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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.03.1873
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1873-03-24
- Erscheinungsdatum
- 24.03.1873
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- Deutsch
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68, 24. März. Nichtamtlicher Theil. 1107 thums ein. Die Gründe, welche solche Eingriffe vielleicht früher recht- fertigen mochten, sind weggesallen, kein Mensch sürchtet sich mehr vor den angeblichen destruktiven Tendenzen der Presse. Sie haben in ihr das beste Mittel zur Aufklärung, zu deren Verbreitung wir, wie ich glaube, jetzt volle Veranlassung haben. Die Presse kann ihre Ausgabe jetzt nicht würdig erfüllen, sic ist das geistige Salz des Volkes, das man nicht weiter besteuern sollte, wenn man im Begriffe steht, die Salzsteuer auszuheben. Einzelne kleinere Bundesstaaten und besonders Bayern haben eine gute Prcßgesetzgebung und das Reich darf hinter ihnen nicht Zurückbleiben. Wir können deshalb, glaube ich, unsere Session nicht besser beginnen, als wenn wir vor Erledigung der zahlreichen Vorlagen materiellen Inhalts, nüt denen wir uns zu beschäftigen haben werden, diese den idealen Be dürfnissen des Volkes entsprechende Vorlage annehmen. Abg. Ewald: In den annectirtcn Ländern hat die Presse in den letzten sieben Jahren unendlich schwere Leiden zu erdulden gehabt, zu dem Zwecke, um sie zur Regierung hinüberzuziehen oder zu unterdrücken. Aber auch dieses Gesetz wird wenig helfen; denn die Mittel der Regierung gegen die Presse sind so ungemein groß und weitreichend, daß wohl die Art und Weise ihres Kampfes sich ändern wird, aber nicht der Kampf selbst. Die ge heimen Mittel, die der Regierung gegen die Presse zu Gebote Üchen. sind von der allergefährlichstcn Natur. Ich verweise auf den Reptiliensonds; dazu kommen die Anweisungen der Regierungen an ihre Beamten in den Provinzen, die Oppositionspresse zu unterdrücken und unschädlich zu machen. Es ist ganz unmöglich, alle Parteien zum richtigen Ausdruck gelangen zu lassen, so lange solche Zustände bestehen bleiben, welche den allgemeinen Boden bilden, in welchen dieses specielle Preßgesetz gleichsam gepflanzt werden soll. Dieser Boden ist der gegenwärtige Zustand des preußischen Staates, der ein Militär- und Polizcistaat ist. Wie kann auf einem solchen Boden irgendein specielles Preßgesetz gute Früchte bringen? wie kann da überhaupt irgendeine Freiheit gedeihen und sich entfalten? Das ist, als wen» Feuer und Wasser miteinander leben sollen Wenn Sie daher dieses Gesetz irgend wirksam machen wollen, so müssen Sie einen andern Zustand des preußischen Staates schaffen. Vor 1866 hatten wir in Hannover und andern deutschen Ländern schon längst eine freie Presse, wir schmeckten schon längst die Früchte davon und freuten uns dieser Freiheit. Was aber ist seitdem geschehen? Es ist so klar, daß die Freiheit der Presse, zumal in Norddeutschland, immer nichr unterdrückt ist. Trotz dieser Bedenken aber werde ich gern für dieses Gesetz stimmen. Abg. Windthorst-Meppe»: Wünschenswert!) wäre cs, daß nur gute Lehren durch die Presse ver breitet wurde». Nur ist es schwer zu bestimmen, was gut, was böse ist, und diese Entscheidung wird bei der Verschiedenheit unserer Parteien noch schwieriger. In Preußen mißlang der Versuch, durch Ccnsur und Polizei diese Entscheidung zu treffen. Entscheidend ist für mich die Stellung, welche neuerdings ein Theil der deutschen Regierungen, besonders die preußische, zur Presse eingenommen hat. Hier wird mit