ich erinnere mich, daß damals einer meiner Commiltenten, der nach Vorschrift diese Conlinuationen ballenweise perPost bezog, mit einem maleseine Ab nehmer der kleinen Duodezdinger abspringen sah, als deren Masse zu viel wurde und zu schnell kam, und nun Rücksendungen an die Verleger stattsinden ließ, welche alles Maaß überstiegen. Dabei waren seine Remittenden jämmerlich gepackt und kaum emballirt, so daß vom Schiffe, wo solche ausgeladen wurden, bis in s Haus, eine Literaturstraße aus dem Wagen tröpfelte, zur Belustigung und Unterweisung der lieben Straßenjugend, wie sie der kühnste Phi lanthrop sich nicht träumen mochte. Wie naiv war übrigens die damalige Anschauung! Jene Nach nahmen betrafen doch nur bereits gelieferte, meist auch abgesetzteWaare! Doch mit des Geschickes Mächten Ist kein ew'ger Bund zu flechten! Es sollte noch ganz anders kommen und alles übcrtreffcn, was man damals belästigend fand. Eine Pause war eingetretcn, die schäumenden Literaturwogen schienen sich etwas zu legen, der Buch handel in seinen naturgemäßen Betrieb zurückzukehren. Leere Täu schung! Der Löwe hatte Blut geleckt und — Geschmack daran ge funden. Die dreißiger Jahre brachten eine Production, welche für jene Zeit enorm genannt werden konnte, obgleich sic mit der heutigen sich nicht messen kann. Lieferungswerke und Werkchen überstürzten ein ander, große Zeitschriften wurden gegründet; unter andern eine, welche in allen damals existirendcn politischen und sonstigen Blättern angekündigt wurde, und deren jedes einzelne Inserat 30 bis 40 fl. kostete. Banquiers, Kaufleute, Gelehrte (mit Mitteln) stürzten sich in den Verlagsschwindel, associirten sich mit Buchbändlern, warfen Capital? ein und die geniale Wicthschaft dauerte längere Zeit. Aber das nun mehrfach vertretene kaufmännische Element wollte sich aber mals nicht in den langsamen Bahnen der buchhändlerischen Zah- lungswcise bewegen, die rasche Bewegung der mittlerweile ausgetre tenen Dampfpressen forderte schnellere Hilfe. Der »ervus rerum mußte geschaffen werden; es flottirten also schon mit Beginn des Januar, noch vor Remittenden und Abschluß der vorherigen Rech nung, sogcnannte Apprerimativtratlcn, 3 Monate dato auf gut Glück ausgestellt und dem Wohlwollen der Sortimenter auf's wärmste empfohlen. Manche mochten eingelöst werden, viele nicht; redliche Sortimenter, der alten Ordnung anhängend, mochten doch nicht gern zahlungsunbeceit erscheinen, sortirten in Eile der Aussteller Remittenden, packten sie zusammen und bezahlten nach ihrem Ab schlüsse sehr generös diese Saldi ohne Zinsvergütung, lediglich pour l'bonneur äe la msison. Wieder schien nach diesem sich nach und nach verlaufenden Sturme eine solidere Pause eintreten zu wollen. Gar manche der Himmelsstürmer und ihre Geldkelfcr halten es satt, und sieht man die damaligen Buchhändlerverzeichnisse heute durch, so findet man auf jeder Seite Firmen, jener Zeit Großes vorstellend, nun schon längst nicht mehr existirend, oder in dritte,, vierte Hand zersplittert — reqaiesegiil in psee! Genau den Beginn der neueren Gestalt des heutigen Baar- packcts nach Jahr und Datum nachzuweisen, ist mir nickt möglich. Es mögen anfangs wohl nur einige schüchterne Versuche gewesen sein, Fühlfäden genialer Leute, welche ihrer Zeit voraussahen, was al lerdings bedeutendere geistige Fähigkeit voraussetzt und oft von gro- ßcmVortheil begleitet ist. Genug, die Anfänge gelangen, derSor- limenter mochte wohl etwas knurren, aber lieblich-ernst klingende Circulare verwiesen auf außergewöhnlichen Aufwand größerer Unter nehmungen, welche nur so entstehen könnten und — die Sortimenks- gemüther beruhigten sich. Die Bahn war nach und nach gebrochen, und wie es denn im Buchhandel nur einiger Leithämmel bedarf, um eine neue Weisheit sofort in Lichtgestalt auf die Masse gläubiger Seelen glänzend aus zugießen, so fand die neue Pflanze nicht bloß dankbaren Boden und somit lustiges Gedeihen, sondern sie ist nahe daran, zum Angel punkt zu werden, den letzten Hebel abzugeben, der an die oft uner schütterliche Mauer der Literaturwände angesehk wird.
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