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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.01.1920
- Strukturtyp
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- Band
- 1920-01-03
- Erscheinungsdatum
- 03.01.1920
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- Deutsch
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vvrseublatt f. d. Dtschn. vuchhandrl. Redaktioneller Teil. X- 2, 3. Januar 1820. holsteinischen Gütern, die Blome, Rantzau besuchten uns stets, wenn sie nach Hamburg kamen, — einmal erinnere ich mich Mr. ThierS mit seinen Zöglingen, dem Grasen von Paris und dem Herzog von Charters, bei uns im Geschäft gesehen zu haben. Es war also eine ganz andere Welt als die, in der ich bisher ge lebt hatte. Auch überseeische Kunden erschienen öfter zu unserer Freude, da sie meistens große Bestellungen milbrachten. Der Gang des Geschäfts bewegte sich für gewöhnlich in der herge brachten ruhigen Bahn, oft sogar noch in hergebrachter patriar chalischer Form. So kam Herr Mauke jeden Tag morgens um 9 Uhr herunter, in einem langen grauen Hausrock, begleitet von seinem alten Mylord, nämlich einem großen Neufundländer Hunde. Er öffnete die cingetroffene Post und gab seine An ordnungen; sehr oft kam dann in dieser Zeit dieser und jener Freund, mit dem er gewöhnlich vorn am Fenster, wo mehrere Stühle bereitstanden, ein Plauderstündchen abhielt, immer be gleitet von Mylord, der sich gravitätisch dazusetzte. Herr Mauke beschränkte seine Arbeit auf Bricfschreiben; er war als Ver käufer nicht mehr tätig, — das war dem Sohne Alfred und den Gehilfen überlassen. Er war ein eifriger Politiker, namentlich in hamburgischen Angelegenheiten, und wir nannten ihn, unter uns, »Fiesco«, wenn er mit Gesinnungsgenossen über Neuerun gen in unserer kleinen Republik beratschlagte. Der Verkehr in der Maukeschen Familie, zu der wir Gehilfen immer gerechnet wur den, war sehr angenehm; wir konnten uns wirklich zur Familie zählen. Einmal in der Woche war ein fester Abend, zu dem Freunde und Bekannte ciufürallcmal eingeladen waren. Wir Gehilfen auch; man konnte erscheinen oder nicht und brauchte nicht abzusagen, wenn man verhindert war. Es war immer eine anregende Unterhaltung im Gange, da auch oft unerwarteter Be such erschien, der natürlich den Kreis noch weiter belebte. Die Familien Speckter, Schleiden, Rud. Besser, die Kunsthändler Commcter und Harzen, auch Di. Iulius, der Übersetzer von Ticknors Geschichte der spanischen Literatur waren regelmäßige Gäste; die Bewirtung ganz einfach. Aber cs kam die Zeit, da von dem lieben Hamburg mit seinen lieben Menschen geschieden werden mußte. Eines Mannes möchte ich noch gedenken, mit dem mich die innigste Freundschaft verknüpfte, das war Karl Winter aus Heidelberg, der zur sel ben Zeit in der Heroldschen Buchhandlung arbeitete, ein sonniger, fröhlicher, reiner Charakter, den ich später zu Kantate regelmäßig in Leipzig wiedcrsah zu gegenseitiger großer Freude. Es ist bestimmt in Gottes Rat, daß man vom Liebsten, was man hat, muß scheiden. Ich verließ Hamburg Anfang April 1857 mit der Absicht, möglichst eine Stelle in Sllddeutschland zu suchen, um meinen Gesichtskreis zu erweitern, und fand auch bald einen Posten bei der Firma PrandelLMeyerinWien,woichim Juni eintraf. Leider wurde es nur ein Aufenthalt von einem halben Jahre, aber es waren Tage, die ich nie vergessen werde; ich fand dort einen angenehmen Kreis von Kollegen, vor allem aber Otto Volckmar, den Unvergleichlichen, als neu gewon nenen Freund und meinen neuen Prinzipal Gustav Prandel. Mein Eintritt in Wien vollzog sich in überraschender Weise. Ich suchte natürlich bei meiner Ankunft einen Gasthof auf und begab mich dann in das Prandelsche Lokal »Bei den Tuchlauben«. Beim Betreten des Ladens kam mir ein behäbiger, mittelalterlicher Herr entgegen mit dem freudigen Ausruf: »Ach! Milly!