Hilfe der mit Beschlag belegten Revenuen des Königs von Hannover und des Kurfürsten von Hessen durch die Begründung officiöser Organe der sreien Presse eine unerträgliche Concurrenz gemacht. Aus diesem Fonds werden Arbeiter bezahlt, Cautionen hergcgebcn, die Stempelsteuer erlegt und eine wirk same Concurrenz der unabhängigen Organe unmöglich gemacht, um so mehr, als den Preßcrzcugnissen der Negierung der ganze Apparat der Polizei und Staatsanwaltschaft zu Gebote steht. Hierzu kommt die wei tere Concurrenz des großen associirten Capitals, welches für seine eigenen Zwecke Blätter gründet. Berliner Blätter der verschiedensten Richtungen, national-liberale, srciconservative und die Kreuzzeitung, haben mehrfach auf diese Ucbelstände hingewiesen, welche nur durch Aufhebung der Cau tionen und des Zeitungsstempcls beseitigt werden können. Erst dann werden die Waffen wieder einigermaßen gleich sein. Die Erfahrungen, welche mau in andern Ländern, ich selbst in meiner amtlichen Stellung in Hannover gemacht habe, beweisen, daß sich mit einer freien Presse sehr wohl leben läßt. Man kann nichts Besseres thun, um den Vertretern der Presse ihr schweres Amt, ihre materielle und sociale Stellung zu erleichtern und ihnen die Stellung zu geben, welche ihrem Bildungsgrade gebührt. Ich thcile den Standpunkt der Antragsteller in Bezug auf die Pro- hibitivmaßregcln und die Caution. Die Frage der Geschworenengerichte dagegen ist für mich eine offene. Bekanntlich sollen sie beseitigt werden. (Rus: Nein!) Ich bin auch ein Gegner ihrer Aushebung, glaube aber, daß die Majorität unserer Strasprozeßcommission anderer Meinung ist. Es bleibt aber sehr sraglich, ob die Presse sich unter Geschworenen oder gelehrten Richtern besser steht. Es ist in Erwägung zu ziehen, daß die Geschwore nen sich größtcntheils aus der xotito durAsoims rckrutiren, welche ihre bcsondern politischen und religiösen Anschauungen hat und diese auch beim besten Willen unwillkürlich ihrer Entscheidung zu Grunde legen wird. Noch weitere Erörterungen verlangt die Frage der Verantwortlichkeit, und ich beantrage daher, den Entwurf an eine Commission von 21 Mitgliedern zu verweisen, um in ihren Sitzungen die Regierung recht gründlich zum Sprechen zu bringen. Abg. v. Helldorsf: Der Vorschlag ist für mich und einen großen Theil meiner politischen Freunde nicht ganz annehmbar, enthält aber einiges Discutable, z. B. den Wegfall der Cantionspsticht. Die C mtionsstellung erweist sich nicht als wirksam gcnng, um eine schlechte Preise zu verhindern, hemmt da gegen häufig das Aufkommen einer guten Presse. Auch für die Aushe bung der Stempelsteuer können wir uns im Prinzip aussprechen; denn diese Steuer ist eine ungerechte Beschwerung des Gewerbebetriebes. Da gegen muß dem Staate die Befugnis) belassen werden, den Preßvergehen unter Umständen vorbeugend cntgegenzutreten und Maßregeln zu treffen, die eine wirksame Verfolgung möglich machen; die vorläufige Beschlag nahme der Zeitungen und Zeitschriften können wir nicht fallen lassen; denn durch die cigeuthümliche Oeffentlichkeit der Presse und die Autorität des gedruckten Wortes erhält das Preßvergehen eine Qualifikation, die auch durch das Strafgesetzbuch anerkannt ist. Die Vergehen gehen nicht gegen das Leben und die Gesundheit Einzelner, sondern können dem Staate und der Gesellschaft gefährlich werden. In Betreff der Verantwortlichkeit werden wir wohl die Bestimmung des preußischen Preßgesetzes ausrecht erhalten müssen: „Für eine Druck schrift ist derjenige verantwortlich, der nach den allgemeinen strafrechtlichen