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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.12.1883
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1883-12-24
- Erscheinungsdatum
- 24.12.1883
- Sprache
- Deutsch
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5916 Nichtamtlicher Theil. 297, 24. December. zwischen Menschen abzugebcn, die wir lieben und achten gelernt, ist gegen ihre Heranziehung nicht das Geringste einzuwenden. Mit der Forderung sittlicher Reinheit ist diejenige nach Wahrheit des Geschilderten gleichrangirend, wobei nicht nöthig ist, daß die Personen, welche uns in einer Jugendschrift vorge führt werden, wirklich existirten, oder die beschriebenen Begeben heiten (sofern sie nicht der Geschichte angehören) sich so und nicht anders zugetragen haben, als angegeben wird. Sie sollen der Wahrheit entsprechen, das heißt: der Charakter der vorge führten Personen und die Einzelheiten der beschriebenen Be gebenheiten sollen dergestalt dem Leben nachgebildet sein, daß sie nicht nur die Möglichkeit der Wahrheit, sondern auch die Wahr scheinlichkeit für sich haben. — Was über Länder und Völker, sowie Pflanzen und Thiere und überhaupt über die Natur ge sagt wird, hat voll und ganz der Wahrheit zu entsprechen. So einfach diese Forderung ist, so sehr muß sie betont werden. Es hat Schriftsteller gegeben und gibt es noch heute, die wahrhaft blind in den Tag hineinschreiben und so Erzeugnisse auf den Bücher markt bringen, deren jeder anständige Autor sich schämen sollte. — Uebertreibungen sind streng zu vermeiden, besonders auch in der Charakteristik der Personen, da nichts für das jugendliche Gemüth schädlicher sein kann, als fortwährend sich zwischen Ex tremen zu bewegen und den Menschen bald zum Engel er hoben, bald zum Teufel erniedrigt zu sehen. Den ersteren be wundert es, ohne zum Nachstreben angeregt zu werden, und den zweiten bedauert oder verabscheut es, ohne an die Möglichkeit eines gleichen Falles zu denken. — Auch diejenigen Dichtungen, welche lediglich Producte der Phantasie sind (Sagen, Märchen, Fabeln), müssen denjenigen Stempel der Wahrheit und Natür lichkeit tragen, den auch das Kind sofort herausfindet. Regel und gesetzlos hingeworfene, nur durch Farbenpracht fesselnde Bilder sind mit Entschiedenheit zu verwerfen. Die Jugendschrift muß ferner bildende Elemente enthalten. Sie kann den dreifachen Zweck haben: zu unterhalten, zu ver edeln, oder das Wissen des Lesers zu bereichern. Schriften, welche nur unterhalten wollen, sind ausgeschlossen. Mit der Unterhaltung ist mindestens die Veredelung des Lesers zu ver binden, nicht minder aber auch mit der Belehrung eine ent sprechende Unterhaltung. — Soll durch Schriften ein veredeln der Einfluß auf das Gemüth des Lesers ausgeübt werden, so hat denselben eine höhere Idee zu Grunde zu liegen. Es müssen durch die Erzählungen Wahrheiten veranschaulicht werden, von deren Erkenntniß ein heilsamer Einfluß auf den Leser zu er warten ist. Die Erkenntniß einer Wahrheit darf jedoch nicht aus willkürlich oder zufällig herbeigeführten Glücks- und Un glücksfällen hergeleitet werden. Geschichten, in denen Menschen unverschuldet in allerlei Noth und Unglück gerathen und dann auch ohne eigenes Thun und Streben, durch zufällige Erbschaften, zufälliges Wohlwollen hochstehender Mitmenschen, durch Auffinden verborgener Schätze, Lotteriespiel, Amerikareisen u. s. w. aus aller Angst und Verlegenheit herauskommen, sind für den Leser eher gefährlich als nützlich. — Werke belehrenden Inhalts (Biographie, Völkerkunde, Naturkunde, Kunst, Technik u. s. w.) sollen auf der Höhe der Wissenschaft stehen und stofflich nur das allgemein Wisscnswürdigc und Bildende behandeln. Wesentlich ist die Forderung, daß der Inhalt spannend sei. Wir meinen damit selbstverständlich nicht jene „Spannung", wie sie in Seusations- und Colportageromanen gefunden zu werden Pflegt. Die rein didaktische Jugcndschrift fessele durch Bestimmt heit, Schürfe und Prägnanz in Ausdruck und Stil, sie vermeide unnöthige Deduction, folge einem bestimmten Plane und gehe in der Ausführung desselben nie über die gesteckten Grenzen hinaus. Sie schildere lebendig und mit Wärme, wo es angeht, selbst mit Humor, trage aber auch ein unverkennbares Gepräge strenger Authenticität und wahre ihrem Urtheil Ruhe und Be sonnenheit. Die erzählende didaktische Jugendschrift sei so ge halten, daß weder das Erzählende noch das Belehrende beson ders in den Vordergrund tritt; doch trage das Ganze einen mehr unterhaltenden Charakter. Die Handlung der Erzählung sei bewegt; das Belehrende stehe mit der Erzählung in engster Verbindung und sei in der Fassung knapp und anschaulich. Die erzählend veredelnde -Jugendschrift darf den Leser nicht un natürlich aufregen, soll jedoch seine Gedanken voll und ganz sammeln und sein Gemüth aus dem Grunde bewegen. Endlich muß der Inhalt der Alters- und Entwickelungsstufe des Kindes angemessen sein. Man glaube nicht, die Jugend schrift habe sich in Stoffwahl und Sprache lediglich oder auch nur vorzugsweise in der engen Sphäre des Kindes zu bewegen, durch Geschichten von Kindern das Kind zu unterhalten, und es zu belehren durch Beispiele von Kindern. Schon Herbart sagt: „Der Knabe fühlt sich ungern klein, er möchte ein Mann sein; der ganze Blick des wohlangelegten Knaben ist über sich gerichtet, und wenn er acht Jahre hat, geht sein Gesichtskreis über alle Kinderhistorien hinweg." Und Rücke rt mahnt mit Recht: „Mit Kindern brauchst du nicht dich kindisch zu geberden; Wie sollten sie, wenn dn ein Kind bist, Männer werden? Als wie der Mann das Kind, liebt auch das Kind den Mann; Nur der erzieht's, wer es zu sich heraus zieh'n kann." Die Welt der Jugendschrift sei dem Gesichtskreis und dem Verständniß des kindlichen Lesers zwar erreichbar, greife und weise aber gleichzeitig darüber hinaus. Jede Jugendschrift fasse daher einen bestimmten Leserkreis ins Auge und suche diesen zu sich emporzuziehen. Alles aber, was für den in Betracht gezogenen Leser zu hoch oder auch zu niedrig ist, sei weggelas sen. Juristische Spitzfindigkeiten, Wortklaubereien und Kunst schlüsse gehören in keine Jugendschrift, kirchliche Streitigkeiten wie sociale und politische Mißstände eben so wenig. — Didak tische Jugendschriften rein religiösen Inhalts und solche, in denen die tiefsinnigen Heilswahrheiten der christlichen Religion zu mehr oder minder logischer resp. theologischer Erörterung kommen, übersteigen die Fassungskraft der Jugend entschieden und sind daher durchaus zu verbannen. Und auch diejenigen Schriften, in denen die Erkenntniß gewisser Wahrheiten den Kindern „in kindlicher Weise" oder „ihrer Anschauung und Denkart angemessen", also gewissermaßen spielend beigebracht werden soll, sind nicht zu dulden. Die Form ist für den Werth einer Jugendschrift nicht minder entscheidend, als der Inhalt. Zwar hat die Jugend schrift zunächst die Kenntnisse und das Wissen des Lesers zu bereichern, seinen Verstand zu schärfen und sein Gemüth zu veredeln; sie soll aber auch das Sprachgefühl desselben bilden, seinen Geschmack verfeinern und seine Phantasie beleben und leiten. Das Große und Wahre macht keinen oder einen nur geringen Eindruck, wenn es nicht auch in einer dem Stoffe entsprechenden Hülle geboten wird; und auf das Gefühl des Lesers insbesondere wirkt eher die Form, als der Stoff. Man beachte: Die Jugendschrift sei correct im Ausdruck, damit nicht nach Bräsig'scher Art etwas ganz anderes gesagt wird, als was gesagt werden soll. Veraltete Ausdrücke sind zu vermeiden. Sie geben zu Mißverständnissen Anlaß oder verleihen dem Ganzen das Gepräge der Schwerfälligkeit und Affectation. Von Provinzialismen werde ein sparsamer Gebrauch gemacht. Sie beichränken die Verbreitung der Bücher auf zu kleine Kreise. Wortverrenkungen ind en chieden zu mißbilligen.
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