« Er mutzte dann erst eine Träne zerdrücken, ehe er mir erklären konnte, daß ich meinem verstorbenen Vorgänger Milberg so ähnlich sähe, daß er geglaubt hätte, dieser wäre auferstanden, und er hätte ihn so sehr geliebt! Darauf blieb dann die ganze Zeit, die ich in Wien war, gestimmt. Mein guter alter Prandel war durchaus Gemütsmensch. Er hatte also infolge meiner Ähnlich keit mit meinem Vorgänger eine besondere Zuneigung zu mir ge faßt und betätigte dies in oft rührender Weise. Er hätte mich gern dauernd für sein Geschäft geworben, ja er bot mir beim Abschied sogar an, sein Teilhaber zu werden, woran ja natiii;- lich nicht zu denken war; ich bewahre ihm aber ein herzliches Andenken für alle Zeiten. Er war Junggeselle geblieben und lebte allein mit einer alten Wirtschafterin, die ihn, wie ich glaube, ziemlich unter dem Pantoffel Halle; er mußte hierüber 12 von uns manche Stichelei aushalten, wenn seine »Sopherl« etwas nicht erlauben wollte. Im höchsten Grade wohlwollend und heiter, ließ er gern mit sich scherzen. Er war Katholik, suchte es aber möglichst zu verbergen; grüßte z. B. die Heiligenbilder in den Straßen, suchte es aber so einzurichten, daß wir dieses Grüßen als bloßes Lüften des Hutes ansehen sollten. Im ganzen ein kindliches, gütiges Gemüt. Mir war er, wie gesagt, besonders gewogen, und ich habe viel Freundlichkeit von ihm erfahren. So fand ich ab und zu auf meinem Pult einen Zettel, worauf er mich zu einem »Teller Suppe« im Namen seiner Sopherl einlud. Einmal, als eine größere Tour nach Reichenau verabredet war, die ich der hohen Kosten wegen nicht mitmachen wollte, fand ich auf meinem Pult ein Kuvert mit einem Zwanzig guldenschein, der dann natürlich auch mit Freuden benutzt wurde. Auf dieser Sömmeringpartie trat ich meinem Freunde Otto Volckmar näher; wir erneuerten den Frcundschaftsbund der Väter, der schon seit 1827 bestand, indem damals Friedrich Volckmar die Führung des Kommissionsgeschäfts übernahm, das Brockhaus von meinem Vater erworben hatte. Die Prandelsche Firma beschäftigte sich auch viel mit Antiquaria, und cs kamen manche interessante Bücherfreunde regelmäßig, einige täglich, um neu erworbene Schätze zu besich tigen. Der eifrigste unter den Kunden war der Generalfcld- marschall v. H au s l a b , der die Bibliothek des Generalstabs ver waltete. — Es waren anregende, interessante Tage, die ich in Wien, »der Kaiserstadt«, verleben durfte. Sie erhielten beson deren Reiz durch Wiens wundervolle Umgebung, die mit guten, angenehmen Genossen fleißig besucht wurde. Sehr willkommen hierzu waren die vielen Marientage, die häufig zwei freie Tage, sich folgend, ergaben und größere Touren möglich machten. Aus dieser schönen Zeit erwähne ich noch namentlich Freund Fromme (Besitzer von Tendier), Moritz Die st er weg, der uns oft durch sein Violinspiel erfreute, Glück, Gries, mcyer, Helm und auch Rudolphi, den späteren be rühmten Schleuderer in Hamburg, der auch schon damals sich von uns zurückhielt. Der Associo Prandels, Meyer, arbeitete meistens im ersten Stock in der Buchhalterei und den auswärtigen Expeditionen; wir bekamen ihn wenig zu sehen; er war Thüringer und uns schon dadurch sympathisch, wenn er auch nicht, wie sein Kompagnon, sich viel um unfern Gehilsenkrcis bekümmerte. Das halbe Jahr in Wien gehört zu den liebsten Erinnerun gen aus meiner Gehilfenzeit, und noch oft erinnere ich mich des kollegialen Zusammenhalten? der verschiedensten nord- und süddeutschen Charaktere. Dreierlei außergeschäftliche Er eignisse muß ich noch erwähnen, da sie mich außerordentlich inter essierten: nämlich die große Fronleichnams-Prozession, bei der der Kaiser zu Fuß unter einem Baldachin mitging; dann den Besuch Friedrich Wilhelms IV., den dieser seinem kaiserlichen Freunde machte. Es war seine letzte Fahrt, denn er kam krank nach Hause zurück, — der Anfang seines Siechtums. Ich sah die Fahrt der beiden Souveräne vom Bahnhof nach der Burg und wunderte mich über das sonderbare Aussehen des Königs in der knappen hellblauen Husaren-Uniform neben dem österreichischen Kaiser im Wagen. Das dritte Ereignis war der große Zapfenstreich, der zur Feier des vor 100 Jahren gestifteten Maria-Theresien-Ordens geschlagen wurde. Von allen Regimentern in Österreich waren Abgeordnete der Musikkapellen nach Wien berufen, um diesen Zapfenstreich auszuführen. Ich konnte durch Prandels Güte dem Anfang in dem inneren Hofe des Theresianums beiwohnen und dann den großen Zug zur Burg begleiten. Es war eine großartige Feier. Das war auch das Letzte, was ich in Wien erlebte, denn meine Tage waren schon gezählt. Sehr bald darauf erhielt ich Nachrichten aus meiner Vaterstadt über eine gefähr liche Krankheit meines Vaters, die mich zwangen, Wien zu verlassen. Mein Bruder namentlich wünschte meine Rückkehr. Dank der freundlichen Zustimmung Prandels mutzte ich mit schwerem Herzen dem Rufe aus der alten Heimat folgen, und Anfang November verließ ich Wien in der ziemlich sicheren Voraussicht, mein Leben von da an in altgewohnten Gleisen, im väterlichen Geschäft weiterzuführen und alles frühere Sehnen
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