Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.04.1873
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- 1873-04-21
- Erscheinungsdatum
- 21.04.1873
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F? 90, 21. April. Nichtamtlicher Theil. 1455 11, meist Jnscratcnbcilagcn confiscirt, und hiedurch nicht nur die Eigenthümcr der Zeitung, sondern vielleicht noch mehr die Inse renten und Geschäftsleute geschädigt, die ans die Wirksamkeit ihrer Inserate gerade um die Weihnachtszeit gerechnet hatten. Der Redacteur der Zeitung ging zum Polizeipräsidenten, um die Frei- gebung der Beilagen zu erwirken, wurde aber abgcwiesen. Als er unter Hinweis ans die Schädigung des Eigenthümers be merkte: das sei ja eine Strafe vor dem Urthcil, wurde ihm entgegnet: das solle sie auch sein, denn aus einer Geldstrafe von 60 bis 100 Thalern, zu welcher die Zeitung etwa verurtheilt werden könne, mache sich dieselbe ja nichts. Welcher Artikel zur Beschlagnahme Anlaß gegeben, konnte der Redacteur nicht erfahren. Nachdem der Redacteur dreimal sein Gesuch um Herausgabe der Beilagen vergebens erneuert hatte, erlangte er dieselbe schließlich mit der Erklärung: man werde die „Vossische Ztg", wenn sie in ihrer bisherigen Haltung verharre, 14 Tage lang hintereinander mit asten Beilagen confisciren lassen. Später wurde auch das Haupt blatt zurückgegeben, ohne daß eine Anklage erhoben, oder auch nur mitgetheilt wurde, welcher bestimmte Artikel der Zeitung Anlaß zur Beschlagnahme gegeben habe. In frischem Andenken sind noch die Confiscationen wegen Ab drucks der päpstlichen Allocution vom Ende des vorigen Jahrs — Confiscationen, bei denen sich auch aufs grellste zeigte, zu welcher Ungleichheit des Verfahrens die Maßregel der provisorischen Be schlagnahme Anlaß gibt. Während das eine Gericht die Beschlag nahme aufrecht erhielt, hob das andere sie auf. Durch Erkenntniß des Berliner Stadtgerichts wurde der Redacteur der „Germania" sreigesprochen. Die vorläufige Beschlagnahme gehört nicht zu den Repressiv maßregeln (Strafen), sondern wie die Censnr zu den Präventiv maßregel». „Das Axiom, von welchem die Censnr ausgeht — sagt vr. R. John in seinem dem Sechsten Deutschen Juristentag erstat teten Gutachten — heißt: Die Presse ist gefährlich. Alles was eine Consegnenz dieses Axioms ist, ist eine Conscgnenz der Censnr und mit den: Wesen der Preßfreiheit unvereinbar." Zu diesen Conse- guenzen gehören Zeitungssteuern, Cautionen, Postdcbitentziehung, Pflichtexemplar und vorläufige Beschlagnahme. „Der Unterschied zwischen dem Censor und der (confiscirenden) Polizei besteht nur darin, daß der Censor Geschriebenes strich und der Polizeibeamte Gedrucktes streicht. Gibt aber die Polizei den Grund der Beschlag nahme (den veranlassenden Artikel) nicht an, so ist die Censnr noch milder, indem sie verbietet, daß ein einzelner Theil des Blattes nicht gedruckt werde, während der Polizeibeamte bei der Confiscation das Ganze unterdrückt." Sodann ist es eine falsche Analogie, wenn die Beschlagnahme eines Preßerzengnisses mit der Untersuchungshaft auf eine Stufe gestellt wird, denn mit dieser Haft will man sich das Subject des Delicts sichern, bei der Beschlagnahme dagegen handelt es sich um das Object, das sich bereits in der Hand des Richters befindet (näm lich ein Exemplar der fraglichen Zeitung, um deren Strafbarkeit es sich handelt). Zur Verhütung eines Verbrechens kann allerdings eine Beschlagnahme des Mittels zum Verbrechen vorgenommen werden. Bei Preßcrzeugnissen aber wird eine Beschlagnahme ver fügt nicht im Interesse der Untersuchung, sondern zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer Schrift, bezüglich welcher cs noch nicht festgestellt ist, ob sie strafbar sei. Um den Fall, wo in einem Preß- erzeugnisse zur Begehung eines Verbrechens, z. B. einer Brand stiftung, anfgefordcrt wird, handelt es sich hier nicht. In solchem Fall liegen zwei selbständige Delicte vor: ein Preßdelict und daneben noch eine Anstiftung zu einem andern Delict. Hier ist die Beschlag nahme keine vorläufige, sondern eine definitive, nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des Strafprozeßgesetzes. Das Preß- crzcugniß wird hier confiscirt als Werkzeug zur Begehung eines gemeinen Verbrechens, wie man ja auch Briefe, z. B. Brandbriefe, zu diesem Zwecke confiscirt. Die vorläufige Beschlagnahme dagegen bezieht sich aus solche Fälle, wo das Delict durch die Veröffentlichung der Druckschrift bereits vollendet vorliegt, jedoch nur ein einziges, nicht zwei verschiedene Delicte. Ueberdies ist aber auch die vorläufige Beschlagnahme bei Zei tungen eine illusorische Maßregel, sofern damit Verhinderung der Verbreitung bezweckt wird. Immer wird schon eine Anzahl von Exemplaren in den Händen des Publicums sein, wenn die Beschlag nahme eintritt — und durch die Beschlagnahme wird das Publicum häufig erst zur Lectürc der Zeitung nusgestachclt. Die vorläufige Beschlagnahme ist hauptsächlich aus dem Grunde verwerflich, weil sie eine sehr empfindliche Strafe vor dem Urtheil und vor der Untersuchung involvirt — eine Strafe, die lediglich vom Ermessen des Polizeibeamtcn abhängt, der in der Druckschrift etwas Strafbares finden will. Wenn auch bei anderen Delicten Beschlagnahmen Vorkommen, z. B. Werkzeuge, womit das Delict begangen worden, so liegt da meistens eine That vor, deren objective Rcchtswidrigkeit außer Zwei fel steht, und überdies wird dem Eigenthümcr des confiscirten Gegen standes in diesen Fällen durch die fragliche Confiscation gar kein Schaden zngefügt. Wird der Angeschuldigte freigesprochen und ihm die Sache zurückgegeben, so hat diese in der Regel Wohl gar keine Werthverminderung gelitten. Die confiscirte Zeitung dagegen ist gewöhnlich schon in kürzester Zeit nur noch werthlose Macnlatnr, und außer dem Eigenthümer der Zeitung sind in der Regel auch noch andere schuldlose Personen geschädigt, namentlich die Inserenten, Abonnenten und Autoren — und zwar alles dieses häufig nur wegen einiger wenigen Zeilen, von deren Strafbarkeit der Redacteur keine Ahnung haben konnte. Was die Behauptung der Gefährlichkeit des Mißbrauchs der Presse betrifft, so ist der Begriff der Gefährlichkeit ein sehr vager, und eine Regierung, die das Recht der Beschlagnahme streng hand habt, gleicht dem Capitän eines Dampfschiffes, der sich auf das Sicher heitsventil der Dampfmaschine setzt, um durch die Ausströmung des Dampfes nicht an dessen hohe und gefährliche Spaiunmg erinnert zu werden. In gleichem Maß, wie man die Freiheit der Presse schmälert, fördert man^die Conspiration, und es ist evident, daß nicht die Freiheit, sondern die Beschränkung der Presse gefährlich ist. Die Uebelstände, welche mit der Maßregel der vorläufigen Be schlagnahme verbunden sind, fallen um so schwerer ins Gewicht, als auch kein genügendes Mittel zu ihrer Verhütung aufzufinden ist. Ein solches Mittel ist weder die Entschädigung bei ungerechtfertigtem Gebrauch der Beschlagnahme, noch die llcbcrtragung der Bcfugniß an unabhängige Richter. Die Gestattung einer Entschädigungsklage gegen den eine ungerechtfertigte Beschlagnahme anordncnden Beam ten wird deshalb wenig helfen, weil der zu einer Verurtheilung er forderliche Beweis absichtlicher Willkür oder grober Fahrlässigkeit nur selten gelingen kann. Zu keinem besseren Ergcbniß ist man, nach der Mittheilung des Advocaten vr. H. Jaques in Wien, in Oesterreich mit der Bestimmung gelangt, daß, wenn die Erlöschung oder ausdrückliche Aushebung der Beschlagnahme eintritt, dem Be schädigten Ersatz des erweislichen Schadens ans der Staatscasse gebühre, jedoch im Fall der ausdrücklichen Aufhebung nur dann, wenn hierbei die Beschlagnahme als weder durch den Inhalt der Druckschrift noch durch Außerachtlassung der preßpolizeilichen Vor schriften gerechtfertigt erkannt wird. Sowie das vom Staatsanwalt angernsenc Gericht die Beschlagnahme bestätigt hat, fällt jeder Ent schädigungsanspruch weg, wenn auch später im Hanptversahren er- ! kannt wird, daß die Druckschrift keinen strafbaren Inhalt hatte. Im ^ Lause einer Reihe von Jahren sind denn auch bei Hunderten von
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