Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.03.1883
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1883-03-21
- Erscheinungsdatum
- 21.03.1883
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18830321
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188303214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18830321
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1883
- Monat1883-03
- Tag1883-03-21
- Monat1883-03
- Jahr1883
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1272 Nichtamtlicher Theil. 66, 21. März. rufen, und diesmal dürfte die deutsche Regierung, die jedenfalls den Versuch machen wird, diesen köstlichen Schatz an sich zu bringen, einer stärkeren Concurrenz gegenüberstehen, als kürzlich bei dem Verkaufe der berühmten Hamilton'schen Sammlung. Der Werth der Ashburnham'schen Bibliothek ist ohne Frage ein un gleich höherer, als der jener immerhin schon wichtigen und er freulichen Requisition, und da auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika schon jetzt entschiedene Kauflust kundgegeben haben, so wird sich der Preis jedenfalls auf einige Millionen beziffern. Dazu kommt, daß sich in der englischen Presse und im englischen Publicum eine lebhafte Agitation geltend gemacht hat, welche bezwecken will, diesen so werthvollen Schatz dem Lande zu erhalten. Ein wahrer Allarmruf ist von allen Seiten erhoben und an die Regierung gerichtet worden, daß man den Schatz nicht auch, wie die Hamilton'sche Sammlung, außer Landes gehen lassen solle. Die Verwaltung des Britischen Museums hat sogar ein Gesuch an das Unterrichtsministerium gemacht, um dasselbe für das Project zu gewinnen, und man will einen außerordentlichen Credit beim Parlament beantragen, um sich den Besitz der Bibliothek zu sichern. Infolge dessen ließ dann der Minister von einem Fach mann einen genauen Katalog derselben aufstellen, welcher zugleich eine Taxation des Werthes enthält. Der Katalog enthält Stücke, welche auf 150,000 Francs geschätzt sind. Nun hat aber die Sache einen Haken, welcher die ganze Angelegenheit zu einer höchst verwickelten zu machen droht. Kaum war nämlich der Katalog erschienen, als der Conservator der Libliotbsguo nstlovsls zu Paris, Hr. Delisle, durch Vergleichung der Titel und auf Grund der Beschreibung der Codices die höchst interessante Entdeckung machte, daß eine nicht geringe Anzahl der zum Verkaufe gestellten Manuscripte, und zwar gerade die kost barsten, identisch sind mit denen, welche in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts aus den Bibliotheken von Trohes, Montpellier, Grenoble, Carpentras und Paris gestohlen worden sind, und zwar von dem berüchtigten Timoleon Libri Carrucci de la Sommaia, dem Sohne des nicht minder berüchtigten Manuscriptenmarders Libri-Bagnano, derseinerZeit in Brüssel in ähnlicher Weise operirte. Die Sache ist so gut wie erwiesen und ganz danach angethan, dem gegenwärtigen Besitzer der Sammlung, dem Lord Ashburnham, der dieselbe von seinem Vater, dem berühmtesten Bibliophilen Englands, geerbt hat, ernste Ungelegenheiten zu bereiten Die Geschichte dieser historischen Manuskripten-Diebstähle, welche vor einigen Tagen von dem Olüos äs Unblieitö mitgetheilt worden ist, enthält so viel Interessantes, daß sie auch deutsche Leserkreise interessiren dürfte. Der genannte ältere Libri, Graf v. Bagnano, ein ge borener Florentiner, war am 23. Mai 1816 von der Oour ä'asLisss cku Rböus zu zehnjähriger Zwangsarbeit verurtheilt worden, und zwar wegen Urkundenfälschungen; am 3. Mai 1817 war diese Strafe wegen anderer ähnlicher inzwischen aufgedeckter Verbrechen in eine lebenslängliche verwandelt und durch Ver urteilung zum Halseisen und zur Brandmarkung verschärft worden. Allein es war dem Hrn. Grafen gelungen, nach Belgien zu entkommen, wo er sich unter der Maske eines politischen Märtyrers in die Gunst der höchsten Kreise einzuschleichen 'wußte und wo er schließlich Redacteur des officiösen „National" wurde. Zugleich gründete er dort, wo jetzt die Gallerte Bortier ist, eine großartige Buchhandlung. In dem Aufstande vom 25. August 1830, dessen