Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.06.1852

757 1852.1 Grund vorhanden sei, weechald der Verleger diesem Buchhändler künf tig seine Veclagsartikel, >die der letztere doch auf sein eigenes Resico kaufe und im Laden halte , verweigern solle." Die darauf eingelaufencn Antworten liegen nun in dem von Hrn- Parker hccausgcgebenen „Hie opinionü ol vortsin äutliors on tke lioolesellinx y»>-8ti»u" betitelten, zwar nicht für die Oeffentlich- keit bestimmten, uns aber durch die gütige Vermittelung eines lite rarischen Freundes zur Einsicht zugekommenen Pamphlet vor; 88 Antworten mit „nein", darunter CH. Dickens mit einem auffallend lakonischen, durch ein angehängtes „most eerluinl^ no" noch ver schärften. Ich must Ihnen bemerken, daß wohl keiner dieser Schrift steller, als er seine Antwort abfaßte, eine Ahnung davon hatte, daß diese Antwort im Drucke erscheinen werde. Dickens' Lakonismus mag wohl in einer Rücksicht auf seinen schutzzöllnerischcn Verleger begründet sein- T. Carlyle hangt seinem „Nein" die Bemerkung an: ,^r könne keinen Ausweg, der irgend eine Aussicht auf Dauer biete, aus diesem Streite absehen, als absoluten Freihandel in allen Branchen des Bücherverkaufs und Verlags." Edgar und Bowring nennen den gegenwärtigen Preis englischer Bücher einen „excefsiven", und meinen: jede Reduction, welche die Anzahl der Käu fer vermehre, sei im Interesse der Autoren. Denselben Punkt hebt Henry Recre in seiner Antwort hervor, der das seither befolgte System als injurious" für das Interesse der Schriftsteller be zeichnet. O- Wcnckstern sagt: „ein Buch ist eine Art von Waarc, zu deren Verfertigung der Autor und der Publishcr sich vereinigen. Sie sind die Manufacturisten; die Retailers sind die Shopkcepers. Warum sollte es mit Büchern anders gehalten werden, als mit an dern Manufacturartikeln?" Nebenbei enthalt die Antwort noch einen scharfen Hieb auf die ,,6>IcI ol art8 snci littersluro", und die besonders von Bulwer gepflegte Idee eines Pensionsfonds für altcrsmüdc, kranke oder überhaupt be dürftige Autoren (die uns indessen doch recht nützlich zu sein scheint). Wir bemerken außerdem noch Namen, wie die drei Taylor (I., T. und H. Taylor), A. Bernays, Kingsley u. A., die ich Ihnen nicht alle citircn kann. Nur Mackenzie Wallcott antwortet mit „Ja". Thackcray, der wcltklug - skeptische Autor, schweigt ganz. Am gründ lichsten und gediegensten beleuchtet jedenfalls Hr. Sidney Godolphin Osborne (der bekannte S- G. O- von „Times") die Frage, ganz von fceihandlerischcm Gesichtspunkte. Die Einstimmigkeit aller dieser Antworten legt unstreitig ein ehrendes Zeugniß von der Uneigcnnützigkeit englischer Literaten bei Verfechtung von Principien ab- Denn mancher von diesen 88 hat gewiß gegen sein Interesse geschrieben- Die Grundsummc dieser Ansicht ist auch in dem schönen, zu Ungunsten der „Booksellers-Association" (die nun wohl ihr Lebens ende erreicht haben wird) ausgefallenen Entscheid des schiedsrichter lichen Comite's, der von Lord Campbell den streitenden Parteien jüngst verkündet wurde, enthalten. Das Snstem der englischen Buchhändler wird also für die Zu kunft ein ganz verändertes und der Absatz englischer Bücher ein vor aussichtlich weit größerer sein als bisher. Ob sich aber die günstigen Folgen dieses literarischen Freihandels nicht bald vermittelst einer fie berhaften, von Bankerotten begleiteten Concurrcnz, durch sich selbst wieder paralysiren werden, ist eine andere Frage. A. I. Skizzen nach der Natur! IXv I. Es kommen in unscrm lieben Buchhandel Begegnisse so son derbarer Art und Natur vor, daß cs vielleicht für den einen oder an dern lüngern Collegen nicht ohne spätere praktische Nutzanwendung sein wird, über diesen oder jenen Fall ein öffentliches Wort zu hören. Neunzehnter Jahrgang. Ich schreibe dieses oino wo et sluelio; in den meisten Fallen, die aufS Tapet kommen, bin ich vermuthlich nicht einmal bctheiligt, denn mir gehl es wie den gebrannten Kindern, ich scheue das Feuer und habe zu Experimenten weder Zeit noch Lust. Ich erlaube mir heute ein Wort über die Akkord icten in unscrm Geschäfte zu sprechen Was sind das für welche? Das sind Herrschaften, die nur noch auf einem Beine stehen, die das Gleich gewicht verloren, auf der beinlosen Seite mit tausenden von Passi ven belastet und auf der noch bebeintcn mit winzigen Aktiven; soll cs keinen Purzelbaum geben, so müssen die Passiva abgcladen wer den können. Man offerirr in Liebe und Freundschaft, wenn's viel ist lO^b, wird wieder ein Herr wie zuvor, und hat so die Passiva ab- gcschültclt wie ein Hund die Flöhe. Gott bewahre mich davor mit dem unverschuldeten Miß geschick Spott treiben zu wollen, wer da fest stehet, der sehe zu, daß er nicht falle, wir haben alle keinen Freibrief gegen Unglücksfallc und dem unverschuldet Unglücklichen, bei rechtlichem Sinn und fleißigem Streben, reiche ich auch sicher sehr gern die Hand, ihn aufzurichten. — Wenn in irgend einem Geschäfte unter Umständen Scho nung Pflicht ist, so ist dieses in unserm, dem in den letzten Jahren so schwere Wunden geschlagen worden sind. Es giebt aber eine Sorte von Menschheit, meine Herren Collegen, die eine unüber windliche Arbeitsscheu hat und die keinen Durst verloren gehen läßt, von diesen und über diese sei mir ein Wort erlaubt. Der Sortimenter, der sich verständig ctablirt hat, sich der Ver lags-Produktionen enthalt und fleißig und arbeitsam seinem Ge schäfte Vorsicht, kann, wenn ihn nicht sehr großes Familienunglück getroffen, nicht zu Grunde gehen, seine Passiva können nie zu den Aclivcn wie 90 zu 100 stehen; offerirl ein solcher Herr College nur 10H, und stellt zu der Offerte nur ganz allgemeine Satze der Ent schuldigung hin, so ist etwas faul im Staate Dänemark, das uns nicht berichtet wird und ohne das wir keinen neuen Credit eröffnen sollten- — Hat Jemanden das Unglück der Insolvenz betroffen, so gieße er uns klaren Wein ein und sage frei und frank, ob seine Lage durch Mißgriffe oder Mißgeschicke hcrbeigeführt, zu welch letzteren eben ein unüberwindlicher Durst nicht gehört. Welches solide Ge schäft außer unscrm Buchhandel würde ohne die sicherste Ucbcrzeu- gung des moralischen Werthes des Akkordirten, 10^, annehmen und morgen wieder Rechnung eröffnen ? Man würde sich wahrscheinlich in andern soliden Geschäften vergebens nach solchen Ungrundsätzen umsehen. Unser Buchhandel darf keine Armenanstalt werden, mit wenigen Ausnahmen die Wohlthaten apart und die Geschäfte spart. Leider taxirt der Buchhändler seine Waace oft und viel nicht wie es sein sollte, die Verleger schleudern halb und ganz Invaliden, oft ganze Ballen ins Haus, wie wäre es sonst möglich, daß solche, die 5 bis 6 Messen nicht saldirten, sich immer noch durch den Cre dit halten! Ich kannte einen edlen Herrn in dem Westen, der sich 1832 in Leipzig auf der Börse sehen ließ, als er indessen den Sturm der Manichäer Heranrücken sah, war er bei Sonnenaufgang aus dem Staube, irre ich mich nicht, so ist dieser Mobile erst dieses Jahr aus Schulz's Verzeichniß verschwunden, und ich wette tausend an eines, daß er von den seit 22 Jahren bezogenen Waarcn keine 10Lo be zahlte, — also so lange gelang es ihm noch hauptsächlich die jungen Verleger anzuschmiercn auf Unkosten dieser und auf Kosten solider Geschäftsfreunde seines Platzes. Wir müssen strenger in unserm Creditsystem sein, kommen da bei einzelne Mißgriffe aus Mangel an Personalkenntniß vor, so ist das Uebel für den Gesammtbuchhandel bei weitem nicht so groß, als die heillose Taktlosigkeit, jeder Firma ein Conto zu eröffnen und dem Akkordirten wieder ganze Ladungen zuzusenden. — Der Sortimen ter, der psrlerre liegt, kann sich leider in den wenigsten Fällen wieder erholen, die Eröffnung des Credites von Seiten desVerlcgcrs macht nur 110