Prinzipien als Urheber gilt.' Dieser Bestimmung gegenüber können wir den tz. 5. des vorliegenden Gesetzes nicht annehmen. Wenn in erster Linie der Verfasser, dann der Herausgeber, dann der Verleger, endlich der Ver breiter verantwortlich sein soll, so ist cs leicht möglich, daß ein Strohmann vorgeschoben wird, dessen wir nicht habhast werden können. Ich will der Presse alle Freiheit geben, die mit dem Staatswohle verträglich ist, aber halte daneben eine strenge Verantwortlichkeit für ein nothwendiges Correlat. Im Ganzen muß ich mich gegen den Gesetzentwurf ablehnend verhalten. Er erfordert eine besondere Vorsicht, weil eine große Menge von dem gemeinen Rechte abweichender Bestimmungen in demselben enthalten sind; besonders bedenklich scheint cs mir, daß wir uns jetzt schon darüber entscheiden sollen, ob wir die Preßvergehen dem Schwurgerichte überweisen wollen. Von einer Commissionsberathung er warte ich nicht viel Vortheil. Abg. vr. Biedermann? Für diesen Entwurf hat sich auch ein Mitglied des Ccntrums aus gesprochen, was eigentlich mit der Praxis der römischen Curie in Wider spruch steht, die ja noch alle Jahre den Index der verbotenen Bücher herausgibt. Es liegt aber im Interesse aller Parteien, daß ein Neichs- preßgesetz gegeben werde. Wenn sich noch Niemand vom Bundesrathe ausgesprochen hat, so nehme ich das als ein Zeichen, daß er sich nicht prinzipiell ablehnend dazu stelle. Die in die Reichsverfassung ausgenom men«: Einheit der Preßgesctzgcbung kann nun entweder die Freiheit der Presse in einzelnen Ländern rückgängig machen oder die bestehenden Be schränkungen aufheben. Wir haben uns streng auf den Standpunkt des Reprcssivverfahrens gestellt, welches schon in einem Bundestagsbcrichtc von 1818 als das allein richtige hingestellt ist. Die Ausschreitungen der Presse machen Präventiomaßregeln keineswegs nothwendig; je größer die Freiheit ist, desto weniger Macht haben die Ausschreitungen; Vorkommen werden sie freilich immer. Ich halte ebenfalls eine Commissionsberathung sür nothwendig. Abg. v. Kardorsf: Der Entwurf enthält Gedanken, die ich und meine Freunde immer vertreten haben. Ein allgemeines deutsches Preßgesetz muß die vcxatori- schen Beschränkungen und polizeilichen Nörgeleien ausheben, die bis jetzt noch bestehen. Im Großen und Ganzen bin ich mit dem Gesetze einver standen; nur will es mir bedenklich scheinen, schon jetzt vor Zustande kommen der Reichs-Strasprozeßordnung uns zu entscheiden, ob wir die ^ Preßvergehen an Schwur- oder Schöffengerichte überweisen wollen. Die vorläufige Beschlagnahme will ich nicht ganz abschasfcn, aber einer stren ger» richterlichen Controlc unterwerfen. Es erfüllt mich mit Befriedigung, daß von allen Seiten dem Gesetze Wohlwollen entgegengelragen wird und sogar der Abg. Windthorst-Meppe» sich so freundlich demselben gegenüber stellt, während dies doch, wie schon Abg. Or. Biedermann bemerkte, im Widerspruch mit der Praxis der Curie steht. Abg. Windthorst meinte, ein Preßgesetz sei nothwendig, weil die officiös» Regierungspresse und die vom Capital unterstützte Presse nicht ganz unabhängig sei. Es gibt aber auch eine dritte abhängige Presse, die ultramontane Presse, die mit gewal tigen Geldmitteln ins Lebe» gerufen und unterstützt wird. Im klebrigen bin ich auch für eine Commissionsberathung. Abg. Windthorst weist den Vorwurf der Jnconsequenz zurück; weitere Ausführungen werde er bei der zweiten Berathung machen. Das Gesetz wird an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. 149*
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