so plötzliche äußere Veranlassung die Aufführung der „Stummen von Portici" war, wurde auch das Haus Libri's von der aufgeregten Menge geplündert. Der Besitzer, für den man bereits einen Strick mit einer Schlinge an einem Fenster der zweiten Etage befestigt hatte, entging nur durch eine zufällige vorüber gehende Abwesenheit dem sicheren Tode Der Sohn dieses Libri ist nun der berühmte Manuskripten- und Autographensammlcr gleichen Namens, welcher 1803 zu Florenz geboren und 1869 zu London mit Hinterlassung eines bedeutenden Vermögens ge storben ist. Er hat dem Lord Ahsburnham einen großen Theil seiner Sammlung verkauft und gleichsam den Grund zu derselben gelegt. Dieser jüngere Libri war ein Mann von außergewöhn lichen Gaben. Kaum siebzehn Jahre alt, bestieg er den mathe matischen Lehrstuhl der Universität Pisa. Infolge seiner Theil- nahme an den revolutionären Bewegungen seines Landes flüchtig ge worden, ging er nach Brüssel zu seinem Vater und von hier 1830 nach Paris, wo er als bedeutender Gelehrter und politischer Märtyrer an Arago einen mächtigen Gönner fand. Er wurde bald Mitglied des Instituts, erhielt eine Professur an der Sorbonne und übernahm die Direktion des „llouruul äes 8s.vu.nts". In den Jahren 1839 bis 1844 war er einer der thätigsten Mitarbeiter des „äonrosl ckos Oedsts" und der „kisvus äos äeux Llouäss". Es war ein Unglück für ihn und für Frankreich, daß ihn Guizot, der damals Unterrichtsminister war, zum Generalinspecteur der Bibliotheken Frankreichs ernannte. Er war ein leidenschaftlicher Bücherliebhaber, und diese Leiden schaft wurde sein Verderben. Da er nun uneingeschränkt über die Bücherschätze des Landes schalten konnte, setzte er dieselben ganz gehörig in Contribution. So fielen ihm nach und nach die kostbarsten Codices der Bibliothek Mazarin und Richelieu, der Observatoire- und Arsenalbibliothek, der berühmten Handschriften sammlungen von Troyes, Grenoble, Poitiers, Carpentras ic. zum Opfer. Er fing die Sache sehr geschickt an. Er stahl nicht die ganzen Bände, sondern er nahm die kostbarsten Blätter heraus Bekanntlich enthalten solche Volumina gewöhnlich mehrere Handschriften von oft ganz verschiedenem Inhalt und Werth. Diese herausgenommenen Pergamentblätter, die immer irgendeine Handschrift vollständig enthielten, wußte er nun durch Radiren, Schaben und Behandlung mit aller hand Essenzen unkenntlich zu machen, dann fabricirte er aus alten Pergamentdeckeln Einbände zu denselben, schickte sodann diese Codices ins Ausland, ließ sie von dort, so zu sagen, mit einem neuen Geburtsschein zurückkommen, und dieses einträgliche Ge schüft würde er sicher noch lange mit gleichem Raffinement fort gesetzt haben, wenn die Februar-Revolution seinen Räubereien nicht ein Ziel gesetzt hätte. Doch hatte er im Jahre 1847 in einer einzigen Auction für fast 300,000 Fr. gestohlener Manu scripte verkauft. Seine Diebstähle waren auch nicht unbemerkt geblieben, und es lief sogar eines Tages eine anonyme Denun- ciation ein. Aber seine hohe Stellung und seine vielfachen Connexionen ließen es nicht zu einer gerichtlichen Untersuchung kommen. Er hatte erfahren, daß die Beweismittel für sein Verbrechen unter den Acten des auswärtigen Amtes deponirt wären. Als nun diese Acten zum Theil bei der Plünderung des Ministerialpalastes während der Revolutionstage vernichtet ivaren, glaubte er, auch die ihn gravirenden Schriftstücke hätten dieses Schicksal getheilt. Allein einer seiner Gegner entdeckte sie, gerade als er sich am sichersten fühlte und in seiner Vorsicht nachließ, und nur ein Wink, den ihm ein wohlwollender College gab, schützte ihn vor der Festnahme. Er hatte gerade noch Zeit, seine lite rarischen Schätze einzupacken und damit nach England zu fliehen, wo er die Rolle eines politischen Märtyrers wieder aufnahm Und obwohl in Havre noch sechs große Kisten mit Handschriften beschlagnahmt waren, brachte er doch noch genug mit nach England, um große Summen damit zu erzielen. Trotzdem vertheidigte er seine Unschuld auf das hartnäckigste, und bedeutende Publicisten,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder