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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1862
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1862-06-16
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1862
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- Deutsch
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rcn Eigcnthums auf geistige Erzeugnisse nicht zukrcffen und daß die Gesetzgebung in Schwierigkeiten gcräth, wenn sic hier ein sol ches annimmt. Mit einiger Genugthuung haben wir deshalb wahrgcnommcn, daß Hr. Charpcntier, ein Mann vom Fache und großer Sachkcnntniß, im Ganzen denselben Gedankengang einschlägt, den wir damals für richtig gehalten. Er sagt darüber im ersten Kapitel, das die Ucberschrift führt: „Das literarische Eigenthum ist kein Eigcnthum": „Man behauptet, daß das Recht eines Schriftstellers auf sein Werk dasselbe ist, welches sich an den Besitz eines materiellen Dinges knüpft, und daß alle beide demnach dieselben Vortheile mit sich führen müssen. Ein geistreicher Mann, der gern mit Pa radoxen spielt, hat diese Ansicht formulirt, indem er mit anschei nendem Ticfsinn gesagt hat: „D as literarische Eigcnthum ist ein Eigcnthum." Und das Wort hat Glück gemacht, wie viele andere Worte, die durch eine geistreiche Wendung und ei nen falschen Schein der Wahrheit imponircn. „Nein, das Recht der Autoren auf ihre Werke kann nicht mit dem gleichgestellt werden, welches der Kunsttischler auf den Schreibtisch besaß, an dem wir in diesem Augenblicke schreiben, und das er uns abgetreten hat. Das crstere dieser beiden Rechte unterscheidet sich von dem zweiten ebenso sehr durch seinen Ur sprung, als durch seine Wesenheit und seine Wirkungen. Beide gehen von ganz entgegengesetzten Gefühlen und Inspirationen aus. Das literarische Werk wendet sich an Alle und kann von Al len besessen werden; das materielle Werk ist für einen Einzigen geschaffen und kann nur von einem Einzigen besessen werden; das crstere ist ein objectivcs Werk, das letztere ein subjectives, d. h. das eine hat zum Gegenstände die äußere Welt, an die cs sich richtet, das andere ist nur geschaffen, um einem Wunsche oder einem rein persönlichen Interesse seines Urhebers genug zu thun. „Der wahre Schriftsteller, der von den Göttern geliebte Verfasser, wie die Griechen sagten, die sich auf alle begreifliche Dinge ein wenig besser als wir verstanden, wird von einem ge heimen Triebe beseelt, die Wahrheiten und Schönheiten, deren Ideal in ihm liegt, nach außen zu verbreiten; und was ihn sicher bei dieser Entfaltung seines Geistes am wenigsten berührt, ist der materielle Profit, der ihm davon abfallcn kann; ja, wenn eine gewinnsüchtigte Absicht sich seiner Begeisterung beimischte, würde sie dieselbe zerstören. „Die geistige Stimmung, welche schöne Werke hervorbringt, ist von derselben Natur, wie die, welche schöne Handlungen be wirkt. Es ist ein Act des Glaubens, der Hingebung, das Ge schenk, welches ein hoher Sinn der Menschheit macht, und wofür die Belohnung in der Seele des Urhebers selbst und der öffentli chen Dankbarkeit und dem Glorienscheine liegt, der ihn während seines Lebens umgibt und ihm auch nach dem Tode bleibt. Die Münze, die man Ruhm nennt, und die freilich an der Börse kei nen Cours hat, ist die wahre Belohnung der großen Werke des menschlichen Geistes. „Das Eigcnthum eines materiellen Gegenstandes ist im Ge genteile, wie schon gesagt, das Resultat einer in einem ganz pcr- sönli«hen Interesse entworfenen und ausgeführien Arbeit; cs ist unbestimmt und kann von seinem Urheber vernichtet werden. Wir haben vollständig das Recht, den Schreibtisch zu verbren nen, von dem wir eben gesprochen und auf welchem wir schrei ben, ohne daß Jemand das Recht hätte, sich zu beklagen; denn Niemand anders erleidet einen Verlust, als wir selbst. Nickt so verhält es sich mit dem Werke eines großen Schriftstellers oder Künstlers; an dem Tage, wo ec es