Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.06.1920
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- 1920-06-24
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- 24.06.1920
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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X- 137, 24. Juni 1920. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. allgemeine Ungewißheit und das langwierige Organisieren die literarische Produktion vollständig lahmgelegt. Ein Teil der Schriftsteller bot dem Landesrat für geistige Produkte alte Werke zum Verkaufe an, nm sich auf diese Weise größere Vorschüsse an Sowjetgeld zu sichern, bis die Frage der schriftstellerischen Be zahlung irgendeine Lösung finden würde. Unter solchen Umständen und infolge der stets wachsenden Unterbindung des wirtschaftlichen Lebens trieb auch der Buch handel der Zwangswirtschaft zu. Die verschiedenen Sowjet organe, die Propagandastellen für Heerwesen, Hygiene usw. schleuderten stets größere Massen von Druckschriften ins Land hinaus. So sah sich der Landesrat genötigt, im Einvernehmen mit dem Papieramt abermals mit einer Verordnung herauszu rücken, mit der jedem, selbst den Amtsstellen des Sowjets und der Volkskommissariate die Veröffentlichung jeder Art von Büchern und Broschüren, von Drucksorten für Zwecke administrativer Ge schäftsführung ohne Erlaubnis des Landesrats, beziehungsweise des Papieranus untersagt wurde. Einige Tage nach der Ver öffentlichung dieser letzten Verordnung brach die ungarische Räte republik zusammen, die Runränen hielten ihren Einzug, die neu gebildete Regierung — und mit ihr die alten Ministerien — übernahmen die bürgerliche Verwaltung. Damit setzte die Liqui dierung der Wirtschaftsorganisationen des Sowjet ein. Im Laufe dieser Arbeiten stellte sich heraus, daß der ungarische Buch handel und die Verleger eben infolge der starken Unterbindung der Verwaltung, und weil die beteiligten Organe alles daran gesetzt hatten, die Bestände zu retten, keinen wesentlichen Scha den genommen hatten, im Gegenteil sogar vielfach gestärkt aus dem Chaos hervorgegaugen waren. Nur «in Bruchteil der Drucke reien hatte infolge der wesentlichen Lohnerhöhungen erhebliche Schäden zu verzeichnen. Di« ersten Monate der Räterepublik waren durch Organisationsversuche verzettelt worden, die Waren abgabe unter dem Vorwände der Inventarisierung auf das ge ringste zurückgeschraubi, die wichtigeren, wertvolleren Bücher für die Hochschulen und Bibliotheken beschlagnahmt worden, die ehe maligen Inhaber koimten sich an Ort und Stelle zur Wehr setzen — so waren zu bedeutend erhöhten Preisen, als Gegenwert des reichlich einfließcnden Sowjetgeldes, nur Teile der lagernden Bestände, nur alte Ladenhüter ins Weite geflattert. Durch die Einziehung des Sowjetgeldes waren nur di« wirklich im Umlauf sich befindlichen Banknoten betroffen wor den, und da das Sortiment sämtliche Einnahmen an die Bank abzuliefern hatte, ging das angesommelte Kapital dann aus den Inhaber über. Die Organisierung der Bibliotheken blieb in den ersten Ansätzen stecken, und sieht man von jenen Büchern ab, die aus politischen und religiösen Gründen der Vernichtung anheimfallen sollten, aber tatsächlich nur in ihrem geringsten Teil vernichtet werden konnten, so gelangten auch die für Biblio theken bestimmten Bücherbestände unversehrt in den Besitz der alten Inhaber, der Verleger und Sortimenter zurück. Das gleiche gilt von beschlagnahmten und sozialisierten großen Privatbiblio- iheken. Die durch den Krieg hervorgerufene, durch zwei Revo lutionen gespeiste, durch den unmenschlichen Frieden gesteigerte seelische Spannung des ungarischen Volkes löste sich in einer starken nattonalen Bewegung aus, die auch auf die von feind lichen Truppen besetzten Gebiete hinübergriff und zurzeit als Folge des unerträglichen Druckes stets höhere Wellen schlägt. Die Neubelebung des nationalen Geistes drückt natürlich auch auf die Presse, auf di« Neuerscheinungen des Büchermarktes, aus das Theater ihren unverkennbaren Stempel auf. Diese weit um sich greifende Bewegung und das Gefühl des Auf-sich-selbst- angewiesen-seins führt trotz der sehr schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage einer Kräftigung und bewußten Vertiefung des kulturellen Lebens entgegen. Der ungarische Verleger und Sortimenter harren — materiell gestärkt durch die während des Krieges gesteigerte Leselust und durch die oben skizzierten Ver hältnisse — des Augenblicks, wo sie mit der Anspannung aller Kräfte die Arbeit beginnen können. Allerdings: Papiermangel und sonstige technische Schwierigkeiten hemmen die Ausgabe neuer Bücher in der gleichen Weise wie in Deutschland, es de- steht aber die Hoffnung, daß nach Friedensschluß auch hierin eine Wendung zum Besseren «intreten dürfte. Die ungarisch« Bevölkerung der abgetrennten Gebiete klam mert sich mit gesteigerter Anhänglichkeit an di« angeborene Kul tur, die aus einer höheren Stufe der Entwicklung steht, als jene der Nachbarvölker, und die Buchhändler dieser Gebiete schmug geln selbst unter Lebensgefahr Bücher über die Demarkations linien, nur um den Lesehunger ihres Publikums stillen zu können. Die Befriedigung dieser nunmehr gesteigerten Bedürfnisse wird eine vornehmliche Aufgabe des ungarischen Verlegers bilden, und in der Bilanz des verstümmelten Ungarn wird das un garische Buch als wichtiger Ausfuhrartikel bedeutsam in die Wag schale fallen; ist doch die ungarische Kultur an Zentralisation jenen der Nachbarvölker weit überlegen, verfügt sie doch in der Hauptstadt des Landes über mächtige und leistungsfähige Bü- cherbetrtebe. Zahlreich und vielfach verschlungen sind di« Fäden, die über wirtschaftliche und politisch« Beziehungen der Jahrhunderte hinaus von der deutschen Kultur zur Kultur des Ungartums hinüberleiten. Vielfache und reiche wissenschaftliche und künst lerische Wechselwirkungen haben zwischen den beiden Ländern lebendige Brücken geschlagen. Die Gesamtheit unseres päda gogischen und kulturpolitischen Lebens wurde aus der Quelle deutscher Vorbilder gespeist, und Ungarns geistiges Leben glie derte sich durch die Vermittlung deutschen Geisteslebens an Europa an. Budapest, Siebenbürgen und die Provinz brauchten stets große Mengen deutscher Bücher und Zeitschriften, und so ward Ungarn — obwohl weder durch Stammverwandtschast, noch durch Sprache an Deutschland gebunden — zu einem um so be deutsameren Bollwerk der gemeinsamen mitteleuropäischen Kul tur, als die neuen Nachbarstaaten von jeher mit den Entente staaten liebäugelten und als Vorposten slawischer und roma nischer Kultur gelten konnten. Die Revolutionen haben uns ein Jahr lang von der Außen. Welt isoliert, und während dieser Zeit wurden unsere Bestände an deutschen Büchern vollständig erschöpft. Sogleich nach der Wiederaufnahme des Verkehrs mit dem Ausland wandte jeder ungarische Buchhändler dem Ersatz dieser erschöpften Bestände seine größte Sorgfalt zu, und da die Lösung des Valutaproblems und der Einfuhrschwierigkeiten von dem einzelnen nicht leicht zn bewältigen wäre, wurde zur Abwicklung der deutschen Bücher einfuhr bereits ein zentrales Organ geschaffen.') Als bedeutsames Moment sei an dieser Stelle ferner die Bildung eines neuen Verbandes hervorgehoben, dem sämtliche ungarischen Buch- und Musikverlage und -Handlungen der Haupt stadt und der Provinz angehören »nd der sich die Wahrung und strengste Überwachung aller Interessen zum Ziel gesteckt hat. Anläßlich meiner Reise in Deutschland mußte ich zu meinem größten Bedauern bemerken, daß die Mehrzahl der deutschen Verleger — mit einigen wenigen rühmlichen Ausnahmen — in ihrer Jagd nach der besseren Valuta des Westens dieses für das Deutschtum so wichtige Absatzgebiet vollständig vernachlässigt. Dies ist um so bedauerlicher, da zu gleicher Zeit, während der französischen Besetzung der Stadt Szeged, die zuständigen fran zösischen Kreise dem ungarischen Buchhandel bei der Beschaffung französischer Bücher mit bemerkenswerter Zuvorkommenheit an die Hand gingen. Mt Rücksicht auf die Donaupläne der Eng länder widmet sich in Ungarn groß und klein der Erlernung westlicher Sprachen, und die Franzosen machen energische An strengungen, um die für sie günstigen Umstände zu nutzen und der französischen Kultur neue Gebiete zu gewinne». ') Die Literarische Anstalt der Gebr. Növai A.-G., die im Rahmen ihres Kommissionsqeschäftes die Buchhandlungen der gan zen ungarischen Provinz mit Bücher» versieht — und deren älterer Chef und Direktor Maurus Reval soeben in einem imposanten Werk von zwei Bänden ^Schriftsteller, Bücher, Verleger») SO Jahre litera rischer Entwicklung »nd Vcrlegertätigkeit zu einem prächtigen Bilde deS ungarischen Geisteslebens vereinigt —, hat unter Len denkbar günstigsten Aussichten das deutsch« Barsortiment für Ungarn ins Leben gerufen. 673
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