dem Publicum übergibt — und das ist sein schönsterTag—, entäußert 'ec sich desselben, und die Gesellschaft würde sich mit Grund einer Vernichtung dessel ben widcrsctzen, wenn er sie versuchen wollte oder könnte " Wir hatten ganz denselben Grund geltend gemacht. Das Geistige gehört dem Publicum. „Wenn Rouget de Lisle sein unsterbliches Schlachtlied hätte zurückziehen wollen und mir ge sagt hätte: ,das literarische Eigenthum ist ein Eigcnthum wie jedes andere; ich will nicht, daß man meine Marseillaise singen oder spielen solsi — glaubt man, daß ich ihn auch nur angehört hätte?" Im weiteren Verlaufe zeigt der Verfasser, daß der Ausdruck „Literarisches (geistiges) Eigcntbum" ungeeignet, und daß er zu ersetzen sei durch einen andern „das Recht der Verfasser auf ihre Werke".— Wir glauben allerdings, daß derselbe richtiger für die Gesetzgebung sei als der crstere, und daß sich daraus besser die juristischen Deduktionen machen lassen, welche nöthig sind, um bestimmte Vorschriften zu formuliren. Wenn das geistige Ei genthum wirkliches Eigcnthum ist, warum beschränkt man seine Dauer, wie kann man demselben einen Endtermin setzen, wo es aufhören soll? Ist ein solches Aufheben etwas anderes, als eine Entziehung des Eigcnthums, d. h. ein Raub? wie kann dieselbe gesetzmäßig begründet werden? Das Recht eines Schriftstellers und Künstlers auf seine Werke ist aber so lange unbestreitbar, als dasselbe in seiner geistigen Wirksamkeit lebendig ist, und da rum handelt cs sich ja zuletzt. Wenn ein Maler ein Gemälde verkauft hat, das in der Gcmäldegalleric eines Privatmannes hän gen bleibt, so wird er mit dem Verkaufspreise auch sein Recht abgetreten haben; der Privatmann würde ihm, ohne etwas an deres als eine Rücksichtslosigkeit zu begehen, selbst den Eintritt in seine Gallcrie verweigern können, falls er etwa sein Bild noch einmal zu seiner Ergötzlichkeit ansehcn wollte. Anders aber stellt sich die Sache, wenn cs sich um eine neue Vervielfältigung des Bildes handelte, welche der Käufer nicht stipulirt hat. Sofort würde das ruhende Recht des Malers auf sein Bild wieder leben dig werden. Ebenso ist cs mit Schriftwerken: Bücher z. B., die keine sichtliche Wirkung auf das Publicum mehr äußern, die verschollen sind, kommen nicht deshalb nicht in Betracht, weil der Autor kein Recht auf dieselben hätte, sondern weil dieses Recht an sich werthlos ist. Bei Büchern hingegen, die eine fortgesetzte Wirkung auf das Publicum üben, welche wieder und wieder auf gelegt werden und also ihre Lebenskraft zeigen, ist dieses Recht nicht wcrthlos und der Urheber derselben würde noch nach tau send Jahren, falls Menschen so lange lebten, dasselbe geltend machen können, eben weil es unverjährbar ist. Freilich ist die Frage, in welcher Weise und wie weit? Es handelt sich hier wie der um geistige und um materielle Interessen — oder einfacher gesagt, um den Punkt, ob auch das Recht auf materielle Vor theile, vulgo Geld genannt, unverjährbar sei? Die Antwort hierauf wird in einem zweiten Abschnitte ge geben. Das Recht der Schriftsteller u. s. w. kann nur ein tem poräres sein, soweit cs sich um Geldvergütigung handelt. „Wenn ein Product der menschlichen Intelligenz in Form einer Schrift oder eines Kunstwerkes seinem Urheber und denen, die darauf ein Anrecht haben, stets die Wohlthalcn seiner Aus nützung verschaffen müßte, warum sollten die übrigen Produkte der Intelligenz, die der Wissenschaften und Industrie, sich nicht derselben Gunst erfreuen — warum nicht die Gelehrten, die Er finder, die Wohlthätec der Menschheit, welche die Gesetze der At traktion, der Schwere der Luft, der Anwendung der Dampfkraft, Elcktricität, Buchdruckcrkunst, Photographie u. s. w. entdeckt? Sollte ihr Anrecht nicht so heilig sein, als das Paul de Kock's oder eines andern industriöscn Schriftstellers? „Nach derTheorie würde Jeder, der in irgend welcher Weise
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